Der Text der Dreigefährtenlegende

Übersetzung und Anmerkungen von Engelbert Grau OFM

Dies sind einige Aufzeichnungen
der drei Gefährten des seligen Franziskus
über sein Leben und seinen Wandel,
als er noch in der Welt war;
über seine wunderbare und vollkommene Bekehrung,
wie auch über die Vollkommenheit des Ursprungs
und der Grundlegung seines Ordens
in ihm selbst und in den ersten Brüdern.


INDEX

Brief der drei Gefährten

Kapitel I

Die Geburt des seligen Franziskus; seine eitle Eingebildetheit und Verschwendungssucht; wie er in der Folge zur Freigebigkeit und Liebe gegen die Armen gelangte

Kapitel II

Seine Gefangenschaft zu Perugia; wie er zwei Traumgesichte hatte, als er Ritter werden wollte

Kapitel III

Wie der Herr zuerst sein Herz heimsuchte mit wunderbarer Seligkeit, kraft deren er fortzuschreiten begann sowohl in der Verachtung seiner selbst und aller Eitelkeiten wie auch im Gebet, Almosengeben und in der Liebe zur Armut.

Kapitel IV

Wie er bei den Aussätzigen begann, sich selbst zu überwinden und sich selig zu fühlen bei dem, was ihm vorher bitter war

Kapitel V

Wie ihn der Gekreuzigte zum erstenmal anredete und wie er seither das Leiden Christi im Herzen trug bis zu seinem Tod

Kapitel VI

Wie Franziskus anfangs vor der Verfolgung des Vaters und der Verwandten floh, indem er sich beim Priester von S. Damiano aufhielt, wo er das Geld in die Fensternische geworfen hatte

Kapitel VII

Von der übermäßigen Arbeit und von der Plage bei der Wiederherstellung der Kirche S. Damiano; wie er begann, sich selbst zu überwinden, indem er um Almosen ging

Kapitel VIII

Wie er die Räte Christi im Evangelium hörte, sie verstand und daraufhin sofort sein äußeres Gewand änderte und das neue Kleid der Vollkommenheit innerlich und äußerlich anzog

Kapitel IX

Die Berufung des Bruders Silvester; sein Traumgesicht vor Eintritt in den Orden

Kapitel X

Wie Franziskus seinen sechs Gefährten alles voraussagte, was ihnen zustoßen werde, wenn sie durch die Welt ziehen, und wie er sie zur Geduld ermahnte

Kapitel XI

Die Aufnahme vier weiterer Brüder. Die glühende Liebe, die die ersten Brüder zueinander hegten; ihr Eifer in Arbeit und Gebet und ihr vollendeter Gehorsam

Kapitel XII

Wie der selige Franziskus mit elf Gefährten zur päpstlichen Kurie kam, um dem Papst ihre Lebensweise zu melden und die Regel, die er geschrieben hatte, von ihm bestätigen zu lassen

Kapitel XIII

Die Wirksamkeit seiner Predigt. Die erste Niederlassung, die er hatte; wie die Brüder sich dort aufhielten und wie sie von dort wegzogen

Kapitel XIV

Das Kapitel, das zweimal im Jahr bei der Niederlassung S. Maria von Portiunkula gehalten wurde

Kapitel XV

Der Tod des Herrn Johannes, des ersten Beschützers; die Erwählung des Herrn Hugolin von Ostia zum Vater und Beschützer des Ordens

Kapitel XVI

Die Wahl der ersten Minister; wie sie in die Welt geschickt wurden

Kapitel XVII

Das heilige Sterben des seligen Franziskus; wie er zwei Jahre vorher die Wundmale unseres Herrn Jesus Christus empfangen hatte

Kapitel XVIII

Seine Heiligsprechung



Brief der drei Gefährten 

1. 
Dem hochwürdigen Vater in Christus, Bruder Crescentius , durch Gottes Gnade Generalminister, entbieten Bruder Leo , Bruder Rufinus und Bruder Angelus , einstens Gefährten – wenn auch unwürdi-ge – unseres hochseligen Vaters Franziskus, schuldige und ergebene Hochachtung im Herrn. Auf Befehl Christi, des letzten Generalkapitels und auch auf Euren eigenen Befehl sind die Brüder verpflichtet, Zeichen und Wundertaten des hochseligen Franziskus, die sie wissen oder erfahren können, Eurer Paternität zu berichten. Wir, die längere Zeit, obschon unwürdig, mit ihm zusammenlebten , hielten es daher für gut, einige wenige von seinen vielen Taten unter Führung der Wahrheit Eurer Heiligkeit mitzuteilen. Diese Taten haben wir mit eigenen Augen gesehen oder konnten sie von anderen heiligen Brüdern erfahren, so vor allem von Bruder Philippus , dem Visitator der Armen Frauen, von Bruder Illuminatus von Arce, von Bruder Massäus von Marignano und von Bruder Johannes, dem Gefährten des ehrwürdigen Vaters Ägidius; dieser hatte das meiste davon von eben diesem heiligen Bruder Ägidius, auch von Bruder Bernhard heiligen Angedenkens, dem ersten Gefährten des seligen Franziskus, erfahren. Wir begnügen uns nicht damit, nur wunderbare Begebenheiten zu erzählen, die die Heiligkeit nicht ausmachen, sondern nur kundtun; vielmehr wollen wir auch sein hervorragendes Ordensleben und seinen Willen, der Gott wohlgefiel, aufzeigen zum Lob und Preis des genannten heiligsten Vaters, sowie zur Erbauung derer, die seinen Fußspuren nachfolgen wollen. Doch schreiben wir dies nicht nach Art einer Legende, da schon seit längerer Zeit über sein Leben und die Wundertaten, die der Herr durch ihn gewirkt hat, Legenden verfaßt worden sind. Vielmehr pflücken wir wie von einer lieblichen Wiese einige Blumen, die nach unserer Meinung besonders schön sind. Hierbei folgen wir nicht ohne Unterbrechung dem geschichtlichen Verlauf, sondern lassen vieles mit Bedacht weg, was in den erwähnten Legenden in ebenso wahrer wie treffender Erzählung berichtet ist. In sie könnt Ihr diese unsere wenigen Aufzeichnungen einreihen lassen, wenn Euer kluges Ermessen dies für richtig hält. Wir glauben nämlich, daß die ehrwürdigen Männer, die die genannten Legenden verfaßt haben, hätten sie das hier Erzählte gekannt, dies keineswegs übergangen hätten; ja, sie hätten es wenigstens zum Teil in ihrer Sprache zum Ausdruck gebracht und der Nachwelt zur Erinnerung hinterlassen. Möge Euere ehrwürdige Paternität sich stets bei voller Gesundheit befinden im Herrn Jesus Christus, in dem wir, Euere ergebenen Söhne, uns Eurer Heiligkeit in Demut und Ergebenheit empfehlen.

Greccio, am 11. August im Jahre des Herrn 1246.



Kapitel I 
Die Geburt des seligen Franziskus; seine eitle Eingebildetheit und Verschwendungssucht; 
wie er in der Folge zur Freigebigkeit und Liebe gegen die Armen gelangte

2. 
Franziskus stammte aus der Stadt Assisi, die im Gebiet des Spoletotales gelegen ist. Von der Mutter wurde er zuerst Johannes genannt . Vom Vater aber, der gerade damals aus Frankreich zurückkehrte und in dessen Abwesenheit er geboren worden war, erhielt er bald darauf den Namen Franziskus . Als er herangewachsen und sein reger Geist erwacht war, übte Franziskus das Gewerbe des Vaters, das heißt das Kaufmannsgeschäft, aus, jedoch ganz anders, denn er war viel freigebiger und heiterer. Er tat sich mit Gleichgesinnten zusammen und durchzog, dem Spiel und Sang ergeben, Tag und Nacht die Stadt Assisi. Beim Ausgeben (von Geld) war er so überaus verschwenderisch, daß er alles, was er haben und verdienen konnte, für Gastmähler und andere Dinge verwendete. Deshalb wurde er von seinen Eltern oft getadelt, indem sie ihm sagten, er mache für sich und andere solche Ausgaben, daß es scheine, als sei er nicht ihr Sohn, sondern der eines großen Fürsten. Weil seine Eltern jedoch reich waren und ihn aufs zärtlichste liebten, ließen sie ihn in seinem Treiben gewähren und wollten ihm nicht im Wege sein. Seine Mutter aber sprach, wenn bei den Nachbarn von seiner verschwenderischen Art die Rede ging: "Was haltet ihr von meinem Sohn? Er wird auch jetzt noch durch die Gnade ein Kind Gottes sein". Doch war er nicht nur in solchen Dingen freigebig, ja, sogar ein Verschwender, nein, er überschritt auch bezüglich der Kleidung vielfach das Maß, indem er teurere Gewänder herstellen ließ, als sich für ihn zu haben geziemte. Ja, in seiner Sucht aufzufallen, war er sogar so eitel, daß er einmal am gleichen Kleid einen überaus teueren Stoff mit einem ganz wertlosen zusammennähen ließ.

3. 
Im Benehmen und im Reden waren ihm höfische Sitten gleichsam angeboren; so hatte er sich denn auch in seinem Herzen vorgenommen, niemandem ein unrechtes oder anstößiges Wort zu sagen. Ja, obwohl er so ein zu jedem Scherz und Übermut aufgelegter junger Mann war, nahm er sich vor, denen in keiner Weise zu antworten, die Unanständiges zu ihm redeten. Deshalb verbreitete sich sein Ruf fast durch die ganze Gegend, so daß von vielen, die ihn kannten, gesagt wurde, er werde noch etwas Großes werden. Von dieser Stufe natürlicher Tugend stieg er zu solch hoher Begnadigung empor, daß er in sich gekehrt sprach: "Wenn du schon freigebig und ritterlich bist gegen Menschen, von denen du nur vergängliche und nichtige Gunst erfährst, so ist es recht und billig, daß du um Gottes willen, der doch überreich im Vergelten ist, gegen Arme ritterlich und freigebig bist." Darum sah er von dieser Zeit an gerne die Armen und spendete ihnen eifrig Almosen. Und obschon er Kaufmann war, war er überaus verschwenderisch mit weltlichem Reichtum. Als er aber eines Tages im Laden, wo er Tuch verkaufte, eifrig das Geschäft führte, kam ein Armer zu ihm und bat um der Liebe Gottes willen um ein Almosen. Gefesselt von der Gier nach Reichtum und der Sorge des Kaufmannsgeschäftes, schlug er ihm das Almosen ab. Durchdrungen von der göttlichen Gnade, klagte er sich seines überaus bäurischen Benehmens an, indem er sagte: "Hätte jener Arme von dir etwas verlangt für einen großen Grafen oder Baron, sicher hättest du ihm das Gewünschte gegeben; um wieviel mehr also hättest du das für den König der Könige und Herrn aller Dinge tun müssen?" Deswegen nahm er sich von da an in seinem Herzen vor, für einen so großen Herrn Gefordertes künftig nicht mehr abzuschlagen.

Kapitel II
Seine Gefangenschaft zu Perugia; wie er zwei Traumgesichte hatte, 
als er Ritter werden wollte

4. 
Als wieder einmal ein Krieg zwischen Perugia und Assisi zu Ende ging , wurde Franziskus mit vielen seiner Mitbürger gefangen genommen und zu Perugia in Gewahrsam gebracht; doch man tat ihn wegen seiner vornehmen Sitten zu den gefangenen Rittern. Eines Tages waren seine Mitgefangenen niedergeschlagen; doch er, von Natur heiter und vergnügt, zeigte sich nicht niedergeschlagen, sondern sogar einigermaßen fröhlich. Deshalb wies ihn einer seiner Gefährten zurecht: er sei nicht bei Sinnen, weil er sogar noch im Gefängnis fröhlich sei. Ihm antwortete Franziskus mit lebhafter Stimme: "Was glaubt ihr denn von mir? Die ganze Welt wird mich einst verehren." Als einer von den Rittern, denen er beigesellt war, einem der Mitgefangenen ein Unrecht zugefügt hatte, und deswegen alle anderen jenen verurteilen wollten, war es Franziskus allein, der ihm die Gesellschaft nicht verweigerte und auch die anderen ermahnte, das gleiche zu tun. Nach einem Jahr wurde unter den genannten Städten der Friede wiederhergestellt, und Franziskus kehrte mit seinen mitgefangenen Gefährten nach Assisi zurück .

5. 
Einige Jahre später rüstete sich ein Adeliger aus der Stadt Assisi mit ritterlichen Waffen aus, um nach Apulien zu ziehen, in der Absicht, Vermögen und Ansehen zu mehren . Als Franziskus dies hörte, wünschte er sehnlich, mit jenem dorthin zu gehen, um durch einen edlen Grafen Ritter zu werden. Er stattete sich nach seinen Möglichkeiten mit kostbareren Kleidern aus als sein Mitbürger; zwar war er nicht so begütert mit Reichtum wie jener, doch um so verschwenderischer im Ausgeben. So hatte er sich allen Ernstes an die Ausführung dieses Planes gemacht und brannte vor Begier, den Kriegszug mitzumachen. Da wurde er in einer Nacht vom Herrn heimgesucht, der ihn in seiner Ruhmsucht durch ein Traumgesicht mit einem Höchstmaß von Ruhm lockte und begeisterte. Als er nämlich in jener Nacht schlief, erschien ihm jemand, rief ihn beim Namen und führte ihn in einen geräumigen und schönen Palast. Dieser war voll von Kriegswaffen, nämlich von glänzenden Schilden und sonstigem Kriegsgerät; alles hing an der Mauer und harrte des Kriegsruhmes. Franziskus war außer sich vor Freude, dachte in stiller Verwunderung, was das bedeute, und fragte, wem diese von solchem Glanz blitzenden Waffen und der so schöne Palast gehörten. Es wurde ihm zur Antwort gegeben, dies alles, samt dem Palast, gehöre ihm und seinen Rittern. Als er erwacht war, stand er daher des Morgens frohen Herzens auf und dachte weltlich, wie einer, der den Geist Gottes noch nicht voll gekostet hatte, er dürfe in diesem Palast in herrlicher Weise herrschen. Überdies hielt er das Traumgesicht für ein Vorzeichen großen Glücks und beschloß, nach Apulien zu ziehen, um bei dem erwähnten Grafen Ritter zu werden. Um so viel fröhlicher aber als sonst war er geworden, daß er denen, die sich wunderten und fragten, woher ihm solche Freude komme, antwortete: "Ich weiß, daß ich ein großer Fürst sein werde" .

6. 
Diesem Traumgesicht jedoch war unmittelbar am Tage vorher ein Anzeichen seiner großen gespannten Erwartung und noblen Gesinnung vorausgegangen, so daß man nicht von ungefähr darin einen Anlaß für das Traumgesicht sehen kann. Franziskus hatte nämlich alle seine Kleider, die er sich neu hatte machen lassen - sie waren stutzerhaft und teuer -, an jenem Tag einem armen Ritter geschenkt . Er machte sich also mit Eifer auf den Weg und war schon bis Spoleto gekommen, um nach Apulien zu ziehen; da begann er leicht zu erkranken. Nichtsdestoweniger aber dachte er voller Sorge an seinen Kriegszug. Als er eingeschlafen war, hörte er jemand im Halbschlaf, der ihn fragte, wohin er denn ziehen wolle. Daraufhin enthüllte ihm Franziskus sein ganzes Vorhaben. Jener aber fügte hinzu: "Wer kann dir Besseres geben, der Herr oder der Knecht?" Als er aber erwidert hatte: "Der Herr", sprach er zu ihm abermals: "Warum also verläßt du statt des Knechtes den Herrn und statt des Hörigen den Fürsten?" Und Franziskus sagte: "Was willst du, Herr, daß ich tun soll?". "Kehre zurück in dein Land", sprach jener, "und es wird dir gesagt werden, was du tun sollst; denn das Traumgesicht, das du gesehen hast, mußt du anders verstehen." Als Franziskus aber erwachte, begann er überaus sorgfältig über dieses Traumgesicht nachzudenken . Und wie er beim ersten Traumgesicht in seiner Sehnsucht nach irdischem Glück vor lauter Freude außer sich geraten war, so blieb er bei diesem ganz in sich gesammelt, indem er über seine Bedeutung staunte und sie sehr sorgfältig überdachte, so daß er in jener Nacht nicht mehr schlafen konnte. Des Morgens kehrte er daher eilends voll Fröhlichkeit und übergroßer Freude nach Assisi zurück; er harrte auf den Willen des Herrn, der ihm dies gezeigt hatte, in der Erwartung, er werde von ihm einen Rat für sein Heil erhalten. Schon der Gesinnung nach umgewandelt, weigerte er sich, nach Apulien zu ziehen, und begehrte, sich nach dem Willen Gottes zu richten.


Kapitel III
Wie der Herr zuerst sein Herz heimsuchte mit wunderbarer Seligkeit, 
kraft deren er fortzuschreiten begann sowohl in der Verachtung seiner selbst 
und aller Eitelkeiten wie auch im Gebet, Almosengeben und in der Liebe zur Armut.

7. 
Einige Tage nach seiner Rückkehr nach Assisi wählten ihn seine Gefährten zum Anführer, damit er nach seinem Gutdünken die Kosten trage . Er ließ also ein üppiges Mahl bereiten, wie er es schon oft getan hatte. Nach dem Mahl gingen sie ins Freie; die Gefährten schritten allesamt vor ihm her, und so zogen sie singend durch die Stadt. Er selbst trug als Anführer einen Stab in der Hand und ging ein wenig hinter ihnen nach, nicht singend, sondern eifriger nachsinnend. Und siehe, plötzlich wird er vom Herrn heimgesucht, und sein Herz mit solcher Seligkeit erfüllt, daß er weder sprechen, noch sich von der Stelle bewegen konnte, daß er nichts anderes zu empfinden noch zu hören vermochte, als jene Seligkeit. So sehr hatte sie ihm alle körperliche Empfindung geraubt, daß, wie er selbst später bekannte, er sich nicht von der Stelle hätte bewegen können, selbst wenn man ihn völlig in Stücke gehauen hätte. Als aber seine Gefährten sich umblickten und sahen, daß er sich so weit von ihnen entfernt hatte, kehrten sie zu ihm zurück und hielten ihn, der gleichsam schon in einen anderen Menschen verwandelt war, erschrocken fest. Und einer fragte ihn, indem er sagte: "An was hast du gedacht, weil du uns nicht nachgekommen bist? Vielleicht hast du daran gedacht, eine Frau zu nehmen?" Mit lebhafter Stimme antwortete jener: "Ihr habt die Wahrheit gesagt; denn ich habe daran gedacht, mir eine Braut zu nehmen, die edler, reicher und schöner ist, als ihr je eine gesehen habt." Da verlachten sie ihn. Er sagte dies aber nicht aus sich selbst, sondern durch Gottes Eingebung; denn die Braut ist wahrhaftig der Orden, den er empfing, edler, reicher und schöner durch die Armut als die übrigen.

8. 
Von jener Stunde an begann er sein eigenes Nichts zu fühlen und die Dinge, die früher seine Liebe gefunden hatten, zu verachten. Freilich tat er dies noch nicht in umfassender Weise, weil er sich von der Eitelkeit der Welt noch nicht völlig losgelöst hatte. Für kurze Zeit zog er sich von der weltlichen Unruhe zurück: er war bestrebt, Jesus Christus im inneren Menschen zu verheimlichen und verbarg die Perle, die er um den Kaufpreis all seiner Habe zu erwerben wünschte, vor den Augen der Spötter. Oft, ja fast täglich begab er sich im geheimen zum Gebet. Dazu drängte ihn eine Seligkeit, die er irgendwie vorher fühlte, die ihn öfter heimsuchte und ihn so von der Straße oder anderen Orten weg zum Gebet antrieb. Zwar war er schon längst ein Wohltäter der Armen gewesen, doch von jetzt an beschloß er noch fester in seinem Herzen, keinem Armen, der ihn an des Herren Statt bitte, fernerhin etwas abzuschlagen, vielmehr noch freigebiger und reichlicher, als er es gewohnt war, Almosen zu spenden. Immer versorgte er deshalb jeden Armen, der ihn außerhalb des Hauses um ein Almosen anflehte, wenn er konnte, mit Geld; hatte er aber kein Geld, gab er auch einen Ledergürtel, um den Armen nicht leer fortzuschicken. Hatte er aber auch das nicht bei sich, ging er an eine verborgene Stelle, zog sein Hemd aus und schickte den Armen heimlich dorthin, damit er es um Gottes willen für sich hole. Er kaufte auch Geräte zur Ausstattung von Kirchen und übergab sie noch heimlicher armen Priestern.

9. 
Wenn Franziskus in Abwesenheit seines Vaters im Hause verblieb, belegte er, auch wenn er mit der Mutter allein speiste, den Tisch mit Broten, als ob er für die ganze Familie den Tisch decke. Als er daher von der Mutter gefragt wurde, warum er so viele Brote auf den Tisch legte, erwiderte er, er tue dies, um sie den Armen als Almosen zu geben; hatte er sich doch vorgenommen, jedem, der ihn um Gottes willen bitte, ein Almosen zu geben. Die Mutter aber ließ ihn in solchen Dingen gewähren, weil sie ihn mehr als die anderen Kinder liebte. Doch beobachtete sie sein Tun und wunderte sich sehr in ihrem Herzen darüber. Früher war ihm sehr am Herzen gelegen, seine Gefährten aufzusuchen, wenn er von ihnen gerufen wurde. Und so sehr war er von ihrer Gesellschaft angezogen, daß er sich vielfach von der Tafel erhob, selbst wenn er erst ein wenig gegessen hatte. Dadurch ließ er die Eltern wegen seines so unordentlichen Weggehens verärgert zurück. Jetzt aber richtete sich das Sinnen seines Herzens ganz darauf, Arme zu sehen oder von ihnen zu hören, um ihnen Almosen zu spenden.

10. 
So hatte ihn also die göttliche Gnade umgewandelt, obschon er noch weltliche Kleider trug. Darum wünschte er, in einer Stadt zu sein, wo er wie ein Unbekannter die eigenen Gewänder ausziehen, leihweise die Kleider eines Armen anziehen und versuchen könne, um der Liebe Gottes willen selbst Almosen zu erbitten. Es geschah aber, daß er eben damals einer Wallfahrt wegen nach Rom ging. Als er die Kirche des heiligen Petrus betrat, sah er, wie kärglich die Spenden mancher Leute waren. Da sprach er bei sich: "Wenn man doch den Fürsten der Apostel hochherzig verehren muß, warum geben dann diese Leute da so kärgliche Spenden in der Kirche, wo sein Leib ruht?" Und so legte er in heiligem Eifer die Hand an die Börse und zog sie heraus; sie war voll von Silbermünzen. Er warf sie durch die Öffnung des Altars und verursachte damit ein solches Geklirre, daß alle Herumstehenden über die hochherzige Spende in größte Verwunderung gerieten. Er aber ging hinaus vor den Eingang der Kirche, wo viele Arme sich einfanden, um Almosen zu betteln. Dort ließ er sich heimlich leihweise die Lumpen eines Armen geben. Dann legte er seine Kleider ab, zog jene an, stellte sich auf die Treppenstufen der Kirche zu den anderen Armen und bettelte auf französisch Almosen. Mit Vorliebe sprach er nämlich Französisch, obschon er es nicht gut sprechen konnte. Nachher aber zog er die Lumpen wieder aus, nahm seine eigenen Kleider zurück, kehrte nach Assisi zurück und fing an, den Herrn zu bitten, er möge ihm seinen Weg zeigen. Niemandem eröffnete er sein Geheimnis, niemand zog er zu Rate in dieser Hinsicht außer Gott allein, der ihm seinen Weg schon zu zeigen begonnen hatte, und bisweilen den Bischof von Assisi. Denn in der damaligen Zeit lebte bei niemand die Armut, die er mehr ersehnte als alles andere in dieser Welt; in ihr wollte er leben und sterben.


Kapitel IV
Wie er bei den Aussätzigen begann, sich selbst zu überwinden 
und sich selig zu fühlen bei dem, was ihm vorher bitter war

11. 
Als er eines Tages inbrünstig zum Herrn betete, wurde ihm geantwortet: "Franziskus, alles, was du fleischlich geliebt und zu haben gewünscht hast, mußt du verachten und hassen, wenn du meinen Willen erkennen willst. Wenn du nachher zu tun beginnen wirst, was dir bisher angenehm und süß erschien, wird es dir unerträglich und bitter sein" . Durch diese Worte auch in Gott gestärkt, begegnete Franziskus eines Tages, als er in der Nähe von Assisi einen Ritt unternahm, einem Aussätzigen. Und während er sonst gewohnt war, vor Aussätzigen großen Abscheu zu haben, tat er sich jetzt Gewalt an, stieg vom Pferd, reichte dem Aussätzigen ein Geldstück und küßte ihm die Hand. Dann empfing er von ihm den Friedenskuß, stieg wieder zu Pferd und setzte seinen Weg fort. Seitdem begann er, immer mehr sich selbst zu verachten, bis er durch die Gnade Gottes zu einem vollkommenen Sieg über sich gelangte. Wenige Tage später nahm er eine große Summe Geldes und begab sich zum Aussätzigenhospital . Nachdem er alle zusammen versammelt hatte, gab er jedem von ihnen ein Almosen und küßte ihnen die Hand. Als er wegging, war ihm wirklich das, was ihm früher bitter gedünkt, nämlich die Aussätzigen zu sehen und zu berühren, in Seligkeit verwandelt . Denn so widerwärtig war ihm, wie gesagt, der Anblick von Aussätzigen, daß er sie nicht nur keinesfalls sehen, sondern noch viel weniger ihrer Behausung nahe kommen wollte. Und wenn es einmal geschah, daß er an ihren Häusern vorbeiging oder sie sah, wandte er das Gesicht stets ab und hielt sich mit seinen Händen die Nase zu, obschon er sich von Mitleid bewegen ließ, ihnen durch eine Mittelsperson Almosen zukommen zu lassen. Aber durch die Gnade Gottes wurde er so sehr ein Vertrauter und Freund der Aussätzigen, daß, wie er selbst in seinem Testament bezeugt , er unter ihnen lebte und ihnen demütig diente .

12.
Nach den Besuchen bei den Aussätzigen war er ein anderer Mensch geworden. Einen aber von seinen Gefährten, der gut war und den er sehr geliebt hatte, nahm er mit sich an abgelegene Orte und erzählte ihm, daß er einen großen und kostbaren Schatz gefunden habe . Da freute sich jener Mann nicht wenig und ging, sooft er gerufen wurde, gerne mit ihm. Oft aber führte ihn Franziskus zu einer Grotte nahe bei Assisi. Dort trat er allein ein, während er den um den Besitz des Schatzes besorgten Gefährten draußen zurückließ; dabei wurde er von einem ganz neuen und einzigartigen Geist durchströmt und betete zum Vater im Verborgenen . Er wünschte, niemand solle wissen, was er drinnen tue, außer Gott allein, den er beharrlich um Rat fragte, wie er den himmlischen Schatz erwerben könne . Dies aber bemerkte der Feind des Menschengeschlechtes und bemühte sich, ihn von dem begonnenen Guten abzuhalten, indem er ihm Angst und Schrecken einjagte. Es lebte nämlich in Assisi ein auf häßliche Art buckeliges Weib. Dieses rief der Teufel dem Mann Gottes ins Gedächtnis und drohte ihm, wenn er nicht von dem Vorsatz, den er gefaßt habe, abstehe, werde er ihm die Mißgestalt jener Frau auferlegen. Aber der überaus tapfere Ritter Christi achtete die Drohungen des Teufels gering und betete mit Hingabe in der Grotte, Gott möge ihm seinen Weg zeigen. Dennoch litt er größte Qual und Seelenängste und vermochte keine Ruhe zu finden, bis er im Werk erfüllt, was er im Geiste sich vorgestellt hatte. Allerlei Gedanken, deren Lästigkeit ihn noch gefährlicher in Verwirrung brachte, folgten einander in buntem Wechsel. Er aber brannte in seinem Inneren vom göttlichen Feuer und vermochte die empfangene Glut des Geistes nach außen hin nicht zu verbergen. Es reute ihn, so schwer gesündigt zu haben; er fand keine Freude mehr an dem Schlechten der Vergangenheit und der Gegenwart. Und doch hatte er noch nicht die volle Gewißheit erhalten, ob er auch für die Zukunft die Zuversicht behalte. Überdies schien er, sooft er aus der Grotte zu seinem Gefährten herausging, in einen anderen Menschen verwandelt zu sein.


Kapitel V
Wie ihn der Gekreuzigte zum erstenmal anredete 
und wie er seither das Leiden Christi im Herzen trug bis zu seinem Tod

13. 
Eines Tages, als er Gottes Barmherzigkeit noch inniger angerufen hatte, zeigte ihm der Herr, daß ihm sehr bald gesagt werde, was er tun müsse. Daraufhin war er von solcher Freude erfüllt, daß er sich vor Fröhlichkeit nicht fassen konnte und etwas von diesen Geheimnissen, ohne es zu wollen, vor den Menschen verlauten ließ. Zwar redete er vorsichtig und in Rätseln, indem er sagte, er wolle nicht nach Apulien ziehen, sondern werde im eigenen Vaterland Edles und Gewaltiges vollbringen. Als ihn aber seine Gefährten so verändert sahen - er hatte sich schon geistig von ihnen entfernt, wenn er auch sich körperlich noch bisweilen zu ihnen gesellte -, fragten sie ihn wiederholt im Scherz: "Willst du nicht eine Frau heimführen, Franziskus?" Ihnen entgegnete er in dunkler Andeutung, wie es schon weiter oben vorangeschickt worden ist. Als er einige Tage nachher an der Kirche S. Damiano vorbeiging, wurde ihm im Geiste gesagt, er solle zum Beten hineingehen. Er betrat die Kirche und begann innig vor einem Bild des Gekreuzigten zu beten, das ihn liebevoll und gütig ansprach, indem es sagte: "Franziskus, siehst du nicht, daß mein Haus in Verfall gerät? Geh also hin und stelle es mir wieder her!" Zitternd und staunend sprach Franziskus: "Gerne, Herr, will ich es tun". Er meinte nämlich, daß sich das Wort auf jene Kirche S. Damiano beziehe, der ihres sehr hohen Alters wegen ein baldiger Einsturz drohte. Jene Anrede aber erfüllte ihn mit so großer Freude und erleuchtete ihn mit so hellem Licht, daß er Christus den Gekreuzigten, der zu ihm gesprochen, wahrhaft in seinem Herzen fühlte. Als er aber aus der Kirche trat, fand er den Priester neben ihr sitzen, griff mit seiner Hand in die Börse und überreichte ihm eine nicht geringe Summe Geldes mit den Worten: "Ich bitte dich, Herr, kaufe Öl und laß immer die Lampe vor jenem Kruzifix brennen; und wenn das Geld dafür aufgebraucht ist, so gebe ich dir wiederum soviel, wie dienlich ist".

14.
Von jener Stunde an war sein Herz verwundet und zerschmolzen im Gedächtnis des Leidens des Herrn, weil er immer, solange er lebte, die Wundmale des Herrn Jesus Christus in seinem Herzen getragen hat, wie dies später kraft der Erneuerung eben dieser Wundmale, die an seinem Leib wunderbar geschehen und ganz klar bewiesen ist, glänzend offenkundig wurde. Von jetzt an züchtigte er sich mit so strenger Kasteiung des Fleisches, daß er in gesunden wie in kranken Tagen gegenüber seinem Leib allzu streng war. Seinen Leib schonte er kaum oder niemals. Deshalb bekannte er, als der Tag seines Todes in der Nähe war, er habe viel gegen den Bruder Esel gesündigt, das heißt gegen seinen Leib. Eines Tages aber ging er allein in der Nähe der Kirche der heiligen Maria von Portiunkula, trauerte und wehklagte mit lauter Stimme. Dies hörte ein geistlicher Mann und glaubte, Franziskus leide an einer Krankheit oder es peinige ihn ein Schmerz. Aus Mitleid mit ihm fragte er ihn, warum er weine. Franziskus aber sprach: "Ich betrauere laut das Leiden meines Herrn Jesus Christus, für den ich mich nicht schämen würde, mit lauter Stimme wehklagend die ganze Welt zu durchziehen." Der Mann begann nun, ebenso mit ihm laut zu klagen. Oft auch, wenn er vom Gebet aufstand, schienen seine Augen voll Blut zu sein, weil er ganz bitterlich geweint hatte. Doch nicht nur mit Tränen härmte er sich ab im Gedächtnis an das Leiden des Herrn, sondern auch durch Enthaltung von Speise und Trank.

15. 
Als er einmal mit Weltleuten zum Essen saß und man ihm einiges anbot, was für ihn Lieblingsspeisen waren, kostete er nur ein wenig davon und brachte dann eine Entschuldigung vor, damit es nicht den Anschein hätte, er habe aus Enthaltsamkeit darauf verzichtet. Und wenn er mit den Brüdern aß, mischte er oft Asche in die Speise, die er aß; dabei erklärte er den Brüdern zur Verschleierung seiner Enthaltsamkeit, Schwester Asche sei keusch. Einmal aber, als er sich zum Essen setzte, sagte ein Bruder zu ihm, die selige Jungfrau sei zur Stunde des Mahles so arm gewesen, daß sie nichts hatte, was sie ihrem Sohn zum Essen gegeben hätte. Als der Mann Gottes dies hörte, seufzte er in tiefem Schmerz, verließ den Tisch und aß das Brot auf dem blanken Boden. Oft, wenn er sich zum Essen setzte, hörte er kurz nach Beginn der Mahlzeit mit Essen und Trinken auf, weil er in Betrachtung himmlischer Dinge entrückt war. Dann freilich wollte er durch keinerlei Worte gestört sein und stieß tiefe Seufzer aus dem Innersten seines Herzens aus. Er sagte aber zu den Brüdern, sie sollten immer, wenn sie ihn derartig seufzen hörten, Gott loben und für ihn selbst in Treue inständig beten. Dies haben wir nebenbei über seine Enthaltsamkeit gesagt, um zu zeigen, daß er nach der Offenbarung und Anrede durch das Bild des Gekreuzigten bis zum Tode immer dem Leiden Christi gleichförmig gewesen ist.


Kapitel VI
Wie Franziskus anfangs vor der Verfolgung des Vaters und der Verwandten floh, 
indem er sich beim Priester von S. Damiano aufhielt, 
wo er das Geld in die Fensternische geworfen hatte

16. 
Nach der erwähnten Offenbarung und Anrede des Gekreuzigten erhob sich Franziskus voll Freude, bezeichnete sich mit dem Zeichen des Kreuzes, bestieg sein Pferd, nahm Tuche verschiedenster Farben mit und kam in die Stadt, die Foligno heißt. Dort verkaufte er das Pferd und alles, was er mit sich geführt hatte, und kehrte zur Kirche S. Damiano zurück. Hier fand er jenen ärmlichen Priester, küßte ihm mit großem Glauben und mit Hingabe seine Hände, bot ihm das Geld an, das er bei sich trug, und erzählte der Reihe nach sein Vorhaben. Der Priester wurde in Erstaunen versetzt, wunderte sich über eine so plötzliche Bekehrung und weigerte sich, dies zu glauben. Und weil er meinte, man halte ihn zum Narren, wollte er das Geld nicht bei sich behalten. Franziskus beharrte hartnäckig darauf und bemühte sich, mit seinen Worten Glauben zu finden; noch inständiger bat er den Priester, er möge ihn bei sich wohnen lassen. Schließlich stimmte der Priester zu, daß er bei ihm bleibe. Das Geld aber nahm er aus Furcht vor den Eltern nicht an. Daher warf es der Verächter des Geldes in eine Fensternische und verachtete es wie Staub. Während er nun an dem erwähnten Ort weilte, ging sein Vater umher wie ein eifriger Kundschafter, um zu erfahren, was mit seinem Sohn geschehen sei. Als er von seiner Umwandlung und seinem Aufenthalt an dem schon genannten Ort gehört hatte, wurde er im innersten Herzen vom Schmerz getroffen. Verwirrt über die plötzliche Wendung der Dinge rief er alle Freunde und Nachbarn zusammen und eilte schleunigst zu ihm. Als aber Franziskus, der noch ein Neuling als Ritter Christi war, die Drohungen der Verfolger hörte und ihre Ankunft bemerkte, wich er dem väterlichen Zorn aus und suchte eine verborgene Höhle auf, die er sich zu diesem Zweck hergerichtet hatte. Dort hielt er sich einen Monat lang verborgen. Diese Höhle war nur einem Menschen seines Vaterhauses bekannt. Dort aß er die Speise, die ihm dann und wann gebracht wurde. Immer betete er im Verborgenen, aufgelöst in Tränen, der Herr möge ihn befreien von der schlimmen Verfolgung und seine frommen Wünsche mit gütiger Geneigtheit erfüllen.

17. 
So betete er unter Fasten und Weinen glühend und beharrlich zu Gott und war voll Mißtrauen gegen seine eigene Kraft und Ausdauer; seine Hoffnung jedoch setzte er ganz auf den Herrn, der ihn, obschon er noch im Dunkeln weilte, mit unsagbarer Freude erfüllt und mit wunderbarer Klarheit erleuchtet hatte. Kein Wunder freilich, daß er dadurch, völlig in Feuer geraten, die Höhle verließ und unverdrossen voll Freude den Weg nach Assisi einschlug. Ausgerüstet mit den Waffen zuversichtlichen Glaubens an Christus und von göttlicher Glut entzündet, klagte er sich selbst der Trägheit und Angst an und setzte sich offen der Gewalt und den Schlägen der Verfolger aus. Bei seinem Anblick machten ihm jene, die ihn früher gekannt hatten, erbärmlich harte Vorwürfe, nannten ihn laut einen Narren und Verrückten und bewarfen ihn mit Straßenkot und Steinen. Sie sahen, wie sich sein früheres Benehmen auf diese Weise geändert hatte, wie er durch Kasteiung des Leibes ganz abgezehrt war, und schrieben sein ganzes Treiben der Erschöpfung und dem Wahnsinn zu. Der Ritter Christi aber ging über all das hinweg, als sei er taub; kein Unrecht konnte ihn entmutigen oder umstimmen. Vielmehr dankte er Gott. Das Gerücht über diese Vorgänge mit Franziskus durcheilte Straßen und Gassen der Stadt und gelangte endlich zum Vater. Als dieser hörte, was seinem Sohn von Mitbürgern angetan wurde, erhob er sich sofort, ihn zu suchen, nicht um ihn zu befreien, sondern vielmehr ihn zu vernichten. Ohne jede Selbstbeherrschung lief er wie der Wolf hin zum Lamm, schaute ihn mit grimmigem Blick und finsterem Angesicht an und legte ruchlos Hand an ihn. Dann schleppte er ihn in sein Haus, sperrte ihn dort mehrere Tage in ein dunkles Loch und bemühte sich, durch Worte und Schläge seinen Sinn wieder auf die Nichtigkeiten der Welt hinzulenken.

18. 
Er aber ließ sich weder durch Worte noch durch Kerker erschüttern, noch durch Schläge mürbe machen; vielmehr ertrug er alles in Geduld und wurde nur um so bereiter und entschlossener, sein heiliges Vorhaben auszuführen. Als sein Vater in einer dringenden Angelegenheit außer Hause gegangen war, redete die Mutter, die mit ihm allein zurückgeblieben war und das Vorgehen ihres Mannes nicht billigte, ihrem Sohn mit zärtlichen Worten zu. Weil sie ihn aber von seinem heiligen Vorhaben nicht abbringen konnte, ließ sich ihr Herz über ihn erweichen. Sie löste die Fesseln und ließ ihn frei davongehen. Er aber dankte dem Allmächtigen, kehrte an den Ort zurück, wo er sich früher aufgehalten hatte, und freute sich über die größere Freiheit wie einer, der durch die Versuchungen der bösen Geister erprobt und durch die Lehren der Versuchungen unterwiesen ist. Nachdem er seine Unbesorgtheit und sein Selbstvertrauen wiedergewonnen hatte, schritt er voran, freier und frohgemuter gemacht durch das erlittene Unrecht. Inzwischen kehrte der Vater zurück und überschüttete, als er den Sohn nicht fand, seine Frau mit Vorwürfen und häufte so Sünde auf Sünde.

19. 
Hierauf lief er zum Sitz der städtischen Gemeinde und führte Klage vor den Konsuln der Stadt über seinen Sohn; er beantragte, daß ihm das Geld, das er aus dem Haus entwendet und davongetragen hatte, wieder zurückgegeben werde. Als aber die Konsuln ihn in so großer Aufregung sahen, ließen sie Franziskus durch einen Ausrufer herbeiholen, vielmehr vorladen, daß er vor ihnen erscheine. Er aber erwiderte dem Ausrufer, er sei bereits durch Gottes Gnade frei geworden und unterstehe nicht mehr den Konsuln, weil er einzig und allein Diener des höchsten Gottes sei. Die Konsuln wollten ihm nicht Gewalt antun und sagten deshalb zum Vater: "Seitdem er sich in den Dienst Gottes begeben hat, ist er aus unserer Machtbefugnis ausgeschieden." Als der Vater deshalb einsah, daß er bei den Konsuln nichts erreichte, brachte er beim Bischof der Stadt dieselbe Klage vor. Der Bischof aber, ein kluger und weiser Mann, ließ Franziskus in geziemender Weise vorladen, damit er vor ihm erscheine und über des Vaters Klage Antwort gebe. Und Franziskus entgegnete dem Boten: "Zum Herrn Bischof will ich kommen, denn er ist Vater und Herr der Seelen." Er kam also zum Bischof und wurde von ihm mit großer Freude aufgenommen. Der Bischof aber sprach zu ihm: "Dein Vater ist gegen dich in schwere Aufregung geraten und sehr verärgert. Wenn du also Gott dienen willst, so gib ihm das Geld zurück, das du hast. Da es vielleicht auch auf unrechte Weise erworben ist, will Gott der Sünde deines Vaters wegen nicht, daß du es zum Bau der Kirche ausgibst. Seine Wut wird sich legen, sobald er es zurückerhält. Hab also Vertrauen auf den Herrn, mein Sohn, handle mannhaft und fürchte dich nicht, denn der Herr selbst wird dein Helfer sein, und für den Bau der Kirche wird er dir das Nötige im Überfluß verschaffen".

20.
Voll Freude und sehr gestärkt durch die Worte des Bischofs, erhob sich der Mann Gottes und brachte das Geld zu ihm mit den Worten: "Herr, nicht nur das Geld, das ich von seiner Habe besitze, will ich ihm frohen Herzens zurückgeben, sondern auch die Kleider." Und er ging in ein Gemach des Bischofs, zog alle Kleider von des Vaters Habe aus und legte das Geld auf sie. Vor den Augen des Bischofs, des Vaters und aller Umstehenden trat er nackt heraus und sagte: "Hört alle und versteht! Bis jetzt habe ich den Petrus Bernardone meinen Vater genannt; aber weil ich mir vorgenommen habe, Gott zu dienen, gebe ich jenem das Geld zurück, um dessentwillen er in Unruhe war, und alle Kleider, die ich von seiner Habe besessen habe. Von nun an will ich sagen: 'Vater unser, der du bist im Himmel, nicht mehr Vater Petrus Bernardone.'" Man entdeckte aber, daß der Mann Gottes damals auf dem Leib unter den farbenfrohen Kleidern ein Zilizium trug. Nun erhob sich der Vater, von übergroßem Schmerz und Grimm gepackt, und nahm das Geld und alle Kleider mit. Und während er dies nach Hause fortschaffte, empörten sich die Leute, die bei jenem Schauspiel zugegen gewesen waren, über ihn, weil er seinem Sohn nichts von den Kleidern überlassen hatte; über Franziskus aber begannen sie, von echtem Mitleid erschüttert, heftig zu weinen. Als aber der Bischof den Entschluß des Mannes Gottes genau bedachte, wobei er seinen Eifer und seine Mannhaftigkeit sehr bewunderte, schloß er ihn in seine Arme und bedeckte ihn mit seinem Mantel. Deutlich erkannte er nämlich, daß dessen Handlungen einem göttlichen Ratschluß entsprangen, und es war ihm klar, daß das, was er gesehen hatte, kein geringes Geheimnis in sich barg. Und so wurde er von da an sein Helfer, indem er ihn ermutigte und förderte, ihn hochschätzte und mit innigster Liebe umfing.


Kapitel VII
Von der übermäßigen Arbeit und von der Plage bei der Wiederherstellung der Kirche S. Damiano;
 wie er begann, sich selbst zu überwinden, indem er um Almosen ging

21. 
So war der Knecht Gottes Franziskus also von allem entblößt, was der Welt gehört, und offen für die Gerechtigkeit Gottes. Sein erstes Leben verachtete er und weihte sich auf jede nur mögliche Weise dem Dienste Gottes. Er kehrte zur Kirche S. Damiano zurück, voll Freude und innerer Glut, und machte sich ein Gewand, ähnlich dem eines Einsiedlers . Den Priester jener Kirche stärkte er mit dem gleichen Wort, mit dem er selbst vom Bischof gestärkt worden war . Alsdann machte er sich auf und ging in die Stadt. Auf Straßen und Gassen der Stadt fing er an, dem Herrn Loblieder zu singen, wie trunken im Geiste. Nach Beendigung solchen Lobpreises des Herrn machte er sich daran, Steine für die Wiederherstellung der besagten Kirche zusammenzubringen, indem er sprach: "Wer mir einen Stein gibt, wird einfachen Lohn erhalten; wer aber zwei gibt, wird doppelten Lohn erhalten; wer drei, wird ebensoviel erhalten." Dies und noch viele andere einfältige Worte sprach er im Feuer des Geistes ; denn ungebildet und einfältig, erwählt von Gott, sprach er nicht in gelehrten Worten menschlicher Weisheit , sondern verhielt sich einfältig in allen Dingen. Oftmals verlachte man ihn, weil man ihn für einen Narren hielt; andere aber wurden, von Mitgefühl bewegt, zu Tränen gerührt, wenn sie sahen, wie er so schnell von so großer Ausgelassenheit und weltlicher Eitelkeit zu solcher Trunkenheit der Liebe Gottes gekommen war. Er hingegen machte sich nichts aus den Spöttereien, sondern sagte in der Glut des Geistes Gott Dank . Wieviel er aber an dem erwähnten Werk gearbeitet hat, das zu erzählen wäre zu langwierig und mühsam. In der Tat, er, der in seinem Vaterhaus so verwöhnt gewesen war, trug auf eigenen Schultern die Steine und plagte sich auf vielfache Art im Dienste Gottes ab.

22. 
Der oben genannte Priester beobachtete seinen Arbeitseifer, weil er nämlich so ungestüm, über seine Kräfte, sich dem Dienste Gottes hingab. Trotz der eigenen Armut sorgte der Priester dafür, daß für Franziskus etwas Zusätzliches zur Kost beschafft wurde. Er wußte ja, daß jener in der Welt üppig gelebt hatte; denn er hatte, wie der Mann Gottes später selbst wiederholt bekannte, einerseits auserlesene Speisen genossen und andererseits sich solcher enthalten, die ihm nicht behagten. Als er aber eines Tages bemerkte, was der Priester für ihn tat, sprach er zu sich selbst: "Wirst du überall, wohin du gehst, einen solchen Priester finden, der dir solche Freundlichkeit entgegenbringt? Das ist nicht das Leben eines Armen, das du erwählen wolltest; nein, wie ein Armer geh von Tür zu Tür, trag in der Hand ein Schüsselchen und tu notgezwungen die verschiedenen Speisen darin zusammen! So sollst du freiwillig arm leben um der Liebe dessen willen, der arm geboren wurde, ganz arm gelebt hat in dieser Welt, nackt und arm am Kreuz verblieben und in fremdem Grabe bestattet worden ist" . Eines Tages also erhob er sich, nahm ein Schüsselchen, betrat die Stadt, um Almosen von Tür zu Tür zu erbetteln. Er legte die verschiedenen Speisen in die Schale; da wunderten sich viele Leute, die wußten, wie sehr verwöhnt er gelebt hatte, als sie sahen, daß er sich zu so großer Selbstverachtung auf so erstaunliche Weise gewandelt hatte. Doch als er das Durcheinander der Speisen essen wollte, grauste ihn zuerst. Er war ja nicht gewohnt gewesen, derartiges auch nur sehen zu wollen, geschweige denn zu essen. Schließlich überwand er sich, begann zu essen, und es schien ihm beim Essen, als hätte ihm kein Leckerbissen je solchen Genuß bereitet. Darüber frohlockte sein Herz gar sehr im Herrn, weil sein Leib, obschon schwächlich und hart mitgenommen, gestärkt wurde, um alles Harte und Bittere freudig für den Herrn zu ertragen. Überdies dankte er Gott, weil er ihm das Bittere in Süßigkeit verwandelt und ihn vielfach so machtvoll aufgerichtet hatte. Jenem Priester sagte er nun aber, er dürfe (ihm) in Zukunft keine anderen Speisen herrichten oder herrichten lassen.

23. 
Als jedoch sein Vater ihn in solch jämmerlichem Zustand sah, wurde er von übergroßem Schmerz erfaßt. Er schämte sich nämlich, weil er ihn sehr geliebt hatte. Wenn er seinen Körper erblickte, der infolge übermäßiger Peinigung und der Kälte gleichsam schon tot war, empfand er gegen ihn einen solchen Groll, daß, wo immer er ihn antraf, er ihn verfluchte. Auf diese Flüche des Vaters hin wählte der Mann Gottes sich einen ärmlichen und verachteten Menschen zum Vater. Er sagte zu ihm: "Komm mit mir, und ich will dir von den Almosen, die man mir geben wird, schenken. Wenn du aber meinen Vater siehst, wie er mir flucht, dann werde ich ebenso zu dir sagen: 'Segne mich, Vater!' Du wirst mich bekreuzigen und segnen an seiner Stelle". Als nun jener Arme ihn so segnete, sprach der Mann Gottes zu seinem Vater: "Glaubst du nicht, daß Gott mir einen Vater geben kann, der mich segnet gegen deine Flüche?" Viele, die ihn verlachten, aber sahen, wie der so Verspottete alles geduldig ertrug, bewunderten ihn mit sehr großem Staunen. Als er eines Morgens zur Winterszeit, zufrieden mit seiner ärmlichen Bekleidung, im Gebet verweilte, ging sein leiblicher Bruder nahe an ihm vorbei und sagte zu einem seiner Mitbürger spöttisch folgendes: "Sag dem Franziskus, er solle dir wenigstens ein Quentchen von seinem Schweiß verkaufen". Als der Mann Gottes dies hörte, ward er von heilsamer Freude durchströmt und erwiderte im Ungestüm des Geistes auf französisch: "Ich will diesen Schweiß meinem Herrn teuer verkaufen"!

24. 
Als Franziskus am Bau der erwähnten Kirche unermüdlich arbeitete, wollte er, daß die Leuchten in der Kirche ständig brennen, und ging deshalb in die Stadt, um Öl zu betteln. Er kam in die Nähe eines gewissen Hauses und sah dort Menschen zum Spiel versammelt. Weil er sich schämte, vor aller Augen um Almosen zu bitten, zog er sich zurück. Als er aber zur Besinnung gekommen war, klagte er sich an, gesündigt zu haben, und lief zu dem Platz, wo das Spiel stattfand. In Gegenwart aller, die dabeistanden, bekannte er seine Schuld, daß er ihretwegen sich geschämt hatte, um ein Almosen zu bitten. Und feurigen Geistes bat er vor jenem Haus auf französisch um der Liebe Gottes willen um Öl für die Leuchten der oben genannten Kirche. Mit noch anderen arbeitete er an dem erwähnten Bauwerk. Den Einwohnern (von Assisi) und den an der Kirche Vorbeigehenden rief er mit heller Stimme in der Freude des Geistes zu: "Kommt und helft mir beim Bau der Kirche S. Damiano! Hier wird bald ein Kloster von Frauen sein, durch deren Ruhm und Leben unser himmlischer Vater in der ganzen Kirche verherrlicht werden wird". Siehe, wie er, von prophetischem Geist erfüllt, die Zukunft vorhersagte! Ja, dies ist jene Gott geweihte Stätte, an der die ruhmreiche Ordensgemeinschaft und der überaus hervorragende Orden der Armen Frauen und heiligen Jungfrauen etwa sechs Jahre nach der Bekehrung des seligen Franziskus durch eben diesen seligen Franziskus seinen glücklichen Anfang nahm. Ihr wunderbares Leben und ihre ruhmvolle Ordensgründung wurden vom Herrn Papst Gregor IX. seligen Angedenkens, damals Bischof von Ostia, mit der Vollmacht des Apostolischen Stuhles durch wiederholte Bestätigung anerkannt.

 

Kapitel VIII
Wie er die Räte Christi im Evangelium hörte, sie verstand 
und daraufhin sofort sein äußeres Gewand änderte 
und das neue Kleid der Vollkommenheit innerlich und äußerlich anzog

25. 
Nach Beendigung des Baues der Kirche S. Damiano trug der selige Franziskus noch das Kleid eines Einsiedlers. Er ging einher mit einem Stab in der Hand, mit Sandalen an den Füßen und mit einem Riemen gegürtet. Eines Tages aber hörte er bei der Feier der Messe jene Worte, die Christus im Evangelium zu den Jüngern sprach, als er sie zum Predigen aussandte, daß sie nämlich weder Gold, noch Silber, weder eine Tasche, noch Brot oder einen Stab auf dem Weg tragen, weder Schuhe noch zwei Röcke haben sollten. Als er dies hierauf mit Hilfe des Priesters noch deutlicher verstand, wurde er von unsagbarer Freude erfüllt und sprach: "Das ist es, was ich mit allen Kräften zu erfüllen wünsche!" Nachdem er alles, was er gehört, seinem Gedächtnis eingeprägt hatte, mühte er sich, es freudig zu erfüllen. Ohne Zaudern legte er ab, was er doppelt hatte, und benützte deshalb von nun an weder Stab, noch Schuhe, weder Beutel, noch Tasche. Er machte sich ein sehr unansehnliches und schmuckloses Gewand, warf den Riemen weg und nahm als Gürtel einen Strick. Auch alle Sorgen seines Herzens setzte er auf die Worte des neuen Gnadenerweises, wie er sie im Werk erfüllen könne. Auf göttliche Eingebung hin begann er, als Verkünder der evangelischen Vollkommenheit aufzutreten und einfältig in der Öffentlichkeit Buße zu predigen. Seine Worte waren weder nichtssagend, noch lachhaft, sondern drangen, voll der Kraft des Heiligen Geistes, in das Innerste des Herzens, so daß die Zuhörer darüber in gewaltiges Staunen gerieten.

26. 
Wie er später selbst bezeugt hat, hatte er diese Art von Gruß durch Gottes Offenbarung gelernt, nämlich: "Der Herr gebe dir den Frieden!" Deshalb verkündete er in jeder seiner Predigten den Frieden und grüßte so am Anfang der Predigt das Volk. Und gewiß ist es auffallend und nicht ohne wunderbares Eingreifen anzunehmen, daß er für diesen Gruß schon vor seiner Bekehrung einen Vorläufer hatte, der oft durch Assisi gegangen war und auf folgende Weise gegrüßt hatte: "Friede und Heil, Friede und Heil!" Man ist der festen Ansicht gewesen: Wie Johannes Christus vorher verkündete und mit dem Beginn der Predigt Christi seine Tätigkeit einstellte, so ging auch jener Mann wie ein zweiter Johannes dem seligen Franziskus in der Verkündigung des Friedens voran und erschien auch nicht mehr wie früher, nachdem Franziskus aufgetreten war. Überraschend also verkündete der Mann Gottes Franziskus, vom Geist der Propheten erfüllt, sogleich nach seinem erwähnten Vorläufer gemäß dem prophetischen Wort den Frieden und predigte das Heil. Durch seine heilbringenden Ermahnungen wurden sehr viele mit dem wahren Frieden verbunden, die im Widerspruch zu Christus gewesen und weit vom Heil entfernt waren.

27. 
Als aber bei vielen die Wahrhaftigkeit der lauteren Unterweisung wie des Lebens des seligen Franziskus bekannt wurde, begannen zwei Jahre nach seiner Bekehrung einige Männer, sich nach seinem Beispiel zu einem Bußleben zu entschließen und sich ihm, nachdem sie alles aufgegeben hatten, in Kleidung und Lebensweise fest anzuschließen. Von ihnen war der erste Bruder Bernhard heiligen Angedenkens. Er sah die Beharrlichkeit und den Feuereifer des seligen Franziskus im Dienste Gottes, wie er in schwerer Arbeit verfallene Kirchen wiederherstellte und ein hartes Leben führte; dabei wußte er, wie verwöhnt Franziskus in der Welt gelebt hatte. Bernhard beschloß in seinem Herzen, seine ganze Habe unter die Armen zu verteilen und sich Franziskus in Lebensweise und Kleidung beharrlich anzuschließen. Eines Tages ging er insgeheim zum Manne Gottes, eröffnete ihm sein Vorhaben und verabredete mit ihm, daß er am folgenden Spätabend zu ihm kommen wolle. Der selige Franziskus aber sagte Gott Dank. Da er bisher keinen Gefährten hatte, freute er sich sehr; am meisten aber, weil Herr Bernhard ein Mann von großer Erbauung war.

28.
Am festgesetzten Abend kam also der selige Franziskus mit großer Freude in sein Haus und blieb mit ihm jene ganze Nacht zusammen. Unter anderem sprach der selige Bernhard zu ihm: "Wenn jemand von seinem Herrn viel oder wenig hätte, das er viele Jahre besessen hätte und nicht länger behalten wollte, was würde er am besten damit anfangen?" Der selige Franziskus antwortete, er müsse es seinem Herrn zurückgeben, von dem er es empfangen hätte. Darauf sprach Bernhard: "Bruder, ich will alle meine zeitlichen Güter aus Liebe zu meinem Herrn, der sie mir gegeben hat, verteilen, so wie es dir besser und zweckmäßig scheint." Ihm erwiderte der Heilige: "In aller Frühe wollen wir zur Kirche gehen und durch das Evangelienbuch erfahren, wie Christus seine Jünger gelehrt hat." Sie machten sich also des Morgens auf zusammen mit noch einem anderen Mann namens Petrus, der ebenfalls Bruder werden wollte, und kamen zur Kirche S. Nicolò am Marktplatz der Stadt Assisi. Dort traten sie ein, um zu beten; denn sie waren einfältig und wußten nicht, wie sie das Wort des Evangeliums vom Verzicht auf die Welt finden sollten. Deshalb beteten sie voll Hingabe zum Herrn, er möge ihnen beim ersten Öffnen des Buches gnädig seinen Willen kundtun.

29. 
Nach dem Gebet ergriff der selige Franziskus das geschlossene Buch und öffnete es, kniend vor dem Altar. Beim ersten Öffnen stieß er auf jenen Rat des Herrn: "Wenn du vollkommen sein willst, geh und verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben"! Als der selige Franziskus dies erfahren hatte, freute er sich sehr und sagte Gott Dank. Weil er aber ein wahrer Verehrer der Dreifaltigkeit war, wollte er eine dreimalige Bestätigung erfahren und öffnete das Buch ein zweites und drittes Mal. Beim zweiten Mal fand er das bekannte Wort: "Nehmt nichts mit auf den Weg...". Beim dritten Mal aber das berühmte: "Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst...". Der selige Franziskus sagte bei jedem Öffnen des Buches Gott Dank für die Bestätigung seiner Lebensweise und seines längst gehegten Wunsches, die ihm zum dritten Mal durch göttliche Fügung gewährt und bedeutet worden war. Darauf sprach er zu den genannten Männern, nämlich Bernhard und Petrus: "Brüder, das ist das Leben und die Regel für uns und für alle, die sich unserer Gemeinschaft anschließen wollen. Geht also hin und erfüllt, wie ihr gehört habt!" So ging nun Herr Bernhard hin, der sehr reich war, und verkaufte alles, was er besaß. Und als er das viele Geld beisammen hatte, verteilte er alles an die Armen der Stadt. Auch Petrus erfüllte nach bestem Können Gottes Rat. Nachdem sie alles weggegeben hatten, nahmen beide in gleicher Weise das Kleid, das kurz vorher der Heilige selbst genommen hatte, als er das Einsiedlergewand ablegte. Von jener Stunde an lebten sie mit ihm zusammen nach der ihnen vom Herrn gezeigten Weise des heiligen Evangeliums. Darum hat der selige Franziskus in seinem Testament gesagt: "Der Herr selbst hat mir geoffenbart, daß ich nach der Vorschrift des heiligen Evangeliums leben solle".

Kapitel IX
Die Berufung des Bruders Silvester; 
sein Traumgesicht vor Eintritt in den Orden

30. 
Als Bruder Bernhard, wie gesagt, sein Vermögen den Armen austeilte, war auch der selige Franziskus zugegen, sah das mächtige Wirken des Herrn, pries und lobte den Herrn in seinem Herzen. Da kam auch ein gewisser Priester namens Silvester, von dem der selige Franziskus Steine für die Wiederherstellung der Kirche S. Damiano gekauft hatte. Und als Silvester sah, daß das ganze Geld auf den Rat des Mannes Gottes hin ausgegeben wurde, packte ihn die Leidenschaft der Habsucht, und er sprach zu ihm: "Franziskus, du hast mir für die Steine, die du von mir gekauft hast, nicht genug bezahlt." Als der Verächter der Geldgier jenen zu Unrecht murren hörte, ging er zu Herrn Bernhard hin, griff mit der Hand in dessen Mantel, wo das Geld war, und zog in großem Ungestüm des Geistes eine Handvoll Geldstücke heraus und gab sie dem murrenden Priester. Und wiederum füllte er ein zweites Mal seine Hand mit Geld und sagte dann zu ihm: "Hast du jetzt die volle Bezahlung, Herr Priester?" "Ich habe sie voll, Bruder", antwortete er und kehrte zufrieden mit dem so empfangenen Geld in sein Haus zurück.

31. 
Nach wenigen Tagen aber begann der nämliche Priester auf des Herrn Eingebung hin über das, was der selige Franziskus getan hatte, nachzudenken und sagte bei sich: "Bin ich nicht ein jämmerlicher Mensch, der, obwohl ich schon alt bin, Irdisches begehrt und sucht; und dieser junge Mann verachtet und verschmäht es um der Liebe Gottes willen?" In der folgenden Nacht sah er im Traum ein riesiges Kreuz, dessen Spitze den Himmel berührte und dessen Fuß fest im Munde von Franziskus stand; seine Querbalken reichten von einem Ende der Welt bis zum anderen. Als nun der Priester erwachte, erkannte und glaubte er fest, Franziskus sei ein wahrer Freund und Diener Gottes, und der Orden, den er gegründet hatte, werde sich bald über die ganze Welt ausbreiten. Und so begann er, Gott zu fürchten und in seinem Haus Buße zu tun. Schließlich aber, nach kurzer Zeit trat er in den schon gegründeten Orden ein, in dem er ein überaus tugendhaftes Leben führte und es glorreich beendete.

32. 
Weil aber der Mann Gottes Franziskus, als sich ihm, wie berichtet, zwei Brüder zugesellten, keine Unterkunft besaß, wo er mit ihnen bleiben konnte, begab er sich zusammen mit ihnen zu einer armseligen, verlassenen Kirche, die man S. Maria von Portiunkula nannte. Und sie machten sich dort ein einziges Häuschen, wo sie manchmal zusammen weilten. Nach ein paar Tagen kam aber ein Mann aus Assisi namens Ägidius in großer Ehrfurcht und Hingabe zu ihnen, kniete nieder und bat den Mann Gottes, er möge ihn in seine Gemeinschaft aufnehmen. Der Heilige sah, daß er glaubensstark und (Gott) hingegeben sei und reiche Gnade von Gott zu erlangen vermöge, wie es sich später in der Tat herausstellte; darum nahm er ihn gerne auf. Diese vier Männer waren einander verbunden in überaus großer Fröhlichkeit und Freude des Heiligen Geistes. Um größere Fortschritte zu machen, trennten sie sich auf folgende Weise:

33. 
Der selige Franziskus nahm den Bruder Ägidius mit sich und zog in die Mark Ancona. Die beiden anderen aber machten sich auf in eine andere Gegend. Als sie auf dem Weg in die Mark waren, frohlockten sie über die Maßen im Herrn. Der heilige Mann jedoch sang mit hoher heller Stimme auf französisch die Loblieder des Herrn, pries und lobte die Güte des Allerhöchsten. Von solcher Freude waren sie in der Tat erfüllt, als hätten sie den großen Schatz auf dem evangelischen Grundstück der Herrin Armut gefunden, der zuliebe sie alle zeitlichen Güter wie Unrat freien Herzens und gern verlassen hatten. Der heilige Franziskus aber sprach zu Bruder Ägidius: "Unser Orden wird einem Fischer ähnlich sein, der seine Netze ins Wasser wirft und eine sehr große Menge Fische fängt, und die kleinen ins Wasser zurückläßt, die großen für seine Gefäße auswählt". So prophezeite er über die Ausbreitung des Ordens. Obschon aber der Mann Gottes bisher dem Volke nicht predigte, ermahnte er doch, wenn er Städte und Dörfer durchzog, alle, sie sollten Gott lieben und fürchten und wegen ihrer Sünden Buße tun. Bruder Ägidius jedoch forderte die Zuhörer auf, Franziskus Glauben zu schenken, weil er ihnen aufs beste rate.

34. 
Die ihnen aber zuhörten, sagten: "Wer sind diese da, und was sind das für Worte, die sie reden?" Gottesliebe und Gottesfurcht waren damals fast überall erloschen; der Weg der Buße war weithin unbekannt, ja, er wurde sogar für Torheit gehalten. So sehr hatten die Lockung des Fleisches, die Habsucht der Welt und die Hoffart des Lebens das Übergewicht bekommen, daß die ganze Welt von diesen drei Übeln in Besitz genommen schien. Man war verschiedener Meinung über diese evangelischen Männer. Die einen sagten nämlich, sie seien Toren oder Betrunkene; andere aber behaupteten, solche Worte kämen nicht von Torheit. Doch einer von den Zuhörern sprach: "Entweder hängen sie wegen der höchsten Vollkommenheit dem Herrn an oder sie sind gewiß verrückt geworden, weil ihr Leben hoffnungslos scheint, da sie kärgliche Nahrung genießen, barfuß gehen und sich mit äußerst geringwertiger Kleidung kleiden." Einstweilen folgten ihnen andere noch nicht, obgleich manche in Furcht gerieten, wenn sie die Art ihrer heiligen Lebensführung erblickten. Wenn aber Frauen und Mädchen sie von weitem sahen, fürchteten sie, vielleicht von dieser Torheit und Verrücktheit erfaßt zu werden, und flohen. Als sie jene Provinz durchzogen hatten, kehrten sie an die genannte Stätte Santa Maria zurück.

35. 
Nach wenigen Tagen aber kamen drei andere Brüder, oder vielmehr Männer aus Assisi zu ihnen, nämlich Sabatinus, Morikus und Johannes de Capella. Sie baten den seligen Franziskus inständig, er möge sie unter die Brüder aufnehmen. Er nahm sie demütig und gütig auf. Wenn sie aber um Almosen in der Stadt bettelten, gab ihnen kaum jemand etwas, sondern man machte ihnen Vorwürfe mit den Worten, sie hätten ihren Besitz aufgegeben und verzehrten fremden. Und so litten sie sehr große Not. Sogar ihre Eltern und Verwandten verfolgten sie; andere Leute aus der Stadt verlachten sie als Dummköpfe und Narren, weil in jener Zeit niemand sein Eigentum verließ, um dann von Tür zu Tür Almosen zu betteln. Doch der Bischof der Stadt Assisi, zu dem der Mann Gottes häufig sich Rat holen ging, nahm ihn gütig auf und sprach zu ihm: "Hart scheint mir eure Lebensweise und rauh, nichts in der Welt zu besitzen". Zu ihm sagte der Heilige: "Herr, wenn wir irgendwelche Besitztümer hätten, wären uns Waffen nötig für unsere Obhut. Denn daraus entstehen Rechtsstreite und Zänkereien, und dadurch wird die Gottes- und Nächstenliebe gewöhnlich vielfach verhindert. Und deshalb wollen wir in dieser Welt kein zeitliches Gut besitzen." Der Bischof befand die Antwort des Gottesmannes für sehr gut; denn er verachtete alles Vergängliche und vornehmlich das Geld so sehr, daß er in allen seinen Regeln gerade die Armut betonte und alle Brüder besorgt machte, das Geld zu meiden. Er verfaßte nämlich mehrere Regeln und erprobte sie, bevor er jene verfaßte, die er zuletzt den Brüdern hinterließ. Deshalb sagte er in einer von ihnen zur Verfluchung des Geldes: "Hüten wir uns, die alles verlassen haben, daß wir nicht wegen etwas so Geringem das Himmelreich verlieren. Und wenn wir irgendwo Geld finden sollten, dann wollen wir uns darum nicht mehr kümmern als um den Staub, den wir unter den Füßen treten".

Kapitel X
Wie Franziskus seinen sechs Gefährten alles voraussagte, 
was ihnen zustoßen werde, wenn sie durch die Welt ziehen, 
und wie er sie zur Geduld ermahnte

36. 
Als aber der heilige Franziskus schon voll der Gnade des Heiligen Geistes war, rief er seine genannten sechs Brüder zu sich und sprach zu ihnen über ihre Zukunft. Er sagte: "Erwägen wir unsere Berufung, liebste Brüder ! Durch sie hat Gott uns barmherzig berufen nicht nur zu unserem Heil, sondern zum Heil vieler . Darum sollen wir durch die Welt ziehen und die Menschen mehr durch das Beispiel als durch das Wort ermahnen , damit sie Buße tun für ihre Sünden und sich der Gebote erinnern . Fürchtet euch nicht, weil ihr klein und dumm scheint! Verkündet vielmehr unbesorgt in einfältiger Art Buße ! Vertraut auf Gott, der die Welt besiegt hat , weil er mit seinem Geist durch euch und in euch spricht, damit ihr alle ermahnt, daß sie sich zu ihm bekehren und seine Gebote beobachten. Ihr werdet aber einige gläubige, milde und wohlwollende Menschen finden, die euch und euere Worte mit Freude aufnehmen, aber noch mehr andere, ungläubige, hochmütige und lästernde, die euch ausschelten und dem, was ihr sagt, Widerstand leisten. Nehmt euch deshalb in eurem Herzen vor, alles geduldig und demütig zu ertragen" ! Als die Brüder dies gehört hatten, begannen sie sich zu fürchten. Der Heilige aber sprach zu ihnen: "Fürchtet euch nicht! Denn nach nicht langer Zeit werden zu euch viele weise und vornehme Männer kommen. Sie werden mit euch leben und Königen, Fürsten und vielen Völkern predigen. Viele jedoch werden sich zum Herrn bekehren, der auf der ganzen Erde seine Familie vermehren und vergrößern wird" .

37. 
Und als er dies gesagt und sie gesegnet hatte, gingen die Männer Gottes fort und beobachteten treu ergeben seine Ermahnungen. Wenn sie irgendeine Kirche oder ein Kreuz fanden, so verneigten sie sich zur Anbetung und sprachen demütig: "Wir beten dich an, Christus, und preisen dich all der Kirchen wegen, die auf der ganzen Welt sind, weil du durch dein Kreuz die Welt erlöst hast" . Sie glaubten nämlich eine Wohnstätte Gottes zu finden, wo immer sie ein Kreuz oder eine Kirche fanden. Wer sie aber erblickte, war aufs höchste erstaunt, weil sie sich in Kleidung und Lebensweise von allen unterschieden und wie Waldmenschen schienen. Wo immer sie eine Stadt oder ein Dorf, einen Weiler oder ein Haus betraten, verkündeten sie den Frieden und bestärkten alle, den Schöpfer des Himmels und der Erde zu fürchten und zu lieben und seine Gebote zu beobachten. Einige hörten ihnen gerne zu; andere - ganz im Gegenteil - lachten sie aus. Die meisten quälten sie mit Fragen, wobei einige sagten: "Woher seid ihr?" Andere fragten, was für ein Orden der ihre sei. Wenn es auch lästig war, so viele Fragen zu beantworten, bekannten sie dennoch schlicht, daß sie Männer der Buße waren, gebürtig aus Assisi. Denn ihre Gemeinschaft wurde noch nicht Orden genannt.

38. 
Viele hielten sie für Betrüger und Narren und wollten sie nicht in ihr Haus aufnehmen aus Furcht, daß sie wie Diebe ihr Eigentum heimlich wegschafften. Deshalb übernachteten sie, nachdem man ihnen an vielen Orten großes Unrecht getan hatte, in Vorhallen von Kirchen und Häusern. Damals hielten sich zwei von ihnen in Florenz auf. Sie bettelten durch die Stadt, konnten aber keine Unterkunft finden. Da kamen sie aber zu einem Haus, das eine Vorhalle hatte, und in der Vorhalle einen Backofen. Da sagte einer zum andern: "Hier werden wir eine Unterkunft finden können." Sie baten die Herrin des Hauses, sie möge sie in ihrem Haus aufnehmen. Als sie die Bitte verweigerte, sagten sie demütig, sie möchte ihnen erlauben, daß sie doch wenigstens für diese Nacht neben dem Backofen schlafen. Als sie dies gestattet hatte, kam ihr Mann und sagte zu ihr: "Warum hast du diesen Landstreichern Unterkunft in unserer Vorhalle gewährt?" Sie erwiderte, sie hätte sie nicht ins Haus aufnehmen wollen, sondern ihnen (nur) erlaubt, sich außerhalb in der Vorhalle niederzulegen, wo sie nur Holz stehlen könnten. Der Mann wollte ihnen auch keinerlei Decke geben, obschon große Kälte herrschte; er meinte nämlich, sie seien Landstreicher und Diebe. Nachdem sie in jener Nacht bis zur Morgenfrühe neben dem Backofen nach sehr mäßigem Schlaf geruht hatten, gewärmt allein durch göttliche Glut und geschützt durch die Decke der Herrin Armut, gingen sie in die nächste Kirche, um am Frühgottesdienst teilzunehmen.

39. 
Und als es Morgen geworden war, ging jene Frau in die nämliche Kirche und erblickte die Brüder, wie sie andächtig im Gebet verharrten. Sie sagte bei sich: "Wenn diese Männer Landstreicher und Diebe wären, wie mein Mann sagte, würden sie nicht so ehrerbietig im Gebet verharren." Während sie dies überlegte, siehe, da verteilte ein Mann namens Guido den in der Kirche weilenden Armen Almosen. Als er zu den Brüdern gekommen war und jedem von ihnen Geld geben wollte, wie er den anderen gab, wiesen sie das Geld zurück und wollten es nicht annehmen. Jener aber sprach: "Warum nehmt ihr, obschon ihr arm seid, die Geldstücke nicht an wie die anderen?" Bruder Bernhard antwortete: "Es ist richtig, wir sind arm; doch uns ist die Armut nicht drückend wie anderen Armen. Denn wir sind durch Gottes Gnade, dessen Rat wir erfüllt haben, freiwillig arm geworden." Jener Mann wunderte sich über sie und fragte, ob sie je etwas besessen hätten, und hörte von ihnen, sie hätten viel Besitz gehabt, aber aus Liebe zu Gott alles verschenkt. Derjenige aber, der so antwortete, war jener Bruder Bernhard, der zweite nach dem seligen Franziskus, den wir heute wahrhaft für einen sehr heiligen Bruder halten. Denn er nahm zuerst die Botschaft vom Frieden und von der Buße gerne auf und folgte voll Eifer dem Heiligen Gottes nach, indem er alles, was er besaß, verkaufte, es unter die Armen verteilte und nach dem Rat zur evangelischen Vollkommenheit bis zum Tode in heiligster Reinheit ausharrte. Die genannte Frau überlegte also reiflich, daß die Brüder die Geldstücke nicht gewollt hatten. Sie ging zu ihnen hin und sagte, sie wolle sie gerne in ihr Haus aufnehmen, wenn sie als Gäste dort einkehren wollten. Demütig erwiderten ihr aber die Brüder: "Der Herr möge dir den guten Willen vergelten!" Als aber der vorher genannte Mann hörte, daß die Brüder keine Unterkunft hatten finden können, führte er sie in sein Haus und sagte: "Seht die Unterkunft, die euch vom Herrn bereitet ist. Bleibt da, solange ihr wollt!" Und jene dankten Gott und blieben einige Tage bei dem Mann. Durch ihr Beispiel wie durch ihr Wort bestärkten sie ihn in der Furcht des Herrn, so daß er später den Armen reichlich geschenkt hat.

40. 
Wenngleich sie aber von jenem Mann so wohlwollend behandelt worden waren, schätzten dagegen andere Leute sie so überaus gering, daß viele, sowohl niedrig- als auch hochgestellte, sie verhöhnten und ihnen Unrecht taten; so nahmen sie ihnen manchmal sogar die Kleider, die sie trugen, weg. Wenn die Diener Gottes so nackt dastanden, weil sie nach der Weisung des Evangeliums nur ein einziges Kleid besaßen, so verlangten sie nicht, daß man ihnen das Weggenommene zurückerstatte. Wenn diese aber aus Mitleid das Weggenommene zurückgeben wollten, nahmen sie es gerne wieder zurück. Einige Leute aber bewarfen sie mit Kot, andere drückten ihnen auch Würfel in die Hand und luden sie ein, ob sie etwa spielen wollten. Wieder andere faßten sie von hinten an der Kapuze und trugen sie auf ihrem Rücken aufgehängt davon. Dies und ähnliches taten ihnen die Leute an, weil man sie für so minderwertig hielt, daß man sie unbekümmert mißhandelte, wie man wollte. Überdies erduldeten sie infolge von Hunger, Durst, Kälte und Blöße unermeßliche Beschwerden und Unannehmlichkeiten. Alles aber ertrugen sie standhaft und geduldig, wie sie vom seligen Franziskus ermahnt worden waren. Sie wurden weder traurig, noch bestürzt, noch fluchten sie denen, die ihnen Böses antaten, sondern wie vollkommene und evangelische Männer, die zu großem Reichtum gelangt sind, jubelten sie gar sehr im Herrn und hielten es für lauter Freude, wenn sie in solche Versuchungen und Drangsale gerieten. Und gemäß dem Wort des Evangeliums beteten sie inständig und eifrig für ihre Verfolger.


Kapitel XI
Die Aufnahme vier weiterer Brüder. Die glühende Liebe, 
die die ersten Brüder zueinander hegten; 
ihr Eifer in Arbeit und Gebet und ihr vollendeter Gehorsam

41. 
Die Leute sahen also, daß die Brüder in ihren Bedrängnissen frohlockten, sich mit Sorgfalt dem Gebet und der Hingabe [an Gott] widmeten, Geld weder annahmen, noch mit sich führten, und einander in größter Liebe zugetan waren, wodurch man sie als wahre Jünger des Herrn erkannte . Deshalb wurden viele ins Herz getroffen und kamen zu ihnen, um Verzeihung für die Beleidigungen, die sie ihnen zugefügt hatten, zu erbitten. Sie aber verziehen von Herzen und sagten: "Der Herr möge euch verzeihen" ! Und sie redeten ihnen um ihres Heiles willen eindringlich zu. Einige baten die Brüder, sie in ihre Gemeinschaft aufzunehmen; und weil alle jene sechs (Brüder) wegen der geringen Zahl der Brüder vom seligen Franziskus die Vollmacht hatten, jemand in den Orden aufzunehmen, nahmen sie einige in ihre Gemeinschaft auf . Mit ihnen, die sie auf diese Weise aufgenommen hatten, kehrten sie alle zum festgesetzten Zeitpunkt nach S. Maria von Portiunkula zurück . Wenn die Brüder sich gegenseitig aber wiedersahen , wurden sie von solchem Frohsinn und mit Freude erfüllt, als wenn sie sich nicht mehr an das erinnerten, was ihnen von bösen Menschen zugefügt worden war . Täglich waren sie eifrig besorgt um Gebet und Handarbeit , um allen der Seele feindlichen Müßiggang gänzlich von sich zu vertreiben. Besorgt standen sie des Mitternachts auf und beteten mit großer Hingabe und mit vielen Tränen und Seufzern. Mit überaus herzlicher Liebe liebten sie einander, und der eine umhegte den anderen und pflegte ihn wie eine Mutter ihren einzigen und geliebten Sohn. Eine so starke Liebe brannte in ihnen, daß es ihnen leicht schien, ihren Leib dem Tod preiszugeben, nicht nur um der Liebe Christi willen, sondern auch für das Heil der Seele oder des Leibes ihrer Mitbrüder.

42. 
So trafen eines Tages zwei von den Brüdern, als sie miteinander gingen, auf einen Verrückten, der Steine gegen sie zu schleudern begann. Als deshalb der eine von ihnen sah, daß auf den anderen Steine geworfen wurden, stellte er sich sofort den Steinwürfen entgegen; denn wegen der gegenseitigen Liebe, die ihn beseelte, wollte lieber er anstelle seines Bruders getroffen werden. Und so waren sie bereit, daß einer für den anderen das Leben einsetzte. In der Demut und Liebe waren sie so fest gegründet und verwurzelt, daß einer den anderen wie seinen Vater und Herrn ehrte; und jene, die durch das Oberenamt oder durch irgendeine Gnade herausragten, erschienen noch demütiger und geringer als die übrigen. Alle unterwarfen sich ganz dem Gehorsam und hielten sich fortwährend bereit, den Willen des Befehlenden zu erfüllen. Sie machten keinen Unterschied zwischen einem rechtmäßigen und unrechtmäßigen Befehl. Denn von allem, was vorgeschrieben war, glaubten sie, es sei dem Willen des Herrn entsprechend. Deshalb war es ihnen leicht und angenehm, Befehle auszuführen. Der fleischlichen Begierden enthielten sie sich, gingen mit sich selbst sorgfältig ins Gericht und hüteten sich, daß einer den anderen irgendwie beleidigte.

43. 
Und wenn es einmal vorkam, daß einer dem anderen ein Wort sagte, das diesen beleidigen konnte, wurde er von seinem Gewissen gequält, daß er nicht zur Ruhe kommen konnte, bis er seine Schuld bekannte, sich demütig zur Erde niederwarf und sich den Fuß des Bruders auf seinen Mund legen ließ. Weigerte sich der beleidigte Bruder, seinen Fuß auf den Mund des anderen zu setzen, so befahl ihm der andere, wenn er ein Oberer war, der den anderen beleidigt hatte, den Fuß auf seinen Mund zu legen. War er nicht Oberer, ließ der Untergebene es ihm vom Oberen befehlen. Und so trachteten sie, daß aller Groll und jede Boshaftigkeit von ihnen vertrieben und stets unter ihnen die vollkommene Liebe bewahrt werde. Sie bemühten sich, den einzelnen Lastern nach Kräften die entsprechenden Tugenden entgegenzustellen, wobei die Gnade Jesu Christi ihnen zuvorkam und sie unterstützte. Nichts nahmen sie überdies als Eigentum für sich in Anspruch, sondern gebrauchten Bücher und alles, was ihnen gegeben wurde, gemeinsam nach der von den Aposteln überlieferten und erhaltenen Weisung. Wenn auch bei ihnen die wahre Armut herrschte, waren sie dennoch gütig und freigebig mit allem, was man ihnen um des Herrn willen schenkte. Gerne gaben sie allen, die um seiner Liebe willen baten, besonders den Armen, die Almosen, die ihnen gegeben worden waren.

44. 
Wenn sie aber des Weges gingen und Arme trafen, die um der Liebe Gottes willen sie um etwas anbettelten, gaben sie, wenn sie nichts anderes zu geben hatten, einen Teil von ihrer Kleidung, wenn sie auch ärmlich war. Manchmal trennten sie die Kapuze ab, die sie an Stelle des Habits hergaben, manchmal einen anderen Teil, den sie vom Habit abtrennten, um jene Stelle des Evangeliums zu erfüllen: "Gib jedem, der dich bittet"! Eines Tages aber kam ein Armer zur Kirche Sankt Maria von Portiunkula, wo die Brüder sich manchmal aufhielten, und bettelte um ein Almosen. Dort befand sich aber ein Mantel, den ein Bruder in der Welt getragen hatte. Als diesem nun der selige Franziskus gesagt hatte, er solle den Mantel jenem Armen geben, überließ er ihm denselben gerne und schnell. Auf der Stelle schien dem Bruder wegen der Ehrfurcht und dem frommen Eifer, die er beim Überlassen des Mantels an jenen Armen gehabt hatte, daß dieses Almosen in den Himmel hinaufgestiegen sei; und er fühlte sich von neuer Freude durchströmt.

45. 
Wenn aber reiche Weltleute bei ihnen vorbeikamen, nahmen die Brüder sie freundlich und wohlwollend auf und bemühten sich, sie vom Bösen zurückzurufen und zur Buße zu ermuntern. Eindringlich suchten sie auch zu erreichen, nicht in Gegenden geschickt zu werden, aus denen sie gebürtig waren, um so den vertrauten Umgang und Verkehr mit ihrer Verwandtschaft zu vermeiden und das Wort des Propheten zu beobachten: "Fremd geworden bin ich meinen Brüdern und entfremdet den Söhnen meiner Mutter". Die größte Freude hatten sie an der Armut, weil sie keine Reichtümer begehrten, sondern alles Vergängliche verschmähten, das von den Liebhabern dieser Welt begehrt werden kann. Vor allem aber traten sie das Geld wie Staub mit den Füßen; und wie sie vom seligen Franziskus belehrt worden waren, schätzten sie es an Wert und Bedeutung gleich Eselsmist. Sie freuten sich ununterbrochen im Herrn, weil es nichts unter ihnen gab, weshalb sie hätten traurig werden können. Je mehr sie nämlich von der Welt getrennt waren, desto mehr waren sie mit dem Herrn verbunden. Indem sie den Weg des Kreuzes und die Pfade der Gerechtigkeit gingen, machten sie den engen Weg der Buße und der Beobachtung des Evangeliums von allen Hindernissen frei, damit der Weg den Nachkommenden eben und sicher werde.


Kapitel XII 
Wie der selige Franziskus mit elf Gefährten zur päpstlichen Kurie kam, 
um dem Papst ihre Lebensweise zu melden und die Regel, 
die er geschrieben hatte, von ihm bestätigen zu lassen

46. 
Als der selige Franziskus aber sah, daß der Herr seine Brüder an Zahl und Verdienst mehrte - sie waren zwölf überaus unerschrockene Männer, die sich einig wußten -, sagte er zu den Elfen - er selbst war der zwölfte, Vater und Führer : "Ich sehe, Brüder, daß der Herr unsere Gemeinschaft gnädig mehren will. Gehen wir also zu unserer Mutter, der heiligen Römischen Kirche, und melden wir dem Papst, was der Herr durch uns zu wirken begonnen hat, damit wir seinem Willen und Geheiß entsprechend weiterführen, was wir begonnen haben" . Und als den anderen Brüdern das Wort des Vaters gefiel und sie mit ihm zur Kurie zogen, sagte er zu ihnen: "Machen wir einen aus uns zu unserem Führer und halten wir ihn gleichsam für den Stellvertreter Jesu Christi , damit, wohin er sich wenden will, wir uns wenden, und wenn er einkehren will, wir einkehren." Und sie wählten Bruder Bernhard, den ersten nach dem seligen Franziskus, und beobachteten, was der Vater gesagt hatte. Sie gingen also voll Freude und sprachen nur Worte des Herrn . Nichts wagten sie zu reden, außer was sich auf das Lob und die Ehre Gottes bezog und zum Nutzen der Seele diente; und häufig widmeten sie sich dem Gebet. Der Herr aber bereitete ihnen Unterkunft und ließ ihnen das Notwendige verschaffen.

47. 
Als sie nach Rom gekommen waren, trafen sie dort den Bischof der Stadt Assisi , von dem sie mit außerordentlicher Freude aufgenommen wurden. Er war nämlich dem seligen Franziskus und allen Brüdern mit besonderer Liebe zugetan. Da er jedoch den Grund ihres Kommens nicht kannte, war er erst bestürzt, weil er fürchtete, sie wollten die eigene Vaterstadt verlassen, wo der Herr Wunderbares durch sie zu wirken begonnen hatte. Er freute sich sehr, in seinem Bistum solche Männer zu haben, von deren Leben und Wandel er sich sehr viel erhoffte. Nachdem er aber den Grund gehört und Kenntnis von ihrem Vorhaben erhalten hatte, freute er sich sehr und versprach ihnen dazu Rat und Hilfe. Der gleiche Bischof war aber mit dem Kardinalbischof von Sabina, Herrn Johannes von Sankt Paul bekannt, einem Mann wahrhaft voll der Gnade Gottes, der die Diener Gottes überaus hochschätzte. Diesem hatte der genannte Bischof von Assisi das Leben des seligen Franziskus und seiner Brüder erzählt; deshalb wollte er gerne den Mann Gottes und einige seiner Brüder sehen. Als er aber hörte, sie seien in Rom, schickte er nach ihnen und empfing sie mit großer Ehrerbietung und Liebe .

48. 
Sie hielten sich einige Tage bei ihm auf und erbauten ihn so sehr mit heiligen Gesprächen und ihrem Beispiel, daß er in der Tat hell leuchten sah, was er über sie vernommen hatte. Darum empfahl er sich in demütiger Ergebenheit ihrem Gebet. Er bat auch um die besondere Gunst, daß er von jetzt an wie einer von den Brüdern betrachtet werde. Schließlich fragte er den seligen Franziskus, weswegen er gekommen sei, hörte von ihm sein ganzes Vorhaben und seine Absicht und bot sich als Prokurator bei der Kurie an. So eilte denn der erwähnte Kardinal an die Kurie und sprach zum Herrn Papst Innozenz III.: "Ich habe einen äußerst vollkommenen Mann gefunden, der nach der Form des heiligen Evangeliums leben und die evangelische Vollkommenheit in allem einhalten will, durch die, so glaube ich, der Herr den Glauben der heiligen Kirche auf der ganzen Welt erneuern will". Als der Herr Papst dies hörte, war er sehr erstaunt und beauftragte den Kardinal, daß er den seligen Franziskus zu ihm führe.

49. 
Am folgenden Tag wurde der Mann Gottes von dem erwähnten Kardinal dem Papst vorgestellt, dem er sein ganzes Vorhaben eröffnete. Da der Papst eine besondere Unterscheidungsgabe besaß, stimmte er den Wünschen des Heiligen in gebührender Weise zu, gab ihm und seinen Brüdern noch über vieles Ermahnungen, segnete sie und sprach: "Geht mit dem Herrn, Brüder, und, wie er allein euch einzugeben sich würdigen wird, predigt allen Buße! Wenn euch aber der allmächtige Gott größer werden läßt an Zahl und Gnade, so berichtet es uns! Dann werden wir euch noch mehr als dies gewähren und unbekümmerter euch noch Größeres anvertrauen". Der Herr Papst wollte aber in Erfahrung bringen, ob das Gewährte und noch zu Gewährende dem Willen Gottes gemäß sei; daher sagte er, bevor der Heilige von ihm wegging, zu ihm und den Gefährten: "Meine lieben Söhne, eure Lebensweise scheint uns allzu hart und rauh; wenn wir auch glauben, daß ihr so große Begeisterung besitzt, daß wir euretwegen keine Bedenken zu haben brauchen, so müssen wir trotzdem auch an jene denken, die euch nachfolgen wollen, daß ihnen dieser Weg nicht allzu rauh erscheint". Als aber der Papst ihren Glauben sah, ihre Unerschütterlichkeit und den Anker ihrer Hoffnung, der aufs stärkste in Christus befestigt war, so daß sie nicht von ihrer Begeisterung ablassen wollten, sagte er zum seligen Franziskus: "Mein Sohn, geh und bitte Gott, er möge dir kundtun, ob das, was euer Wunsch ist, aus seinem Willen hervorgeht! Dann wollen wir, wenn wir den Willen des Herrn erkennen, deinen Wünschen zustimmen".

50. 
Während also der Heilige Gottes nach dem Rat des Herrn Papstes betete, sprach der Herr zu ihm im Geiste durch ein Gleichnis, indem er sagte: "Eine ärmliche und schöne Frau lebte in einer Wüste. Ihre Schönheit bewunderte ein großer König und begehrte sie zur Ehefrau, weil er von ihr schöne Söhne zu zeugen hoffte. So ward die Ehe geschlossen und vollzogen. Als viele Söhne geboren und herangewachsen waren, sagte die Mutter zu ihnen folgendes: ›Kinder, seid nicht schüchtern; denn ihr seid die Söhne des Königs! Geht also an seinen Hof, und er selbst wird euch alles, was ihr benötigt, geben!‹ Als sie deshalb zum König kamen, staunte er über ihre Schönheit. Und als er sein Abbild in ihnen erkannte, sprach er zu ihnen: ›Wessen Söhne seid ihr?‹ Sie antworteten, sie seien die Söhne einer ärmlichen Frau, die sich in der Wüste aufhalte. Da umarmte sie der König mit großer Freude und sprach: ›Fürchtet euch nicht, denn ihr seid meine Söhne! Und wenn sich von meinem Tisch Fremdlinge ernähren, um wieviel mehr ihr, meine rechtmäßigen Söhne.‹ So gebot denn der König jener Frau, alle von ihm erzeugten Kinder an seinen Hof zu schicken, damit sie dort aufgezogen würden." Als dem seligen Franziskus dies im Gebet durch ein Gesicht gezeigt wurde, erkannte der heilige Mann, daß er mit dieser ärmlichen Frau gemeint sei.

51. 
Nach Beendigung des Gebetes stellte Franziskus sich dem Papst vor, teilte ihm der Reihe nach das Gleichnis mit, das ihm der Herr gezeigt hatte, und sagte dann: "Ich, Herr, bin jene ärmliche Frau, die der Herr in seiner Liebe durch seine Barmherzigkeit auszeichnete und aus der es ihm gefiel, rechtmäßige Söhne zu zeugen. Der König der Könige aber sagte zu mir, er werde alle Söhne, die er aus mir zeugen wird, ernähren; denn wenn er die Fremden ernährt, muß er auch die rechtmäßigen Söhne gut ernähren. Wenn nämlich Gott aus Liebe zu seinen Kindern, die er ernähren muß, den Sündern zeitliche Güter schenkt, so wird er noch vielmehr gegen die Männer des Evangeliums, denen das nach Verdienst gebührt, freigebig sein". Der Herr Papst staunte über alle Maßen, als er dies gehört hatte; am meisten deswegen, weil er vor der Ankunft des seligen Franziskus in einem Gesicht geschaut hatte, wie die Kirche des heiligen Johannes im Lateran einzustürzen drohte und wie ein Ordensmann, unansehnlich und verachtet, sie mit seinem eigenen Rücken stützte. Als er aufwachte, war er außer sich und erschrocken und überlegte als kluger und weiser Mann, was das Gesicht ihm sagen wollte. Nach einigen Tagen war aber der selige Franziskus zu ihm gekommen, hatte ihm, wie erzählt, sein Vorhaben mitgeteilt und um Bestätigung der Regel gebeten, die er mit einfachen Worten geschrieben hatte; er hatte sie in der Hauptsache den Worten des heiligen Evangeliums entnommen, nach dessen Vollkommenheit er überaus sehnlich verlangte. Als ihn der Herr Papst so eifrig im Dienste Gottes sah und sein Traumgesicht mit dem Gleichnis, das dem Mann Gottes gezeigt worden war, in Beziehung brachte, begann er bei sich zu sprechen: "Wahrhaftig, das ist jener heilige Ordensmann, durch den die Kirche Gottes aufgerichtet und gestützt wird".

52. 
Und so umarmte er ihn und bestätigte die Regel, die er geschrieben hatte. Er gab ihm und seinen Brüdern auch die Erlaubnis, überall Buße zu predigen, und zwar so, daß die, die willens waren zu predigen, vom seligen Franziskus die Erlaubnis erhalten sollten; und eben dies bestätigten sie [Papst und Kardinäle] sodann im Konsistorium. Nachdem dies Franziskus gewährt worden war, sagte er Gott Dank; auf den Knien versprach er dem Herrn Papst voll Demut und Hingabe Gehorsam und Ehrerbietung. Die anderen Brüder aber versprachen gemäß dem Geheiß des Herrn Papstes in gleicher Weise dem seligen Franziskus Gehorsam und Ehrerbietung. Als der selige Franziskus und die anderen Brüder den Segen des Papstes empfangen hatten, besuchten sie die Gräber der Apostel. Hierauf wurde ihnen die Tonsur verliehen, wie der erwähnte Kardinal Sorge getragen hatte, denn er wollte, daß alle zwölf Brüder Kleriker seien.

53. 
Der Mann Gottes zog, als er die Stadt Rom verließ, mit seinen Brüdern in die Welt. Er wunderte sich sehr, daß sein Wunsch so leicht in Erfüllung gegangen war. Und täglich wuchs in ihm die Hoffnung und das Vertrauen auf den Erlöser, der ihn durch seine heiligen Offenbarungen über das, was geschehen war, zuerst belehrt hatte. Als er nämlich in einer Nacht, bevor ihm das, wovon die Rede war, gewährt wurde, sich dem Schlaf hingab, schien es ihm, als ginge er auf einem Weg, an dem ein Baum von hohem Wuchs, schön, stark und stämmig stand. Als der Heilige sich ihm näherte und, unter ihm stehend, seine Höhe und Schönheit bestaunte, wuchs plötzlich er selbst zu gewaltiger Höhe empor, berührte einen Ast des Baumes und bog den Baum ganz mühelos zur Erde nieder. Und in der Tat, so ist es geschehen, als Herr Innozenz, der hochstrebende, schöne und starke Baum in der Welt, sich seiner Bitte und seinem Begehren überaus gütig zuneigte.


Kapitel XIII
Die Wirksamkeit seiner Predigt. Die erste Niederlassung, die er hatte; 
wie die Brüder sich dort aufhielten und wie sie von dort wegzogen

54. 
Hierauf durchzog der selige Franziskus Städte und Flecken und begann überall zu predigen , nicht in überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Lehre, Wahrheit und Kraft des Heiligen Geistes verkündete er freimütig das Reich Gottes . Er war ein Prediger der Wahrheit, ermächtigt durch apostolischen Auftrag , der keinerlei Schmeicheleien verwendete und schmeichlerisches Reden verachtete. Denn was er anderen mit Worten riet, das hatte er zuerst sich geraten durch die Tat, um die Wahrheit in aller Ehrlichkeit zu verkünden . Gebildete und gelehrte Leute staunten über die Kraft und Wahrheit seiner Worte, die ihn kein Mensch gelehrt hatte. Sehr viele eilten herbei, ihn zu sehen und zu hören, weil sie ihn für einen Menschen des anderen Zeitalters hielten . Daher begannen zahlreiche Menschen, adelige und solche von niederer Herkunft, Kleriker und Laien auf göttliche Eingebung hin den Spuren des seligen Franziskus zu folgen, nachdem sie sich der weltlichen Sorgen und des irdischen Prunkes entledigt hatten, und unter seiner Weisung zu leben .

55. 
Noch aber hielt sich der Vater mit seinen Söhnen an einem Ort nahe bei Assisi auf, der Rivotorto heißt . Dort war ein von Menschen verlassener Schuppen. Dieser Raum war so eng, daß sie dort kaum sitzen oder liegen konnten. Weil sie damals sehr oft auch kein Brot hatten, aßen sie nur Rüben, die sie da und dort in ihrer Not erbettelten. Der Mann Gottes schrieb die Namen der Brüder auf die Balken jenes Schuppens, damit jeder, wenn er ruhen oder beten wollte, seinen Platz kannte und nicht ungewohnter Lärm wegen der Enge und Raumnot die Stille des Geistes störte . Eines Tages aber, als sich die Brüder an dem erwähnten Ort aufhielten, geschah es, daß ein Bauer mit seinem Esel dorthinkam, weil er mit dem Esel in dem Schuppen Unterkunft beziehen wollte. Um daher von den Brüdern nicht zurückgewiesen zu werden, ging er mit dem Esel hinein und sagte zu seinem Esel: "Nur hinein, nur hinein, denn wir werden diesem Ort einen Gefallen erweisen!" Dies aber hörte der heilige Vater und begriff sofort Wort und Absicht des Bauern . Er war über ihn äußerst empört, weil er mit seinem Esel großen Lärm gemacht und alle Brüder, die eben dem Schweigen und dem Gebet sich hingaben, gestört hatte. Der Mann Gottes aber sprach zu den Brüdern: "Ich weiß, Brüder, daß Gott uns nicht berufen hat, um einem Esel Unterkunft zu bereiten und Besuch von Menschen zu empfangen, sondern daß wir den Menschen bei jeder Gelegenheit den Weg des Heiles predigen, heilsamen Rat erteilen, vor allem aber in Gebet und Danksagung verharren müssen". Sie überließen den genannten Schuppen armen Aussätzigen zur Benützung und begaben sich zur Kirche S. Maria von Portiunkula, neben der sie sich eine Zeitlang in einem Häuschen aufgehalten hatten, bevor sie die Kirche selbst bekamen.

56. 
Bald darauf erbat sich der selige Franziskus die Kirche vom Abt des Klosters S. Benedetto am Monte Subasio nahe bei Assisi nach Gottes Willen und Eingebung. Diese Kirche aber hat der Heilige in bemerkenswerter und äußerst liebevoller Weise dem Generalminister und allen Brüdern empfohlen als eine Stätte, vor allen Stätten und Kirchen dieser Welt der glorreichen Jungfrau teuer. Daß aber dieser Ort so empfohlen und geliebt wurde, dazu hat ein Gesicht viel beigetragen, das ein Bruder hatte, als er noch in der Welt lebte; ihn liebte der selige Franziskus mit besonderer Liebe und erwies ihm, solange er mit ihm zusammen gewesen ist, außerordentliche Vertraulichkeit. Als jener Bruder nämlich wünschte, Gott zu dienen, wie er nachher im Orden treu gedient hat, sah er in einem Gesicht, daß alle Menschen dieser Welt mit Blindheit geschlagen waren und im Umkreis von S. Maria von Portiunkula auf den Knien lagen. Mit gefalteten Händen, die sie zugleich mit ihrem Antlitz zum Himmel erhoben, beteten sie zum Herrn mit lauter klagender Stimme, er möge sich würdigen, alle barmherzig sehend zu machen. Während sie so beteten, schien es, als ginge ein mächtiger Lichtglanz vom Himmel aus, komme über sie alle herab, und machte sie mit rettendem Licht sehend. Als er erwachte, faßte er den festen Vorsatz, Gott zu dienen. Und nicht lange danach verließ er ganz und gar die nichtige Welt samt ihrem Prunk und trat in den Orden ein, wo er voll Demut und Hingabe im Dienste Gottes ausharrte.


Kapitel XIV
Das Kapitel, das zweimal im Jahr bei der Niederlassung 
S. Maria von Portiunkula gehalten wurde

57. 
Nachdem der selige Franziskus die genannte Stätte von S. Maria von dem erwähnten Abt erhalten hatte, ordnete er an, daß dort zweimal im Jahr ein Kapitel der Brüder gehalten werde, nämlich an Pfingsten und am Kirchweihfest des heiligen Michael . Zu Pfingsten kamen zum Kapitel alle Brüder bei S. Maria zusammen , besprachen, wie sie die Regel besser beobachten könnten und bestimmten für die verschiedenen Provinzen Brüder, die dem Volk predigen und andere Brüder in ihren Provinzen verteilen sollten. Der heilige Franziskus jedoch gab Ermahnungen , sprach Tadel aus und erließ Vorschriften, wie es ihm nach Gottes Rat gut schien . Alles, was er mittels Worten sagte, zeigte er ihnen in liebevollem Eifer durch Werke . Er verehrte die Prälaten und Priester der heiligen Kirche , und auch die Herrschaften, Adeligen und Reichen ehrte er. Auch den Armen erwies er innige Hochachtung und litt mit ihnen aus tiefstem Herzen ; allen gegenüber erwies er sich untertan . Und obwohl er alle anderen Brüder überragte, bestimmte er dennoch einen der Brüder, die um ihn waren, als seinen Guardian und Herrn; er gehorchte ihm in demütiger Ergebenheit, damit er jede Gelegenheit zum Hochmut von sich verscheuchen konnte. Er neigte nämlich inmitten aller Menschen sein Haupt bis zur Erde, so daß er würdig wurde, inmitten der Heiligen und Auserwählten Gottes einst bei der Anschauung Gottes erhöht zu werden. Voll Eifer ermahnte er die Brüder, das heilige Evangelium und die Regel, die sie versprochen hatten, fest zu beobachten. Auch sollten sie in bezug auf die gottesdienstlichen Verrichtungen und kirchlichen Anordnungen ehrfürchtig und folgsam sein, voll Hingabe die Messe hören und den Leib des Herrn mit höchster Hingebung anbeten. Die Priester aber, die die verehrungswürdigen und hochheiligen Sakramente verwalten, wollte er von den Brüdern in besonderer Weise geehrt wissen, ja, so sehr: wo immer sie Priester treffen, sollten sie das Haupt vor ihnen verneigen und ihnen die Hände küssen; und wenn sie dieselben zu Pferde antreffen würden, dann wollte er, daß sie nicht nur ihre Hände küßten, sondern auch die Hufe der Pferde, auf denen sie ritten, aus Ehrfurcht vor ihrer Vollmacht.

58. 
Franziskus forderte die Brüder auch auf, keinen Menschen zu verurteilen, noch jene zu verachten, die üppig leben und sich auffallend kleiden; denn unser Gott ist auch ihr Herr, mächtig, jene zu sich zu berufen und sie als Berufene zu rechtfertigen. Er sagte nämlich, er wolle, daß die Brüder diese Leute wie ihre Brüder und Herren hochachten.Sind sie doch Brüder, insofern sie von einem Schöpfer geschaffen sind; Herren werden sie genannt, insofern sie den Guten, denen sie das zum Leben Notwendige gewähren, helfen, Buße zu tun. Wenn er derartiges sagte, pflegte er auch hinzuzufügen: der Umgang der Brüder mit den Leuten soll so sein, daß jeder, der sie hört oder sieht, den himmlischen Vater preist und voll Hingabe lobt. Ferner lag es ihm sehr am Herzen, daß sowohl er wie seine Brüder stets solche Werke in Fülle vollbrächten, für die der Herr gelobt würde. Und er sagte zu ihnen: "Wie ihr mit dem Mund den Frieden verkündet, so, und noch mehr, sollt ihr ihn in eurem Herzen festhalten. Niemand soll durch euch zu Zorn oder Zank gereizt, vielmehr sollen alle durch eure Sanftmut zu Friede, Güte und Eintracht aufgefordert werden. Denn dazu seid ihr berufen, Verwundete zu heilen, Gebrochene zu verbinden und Verirrte zurückzurufen. Viele scheinen uns nämlich Glieder des Teufels zu sein, die noch Jünger Christi werden können."

59. 
Ferner tadelte der liebevolle Vater seine Brüder, die allzu streng gegen sich selbst waren und sich allzusehr den Nachtwachen, dem Fasten und den körperlichen Züchtigungen hingaben. Einige peinigten sich nämlich so hart, um alle ihre Anreize des Fleisches zu unterdrücken, daß ein jeder sich selbst zu hassen schien. Davon suchte der Mann Gottes sie abzuhalten, mahnte sie gütig, tadelte sie weise und heilte ihre Wunden durch das Band heilsamer Weisungen. Unter den Brüdern aber, die zum Kapitel kamen, wagte keiner über weltliche Dinge zu reden, sondern sie sprachen nur über das Leben der heiligen Väter und wie sie vollkommener und besser zur Gnade des Herrn Jesus Christus gelangen könnten. Wenn aber die Brüder, die zum Kapitel gekommen waren, eine Versuchung hatten oder in eine Anfechtung gerieten, so waren sie schon von den Versuchungen befreit und in ihren Nöten wunderbarerweise erleichtert, wenn sie nur den seligen Franziskus so liebevoll und feurig sprechen hörten und sein Leben in Buße sahen. Denn er sprach voll Mitleid zu ihnen, nicht wie ein Richter, sondern wie ein barmherziger Vater zu seinen Söhnen und wie ein guter Arzt zu den Kranken. Er verstand es, mit den Schwachen schwach und mit den Betrübten traurig zu sein. Gleichwohl tadelte er gebührend alle Schuldigen und wies mit gerechten Strafen die Verstockten und Widerspenstigen in die Schranken. Am Ende des Kapitels aber segnete er alle Brüder und teilte die einzelnen den verschiedenen Provinzen zu. Wer auch immer von ihnen den Geist Gottes und die Redefertigkeit zur Predigt besaß, Kleriker oder Laie, bekam von ihm die Erlaubnis zu predigen. Die Brüder aber empfingen seinen Segen und zogen mit großer Freude des Geistes wie Pilger und Fremdlinge durch die Welt und trugen nichts mit auf dem Weg außer die Bücher, um damit ihr Stundengebet verrichten zu können. Überall aber, wo sie einen Priester fanden, reich oder arm, gut oder schlecht, verneigten sie sich demütig und bezeugten ihm ihre Ehrfurcht. Wenn es Zeit war einzukehren, waren sie lieber bei Priestern als bei Weltleuten.

60. 
Wenn sie aber bei Priestern keine Unterkunft finden konnten, fragten sie lieber nach geistlichen und gottesfürchtigen Leuten, bei denen sie ohne Anstoß übernachten könnten, bis der Herr einige gottesfürchtige Leute in den einzelnen Städten und Dörfern, die die Brüder aufsuchen wollten, erleuchtete, ihnen Unterkunft zu bereiten, und bis schließlich für sie selbst in Städten und Dörfern Niederlassungen errichtet wurden. Der Herr aber gab ihnen im rechten Augenblick das Wort und den Geist, um überaus treffende Worte zu sprechen, die die Herzen von jung und alt durchdrangen. Viele verließen Vater und Mutter und alles, was sie hatten, folgten den Brüdern und nahmen das Kleid ihres Ordens. Wahrlich, damals wurde das Schwert der Entzweiung auf die Erde gesandt, als die jungen Leute in den Orden kamen und ihre Eltern im Schmutz der Sünden zurückließen. Die Brüder jedoch führten jene, die sie in den Orden aufnahmen, zum seligen Franziskus; von ihm empfingen sie in Demut und Hingabe das Ordenskleid. Aber nicht nur Männer wendeten sich so dem Orden zu; auch Frauen, Jungfrauen und Witwen, zerknirscht von der Predigt der Brüder, errichteten auf ihren Rat hin in Städten und Dörfern Klöster und schlossen sich ein, um Buße zu tun. Für sie wurde einer von den Brüdern aufgestellt, sie zu visitieren und in Zucht zu nehmen. Ebenso gaben sich sowohl verheiratete Männer als auch verheiratete Frauen, die sich vom Band der Ehe nicht trennen konnten, entsprechend dem heilsamen Rat der Brüder,in ihren eigenen Häusern einem strengeren Leben der Buße hin. Und so wird durch den seligen Franziskus, den vollkommenen Verehrer der heiligen Dreifaltigkeit, die Kirche Gottes in drei Orden erneuert; wie die vorhergegangene Wiederherstellung dreier Kirchen dies vorausdeutete, wurde jeder von diesen Orden zu seiner Zeit vom Papst bestätigt.


Kapitel XV
Der Tod des Herrn Johannes, des ersten Beschützers; 
die Erwählung des Herrn Hugolin von Ostia zum Vater und Beschützer des Ordens

61. 
Der ehrwürdige Vater aber, der genannte Herr Johannes, Kardinal von St. Paul, der dem seligen Franziskus öfter Rat und Schutz gewährte, empfahl das Leben und die Taten des Heiligen und seiner Brüder allen anderen Kardinälen. Da wurde ihre Seele von Rührung ergriffen, den Mann Gottes und seine Brüder zu lieben, und zwar so sehr, daß jeder von ihnen wünschte, Brüder an seinem Hof zu haben , nicht um sie für irgendeinen Dienst zu beanspruchen, sondern wegen der Heiligkeit der Brüder und wegen der Ehrfurcht, von der sie gegen die Brüder erfüllt waren. Als aber jener Herr Johannes von St. Paul gestorben war , erleuchtete der Herr einen anderen Kardinal namens Hugolin, damals Bischof von Ostia , den seligen Franziskus und seine Brüder innig zu lieben, zu beschützen und ihnen beizustehen . Er verhielt sich gegen sie in der Tat mit großer Herzlichkeit, als sei er der Vater aller, ja, noch viel mehr als die Liebe eines leiblichen Vaters sich von Natur aus seinen leiblichen Söhnen zuwendet, entbrannte seine Liebe in geistlicher Weise zum Manne Gottes und zu seinen Brüdern, um sie in Gott zu lieben und ihnen beizustehen. Als der Mann Gottes von seinem rühmenswerten Ruf hörte - er war sehr berühmt unter den übrigen Kardinälen -, ging er mit seinen Brüdern zu ihm. Jener aber nahm sie mit Freude auf und sagte zu ihnen: "Ich biete mich euch persönlich an; Hilfe, Rat und Schutz bin ich bereit, euch zu gewähren, wie es euch gefällt. Und ich wünsche nur, daß ihr um Gottes willen meiner in euren Gebeten gedenkt." Hierauf dankte der selige Franziskus Gott und sagte zum Herrn Kardinal: "Gerne, Herr, will ich euch zum Vater und Beschützer unseres Ordens haben; und ich will, daß alle Brüder in ihren Gebeten immer euer gedenken." Sodann bat der selige Franziskus ihn, er möge zu Pfingsten zum Kapitel der Brüder kommen. Er sagte sofort gütig zu und nahm von da an jedes Jahr am Kapitel teil . Wenn er zum Kapitel eintraf, gingen ihm alle Brüder, die zum Kapitel versammelt waren, in Prozession entgegen. Jener aber stieg, sobald die Brüder kamen, vom Pferd und ging zu Fuß mit ihnen bis zur Kirche der heiligen Maria . Hierauf hielt er ihnen eine Predigt und feierte die Messe, in der der Mann Gottes Franziskus das Evangelium sang .


Kapitel XVI
Die Wahl der ersten Minister; wie sie in die Welt geschickt wurden

62. 
Nachdem elf Jahre seit Beginn des Ordens vergangen waren und Zahl und Verdienst der Brüder sich gemehrt hatten, wurden Minister ausgewählt und mit einigen Brüdern in fast alle Provinzen der Welt geschickt , in denen der katholische Glaube bekannt und festgehalten wird. In einigen Provinzen wurden sie aufgenommen, doch erlaubte man ihnen nicht, Niederlassungen zu errichten. Aus etlichen Provinzen aber wurden sie vertrieben, weil sie vielleicht keine Rechtgläubigen seien. Zwar hatte der genannte Herr Innozenz III. ihren Orden und ihre Regel gutgeheißen, doch nicht mit eigenem Schreiben bestätigt . Und deswegen haben die Brüder von Klerikern und Laien sehr viel Not erlitten; die Brüder waren deshalb gezwungen, aus verschiedenen Provinzen zu fliehen. Auf diese Weise bedrängt und entmutigt und auch von Räubern ausgeplündert und geschlagen, kehrten sie in großer Enttäuschung zum seligen Franziskus zurück. So erging es ihnen in fast allen Gebieten jenseits der Alpen, in Deutschland, Ungarn und in sehr vielen anderen . Als dies aber dem erwähnten Herrn Kardinal berichtet wurde, rief er den seligen Franziskus zu sich und führte ihn zum Herrn Papst Honorius , da Herr Innozenz inzwischen gestorben war . Er ließ eine andere Regel, die vom seligen Franziskus unter Christi Eingebung verfaßt worden war, eben von jenem Herrn Honorius mit einer vorangehenden Bulle feierlich bestätigen . In dieser Regel wurde aber der zeitliche Abstand zwischen den Kapiteln verlängert, um jenen Brüdern, die sich in weit entfernten Gegenden aufhielten, Strapazen zu ersparen .

63. 
Der selige Franziskus hat sich nun aber vom Herrn Papst Honorius einen von den Kardinälen der Römischen Kirche gleichsam als Vater für seinen Orden erbeten - nämlich den erwähnten Herrn von Ostia-, zu dem die Brüder Zuflucht nehmen könnten in ihren Angelegenheiten. Der selige Franziskus hatte aber ein Traumgesicht gehabt, das ihn dazu veranlaßt haben mag, einen Kardinal zu erbitten und den Orden der Römischen Kirche zu empfehlen. Er hatte nämlich eine kleine schwarze Henne gesehen, deren Beine von oben bis unten mit Federn besetzt waren wie bei einer Haustaube. Die Henne hatte aber so viele Küchlein, daß es ihr nicht möglich war, sie unter ihre eigenen Flügel zu versammeln; sie liefen deshalb rings um die Henne herum und blieben draußen. Vom Schlaf erwacht, begann Franziskus über dieses Gesicht nachzudenken und erkannte alsbald durch den Heiligen Geist, daß mit jener Henne er selbst gemeint sei. Und er sagte: "Ich bin jene Henne, klein von Gestalt und schwarz; einfältig muß ich sein wie die Taube und durch die Liebe, die Triebfeder der Tugenden, zum Himmel eilen. Der Herr aber gab mir durch seine Barmherzigkeit viele Söhne und wird sie mir weiter geben, die ich aus eigener Kraft nicht imstande bin zu beschützen. Darum ist es notwendig, daß ich sie der heiligen Kirche empfehle, die sie unter dem Schatten ihrer Flügel schützen und leiten möge".

64. 
Einige Jahre nach jenem Traumgesicht kam der heilige Franziskus nach Rom und besuchte den Herrn von Ostia, der ihm auferlegte, mit ihm am Morgen des nächsten Tages zur Kurie zu gehen. Er wollte nämlich, daß Franziskus vor dem Herrn Papst und den Kardinälen predige und ihnen seinen Orden mit Ehrerbietung und aus tiefstem Herzen empfehle. Obwohl der selige Franziskus sich zunächst aber weigerte, indem er sagte, er sei ein einfältiger, ungebildeter Mann, mußte er dennoch mit dem Kardinal zur Kurie gehen. Als der selige Franziskus vor dem Herrn Papst und den Kardinälen erschienen war, zeigten sie sich hocherfreut. Er erhob sich und predigte ihnen, wie allein die Salbung des Heiligen Geistes es ihm vorher eingegeben hatte. Nach der Predigt empfahl er seinen Orden dem Herrn Papst und allen Kardinälen. Der Herr Papst und die Herren Kardinäle waren aber von der Predigt aufs höchste erbaut, und ihr Herz wurde zu noch innigerer Liebe zum Orden bewegt.

65. 
Hierauf sprach der selige Franziskus zum Papst: "Herr, ich habe Mitleid mit euch wegen der ständigen Sorge und Mühe, mit der ihr für die Kirche Gottes wachen müßt; und ich empfinde auch tiefe Scham, weil ihr wegen uns Minderen Brüdern solchen Kummer und so große Sorgen habt. Viele Adelige nämlich, Reiche und zahlreiche Ordensleute können bei euch nicht vorgelassen werden; wir aber sind viel ärmer und verachteter als die übrigen Ordensleute. Darum muß große Furcht und Beschämung uns erfüllen, nicht nur bei euch einzutreten, sondern auch schon, wenn wir vor eurer Türe stehen und am machtvollen Zelt der Christenheit anzuklopfen wagen. Deswegen bitte ich eure Heiligkeit in Demut und Ergebenheit flehentlich, uns gnädig diesen Herrn von Ostia zum Vater zu geben, damit die Brüder bei ihm zur Zeit der Not Zuflucht nehmen können, doch stets unbeschadet der Würde eurer Vorrangstellung." Diese Bitte gefiel dem Herrn Papst, und er gab dem seligen Franziskus den vorher genannten Herrn von Ostia und bestellte ihn als den Würdigsten zum Protektor über seinen Orden.

66. 
Nachdem er vom Herrn Papst den Auftrag erhalten hatte, breitete er in der Tat wie ein guter "Beschützer" seine Hand zur Verteidigung der Brüder aus. Er schickte vielen Prälaten, die den Brüdern Verfolgungen bereitet hatten, einen Brief, damit sie ihnen ferner nicht feindlich gesinnt seien, sondern ihnen vielmehr in ihren Provinzen Rat und Hilfe für das Predigen und Wohnen gewährten als guten und heiligen Ordensmännern, die durch die Autorität des Apostolischen Stuhles anerkannt sind. Zum nämlichen Zweck übersandten auch mehrere Kardinäle ihre Briefe in gleicher Weise. Auf dem nächsten Kapitel erteilte deshalb der selige Franziskus den Ministern die Erlaubnis, Brüder in den Orden aufzunehmen, und schickte sie in die genannten Provinzen. Sie trugen die Briefe der Kardinäle mit sich samt der durch apostolische Bulle bestätigten Regel. Als die vorher erwähnten Prälaten dies alles sahen und die den Brüdern ausgestellten Zeugnisse lasen, erlaubten sie ihnen gütig, in ihren Provinzen zu bauen, zu wohnen und zu predigen. Als daher die Brüder in jenen Provinzen sich aufhielten und predigten, sahen viele Leute ihr demütiges und heiliges Ordensleben und hörten ihre überaus liebenswürdigen Worte, die ihre Herzen zur Liebe Gottes und zu einem Leben in Buße drängten und aufriefen. Sie gingen zu den Brüdern und nahmen begeistert und demütig das Kleid des heiligen Ordens.

67. 
Als aber der selige Franziskus die treue Liebe sah, die der genannte Herr von Ostia den Brüdern entgegenbrachte, liebte er ihn innig aus tiefstem Herzen. Und weil Franziskus durch vorausgegangene Erleuchtung Gottes wußte, daß jener der künftige Papst sei, verkündete er ihm dies stets im voraus in den Briefen, die er an ihn schrieb, indem er ihn "Vater der ganzen Welt" nannte. Er schrieb ihm nämlich auf folgende Art und Weise: "Dem in Christus verehrungswürdigen Vater der ganzen Welt..." Nach nicht langer Zeit starb Herr Papst Honorius III., und es wurde eben der Herr von Ostia zum Papst gewählt; er nannte sich Gregor IX.. Bis zu seinem Lebensende blieb er ein hervorragender Wohltäter und Verteidiger sowohl der Brüder als auch der anderen Ordensleute, am meisten aber der Armen Christi. Daher glaubt man, daß er nicht unverdienterweise in die Gemeinschaft der Heiligen aufgenommen worden ist.

Kapitel XVII
Das heilige Sterben des seligen Franziskus; 
wie er zwei Jahre vorher die Wundmale unseres 
Herrn Jesus Christus empfangen hatte

68. 
Der apostolische Mann Franziskus ging im Jahre 1226 nach der Geburt des Herrn, am 4. Oktober, einem Sonntag, glückselig zu Christus . Seitdem waren zwanzig Jahre vergangen, da er Christus aufs vollkommenste anhing und dem Leben und den Spuren der Apostel folgte . Nach vielen Mühen wurde ihm die ewige Ruhe zuteil, und würdig erschien er vor dem Angesicht seines Herrn. Einer seiner Gefährten aber, berühmt wegen seiner Heiligkeit, sah seine Seele wie ein Gestirn von Mondesgröße und Sonnenglanz über vielen Wassern schweben, und, von einem lichten Wölkchen getragen, geradewegs in den Himmel aufsteigen . Viel hatte er sich nämlich abgemüht im Weinberg des Herrn; voll Sorgfalt und Eifer war er in Gebeten, Fasten, Nachtwachen, Predigten und gnadenreichen Reisen, in Besorgtheit und Mitleiden für seine Nächsten und in Selbstverleugnung; von Anfang seiner Bekehrung an bis zu seinem Heimgang zu Christus, den er von ganzem Herzen geliebt hatte, trug er unaufhörlich dessen Gedächtnis in seinem Herzen , lobte ihn mit seinem Mund und verherrlichte ihn in fruchtbaren Werken. So überaus innig und herzlich liebte er Gott, daß er schon beim Hören seines Namens innerlich zerschmolz und nach außen in die Worte ausbrach: "Himmel und Erde müßten sich beim Namen des Herrn beugen!"

69. 
Die Glut seiner Liebe und das ständige Gedenken an Christi Leiden, das er im Herzen trug, wollte der Herr selbst der ganzen Welt offenkundig machen und ehrte ihn wunderbar mit einem einzigartigen Privileg, mit einem bewundernswerten Vorzug, als er noch im Fleische lebte. Eines Morgens - es war zwei Jahre vor seinem Hinscheiden - betete er um das Fest der Erhöhung des heiligen Kreuzes am Hang des Berges, der Alverna heißt . Während er nun durch die seraphische Glut seiner Sehnsucht zu Gott emporgetragen wurde und er ihn durch die Süßigkeit des Mitleidens in jenen umgestaltete, der aus übergroßer Liebe gekreuzigt werden wollte, erschien ihm ein Seraph . Dieser hatte sechs Flügel und zwischen den Flügeln besaß er die Gestalt eines überaus schönen gekreuzigten Mannes. Hände und Füße hielt er ausgespannt nach Art eines Kreuzes und zeigte ganz deutlich die Züge des Herrn Jesus. Mit zwei Flügeln verhüllte er sein Haupt, mit zwei den übrigen Leib bis zu den Füßen, zwei aber waren zum Flug ausgespannt. Als die Erscheinung aber verschwand, blieb in seiner Seele eine wunderbare Glut der Liebe zurück. Noch wunderbarer war es indessen, daß die Wundmale unseres Herrn Jesus Christus in seinem Fleisch eingeprägt erschienen. Der Mann Gottes verbarg sie, so gut er konnte, bis zu seinem Hinscheiden. Er wollte das Geheimnis seines Herrn nicht preisgeben , obschon er es nicht so völlig verbergen konnte, daß es wenigstens seinen vertrauten Gefährten bekannt wurdeI.

70. 
Nach seinem glückseligen Heimgang aber sahen alle Brüder, die zugegen waren, und eine sehr große Zahl von Weltleuten ganz handgreiflich, daß sein Leib mit den Wundmalen Christi verherrlicht war. Man sah nämlich an seinen Händen und Füßen nicht bloß die Male der Nägel, sondern die Nägel selber, aus seinem Fleisch gebildet und in das Fleisch hineingewachsen; sie zeigten auch die Schwärze des Eisens. Die rechte Seite, wie von einer Lanze durchstochen, war mit der roten Narbe einer ganz echten und ganz deutlichen Wunde bedeckt, die auch das heilige Blut, solange er lebte, öfters austreten ließ. Die unanfechtbare Wirklichkeit dieser Wundmale zeigte sich nicht nur während seines Lebens und im Tod ganz offenkundig zum Sehen und Berühren, sondern wurde sogar nach seinem Tod durch verschiedene Wunder in mehreren Teilen der Welt bekannt; der Herr tat ihre Echtheit sehr deutlich kund. Auch wurden die Herzen vieler, die über den Mann Gottes nicht richtig geurteilt und an seinen Wundmalen gezweifelt hatten, durch dieses Wunder zu einem so tiefen Glauben bekehrt, daß diejenigen, die ihn früher verleumdet hatten, durch die Güte Gottes und unter dem Zwang der Wahrheit ihn am treuesten lobten und rühmten.


Kapitel XVIII
Seine Heiligsprechung

71. 
Als Franziskus schon in verschiedenen Teilen der Welt in einem neuen Glanz von Wundern strahlte, kamen zu seinem ehrwürdigen Leib Leute von allen Seiten herbei , die größte und einzigartige Wohltaten des Herrn durch seine Verdienste erfahren hatten. Deshalb nahm ihn der genannte Herr Papst Gregor auf den Rat der Kardinäle und sehr vieler anderer Prälaten hin, nachdem er die Wunder, die der Herr durch ihn gewirkt, gelesen und bestätigt hatte, in das Verzeichnis der Heiligen auf und ordnete an, daß sein Fest am Tag seines Todes feierlich begangen werde. Dies aber geschah in der Stadt Assisi in Gegenwart vieler Prälaten, einer überaus großen Schar weltlicher Fürsten und Adeliger und ungezählter Leute aus den verschiedenen Teilen der Welt. Der Papst selbst hatte sie zu dieser Feierlichkeit zusammenrufen lassen im Jahre des Herrn 1228, im zweiten Jahr des Pontifikates des Herrn Papstes .

72. 
Desgleichen ehrte der Papst persönlich den genannten Heiligen, den er zu Lebzeiten aufs innigste geliebt hatte, nicht nur so bewundernswert durch die Heiligsprechung, sondern ließ ihm zu Ehren auch eine Kirche bauen, deren Grundsteinlegung der Herr Papst selbst vornahm und beschenkte die Kirche mit heiligen Weihegaben und prächtigem Schmuck. Dorthin wurde zwei Jahre nach der Heiligsprechung der hochheilige Leib des seligen Franziskus von dem Ort, wo er vorher bestattet worden war, feierlich in diese Kirche überführt . Der Papst schickte für die Kirche ein goldenes, mit kostbaren Steinen besetztes Kreuz, in das ein Holzstück des Kreuzes des Herrn eingelassen war, ferner Schmuck und Geräte und vieles andere für den Dienst am Altar, dazu noch zahlreiche kostbare und festliche Gewänder . Diese Kirche aber befreite er von jeder untergeordneten Jurisdiktion und bestellte sie kraft apostolischer Vollmacht zur Haupt- und Mutterkirche des ganzen Ordens der Minderen Brüder. So ist es aus dem amtlichen bullierten Ausnahmegesetz zu ersehen, das die Kardinäle gemeinsam unterschrieben haben .

73. 
Es wäre aber zu wenig, den Heiligen Gottes nur mit toten Dingen zu ehren; vielmehr sollte durch ihn, der dem Leibe nach tot ist, dem Geiste nach aber in der Herrlichkeit lebt, der Herr möglichst viele bekehren und heilen: nicht nur Personen beiderlei Geschlechts aus niederem Stand bekehrten sich nach seinem Tod durch seine Verdienste zum Herrn, sondern auch viele Hochstehende und Adelige nahmen mit ihren Söhnen das Kleid seines Ordens, während ihre eigenen Frauen und Töchter sich in Klöster der Armen Frauen mit strenger Klausur zurückzogen . Ebenso setzten viele weise und hochgelehrte Männer, sowohl Laien als auch Kleriker mit Pfründen, die Lockungen des Fleisches hintan und legten Sündhaftigkeit und weltliche Begierden gründlich ab und traten in den genannten Orden der Minderen Brüder ein. Sie richteten sich in allem nach der Armut und den Spuren Christi und seines Dieners, des heiligen Franziskus, nach dem Maß der Gnade des Herrn, um zur himmlischen Herrlichkeit zu gelangen. Amen.

 

 

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