Erste Lebensbeschreibung

Thomas von Celano

Vorwort

I. Buch

Zum lob und ruhm des Allmächtigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Kapitel I

Sein weltlicher Wandel und Sinn

Kapitel II

Wie Gott sein Herz heimsuchte durch leibliche Krankheit und nächtliches Gesicht

Kapitel III

Wie er innerlich, aber noch nicht äußerlich umgewandelt, von einem gefundenen Schatz und einer Braut im Gleichnis redete

Kapitel IV

Wie er alles verkaufte und den Erlös verachtete

Kapitel V

Wie ihn sein Vater verfolgte und fesselte

Kapitel VI

Wie seine Mutter ihn befreite und wie er sich vor dem Bischof von Assisi entkleidete

Kapitel VII

Wie er von den Räubern ergriffen und in den Schnee geworfen wurde und wie er den Aussätzigen diente

Kapitel VIII

Wie er die Kirche S. Damiano aufbaute; der Wandel der Frauen, die dort wohnen

Kapitel IX

Wie er nach Änderung seiner Tracht die Kirche von S. Maria von Portiunkula wiederherstellte und wie er dann das Evangelium hörte und darauf alles verließ, zu dem Habit kam, den die Brüder jetzt tragen, und ihn verfertigte

Kapitel X

Die Predigt des Evangeliums, die Verkündigung des Friedens und die Bekehrung der sechs ersten Brüder

Kapitel XI

Der prophetische Geist und die Mahnungen des heiligen Franziskus

Kapitel XII

Wie er die Brüder zu zweien durch die Welt schickte, und sie in kurzer Zeit wieder zusammenkamen

Kapitel XIII

Wie er zum erstenmal eine Regel schrieb, als er elf Brüder hatte, und wie der Herr Papst Innozenz sie bestätigte; und das Gesicht von dem Baume

Kapitel XIV

Seine Rückkehr aus der Stadt Rom ins Spoletotal und sein Verweilen auf dem Wege

Kapitel XV

Der Ruf des seligen Franziskus und die Bekehrung vieler zu Gott; wie der Orden "Minderbrüder" genannt wurde, und wie der selige Franziskus die in den Orden Eintretenden heranbildete

Kapitel XVI

Sein Aufenthalt bei Rivotorto und die Hut der Armut

Kapitel XVII

Wie der selige Franziskus seine Brüder beten lehrte; Gehorsam und Reinheit der Brüder

Kapitel XVIII

Der feurige Wagen und die Kenntnis, die der selige Franziskus von den abwesenden Brüdern hatte

Kapitel XIX

Die Obsorge, mit der er über die Brüder wachte, seine Selbstverachtung und wahre Demut

Kapitel XX

Die Sehnsucht, die ihn zum Martyrium trieb, die ihn zuerst nach Spanien, hierauf nach Syrien ziehen ließ. Wie Gott durch ihn Schiffsleute durch Vermehrung der Nahrungsmittel aus der Gefahr befreite

Kapitel XXI

Die Vogelpredigt und der Gehorsam der Geschöpfe

Kapitel XXII

Seine Predigt bei Ascoli, und wie durch Gegenstände, die er mit der Hand berührt hatte, sogar in seiner Abwesenheit Kranke gesund gemacht wurden

Kapitel XXIII

Wie er in Toscanella einen Lahmen und in Narni einen Gichtbrüchigen heilte

Kapitel XXIV

Wie er einer blinden Frau das Augenlicht wiedergab und in Gubbio eine andere, die gelähmt war, heilte

Kapitel XXV

Wie er einen Bruder von der Fallsucht oder von einem Dämon befreite, und wie er in S. Gemini eine Besessene befreite

Kapitel XXVI

Wie der Heilige auch in Città di Castello einen Dämon austrieb

Kapitel XXVII

Die Klarheit und Beständigkeit seines Geistes und seine Predigt vor dem Herrn Papst Honorius. Wie der Heilige sich und seine Brüder dem Herrn Hugo, dem Bischof von Ostia, anvertraute

Kapitel XXVIII

Der Geist der Liebe und sein herzliches Mitleid gegen die Armen, und was er mit dem Schaf und dem Lämmlein tat

Kapitel XXIX

Die Liebe, die er um des Schöpfers willen zu allen Geschöpfen trug, und die Beschreibung seines inneren und äußeren Menschen

Kapitel XXX

Die Krippenfeier, die er am Geburtstag des Herrn hielt

II. Buch

Kapitel I

[Inhalt dieses Buches: Die Zeit vor dem seligen Hinscheiden des heiligen Franziskus und seine fortschreitende Vollendung]

Kapitel II

Das höchste Verlangen des seligen Franziskus. Wie er beim Öffnen der Heiligen Schrift die Absicht des Herrn mit ihm erkannte

Kapitel III

Schau des Mannes, der die Gestalt eines gekreuzigten Seraphs hatte

Kapitel IV

Der Feuereifer des seligen Franziskus und sein Augenleiden

Kapitel V

Wie er in der Stadt Rieti vom Herrn Hugo, dem Bischof von Ostia, aufgenommen wurde, und wie der Heilige ihm prophezeite, er werde noch Bischof der ganzen Welt werden

Kapitel VI

Die Tugenden der Brüder, die dem heiligen Franziskus dienten, und wie er selbst ihr Verhalten bestimmte

Kapitel VII

Wie er von Siena nach Assisi kam; die Kirche S. Maria von Portiunkula; die Segnung der Brüder

Kapitel VIII

Was er tat und sagte bei seinem glückseligen Hinscheiden

Kapitel IX

Die Klage der Brüder und ihre Freude, als sie an ihm die Zeichen des Kreuzes sahen. Die Flügel des Seraphs

Kapitel X

Die Klage der Frauen bei S. Damiano, und wie er mit Ruhm und Ehre bestattet wurde

III. Buch

Die Heiligsprechung unseres seligen Vaters Franziskus und seine Wunder

Wunder des Heiligen Franziskus

I.

Heilung von GelähmtenI. Heilung von Gelähmten

II.

Blinde erhalten das Augenlicht wieder

III.

Besessene

IV.

Todkranke erlangen Genesung; Heilung von Wassersuchtigen, Gichtkranken, Gichtleidenden und anderen mit verschiedenen Krankheiten Behafteten

V.

Heilung von Aussätzigen

VI.

Stumme reden, Taube hören


Vorwort


IM NAMEN DES HERRN. AMEN

Es beginnt das Vorwort zum Leben des seligen Franziskus

 

1. 
Die Taten und das Leben unseres seligen Vaters Franziskus will ich in frommer Verehrung, immer unter Führung und Leitung der Wahrheit, der Reihe nach erzählen. Weil aber niemand alles, was er getan und gelehrt hat, voll und ganz im Gedächtnis behält, habe ich versucht, wenigstens das, was ich aus seinem eigenen Munde gehört, oder von glaubwürdigen und zuverlässigen Zeugen erfahren habe, im Auftrag des glorreich regierenden Herrn Papstes Gregor , so gut wie möglich, wenn auch mit ungewandten Worten iederzugeben. Möchte ich mich hierin als Schüler dessen erweisen, der stets dunkle Reden mied und Wortgepränge nicht kannte!

2. 
In drei Bücher habe ich alles, was ich über diesen seligen Mann sammeln konnte, eingeteilt und das Ganze wieder in einzelne Kapitel unterschieden, damit nicht die Mannigfaltigkeit der Begebenheiten die Ordnung stören und an der Wahrheit Zweifel erregen möchte. - So behält nun das erste Buch die geschichtliche Reihenfolge bei und ist hauptsächlich der Reinheit seines gottseligen Wandels und Lebens, seinem heiligen Tugendstreben und heilsamen Lehren gewidmet. Auch sind von den vielen Wundern einige eingestreut, die, als er selbst noch im Fleische lebte , der Herr, unser Gott, durch ihn zu wirken sich würdigte .

- Das zweite Buch erzählt, was er vom vorletzten Jahr seines Lebens bis zu seinem seligen Hinscheiden getan hat . - Das dritte Buch enthält viele Wunder und verschweigt noch mehr, die der glorreiche Heilige, mit Christus im Himmel herrschend , auf Erden gewirkt. Es berichtet auch von der Huldigung und Verehrung, von Lob und Ruhm, die ihm der glorreich regierende Papst Gregor mit allen Kardinälen der heiligen Römischen Kirche ehrerbietigst erwiesen, indem sie ihn in das Verzeichnis der Heiligen aufnahmen . - Dank dem allmächtigen Gott, der sich immerdar in seinen Heiligen wunderbar und liebenswürdig erzeigt!

Schluß des Vorwortes


I. Buch

ZUM LOB UND RUHM DES ALLMÄCHTIGEN GOTTES, DES VATERS 
UND DES SOHNES UND DES HEILIGEN GEISTES AMEN

Es beginnt das Leben unseres hochseligen Vaters Franziskus

Kapitel I
Sein weltlicher Wandel und Sinn



1. 
Es war ein Mann in Assisi, einer Stadt im Gebiet des Spoletotales , mit Namen Franziskus, der, von früher Jugend an von seinen Eltern nach den eitlen Grundsätzen der Welt hoffärtig erzogen, ihr erbärmliches Leben und Gebaren lange Zeit nachahmte und dadurch selbst nur noch eitler und hoffärtiger wurde. -Denn diese schlimme Gewohnheit ist bei denen, die den Namen Christen tragen, überall so eingewurzelt und diese verderbliche Lehre wie durch öffentliches Gesetz allerorts seit langem so unumstößlich in Geltung, daß man schon von der Wiege an die Kinder allzu nachlässig und leichtsinnig zu erziehen bestrebt ist. Denn wenn sie zu lallen oder zu stammeln anfangen, ist das allererste, daß man sie Schändliches oder gar Fluchwürdiges in Zeichen und Worten lehrt, lange bevor sie ins Knabenalter eintreten; und wenn dann die Zeit der Entwöhnung gekommen ist, zwingt man sie, liederliche und freche Dinge nicht nur zu reden, sondern auch zu tun. Niemand von ihnen wagt aus Furcht vor den Alten, sich anständig zu benehmen, weil er sonst harten Strafen verfällt. Daher sagt der heidnische Dichter mit Recht: "Weil wir herangewachsen unter der Eltern Zucht, folgt uns von Kindheit auf alles Unheil nach." Dies Zeugnis ist wahr, da die Wünsche der Eltern den Kindern um so verderblicher sind, je glücklicher sie sich verwirklichen. Wenn sie aber dann ein wenig älter geworden sind, so stürzen sie sich aus eigenem Antrieb in immer schlimmere Werke. Denn aus verdorbener Wurzel wächst nur ein schlechter Baum , und was einmal gänzlich verdorben ist, kann kaum mehr auf den rechten Weg zurückgebracht werden. Wenn sie nun vollends in das Jünglingsalter eintreten, was wird dann wohl aus ihnen werden? Dann fürwahr lassen sie jeder Art von Zügellosigkeit freien Lauf, und weil sie alles tun dürfen, was ihnen beliebt, frönen sie mit allem Eifer den Lastern. So durch freiwillige Sklaverei zu Sklaven der Sünde geworden , geben sie alle ihre Glieder der Ungerechtigkeit als Werkzeuge preis und, da sie nichts vom christlichen Geist an sich haben, weder im Lebenswandel noch im Charakter, führen sie einzig und allein den Namen Christen. Es stellen sich aber die Elenden meistens, als hätten sie Schlimmeres getan, als sie wirklich getan, damit sie nicht um so verächtlicher erscheinen, je harmloser sie eigentlich sind .

2. 
Das ist die unglückliche Vorschule, in der jener Mann, den wir heute als Heiligen verehren - er ist ja wirklich ein Heiliger -, von Jugend an lebte und fast bis zu seinem 25. Lebensjahr seine Zeit kläglich vergeudete und vertändelte. Ja, mehr als alle seine Altersgenossen machte er üble Fortschritte in nichtigem Treiben und war ein gar übereifriger Anstifter zu bösen Streichen und Eiferer für die Torheit. Alle bewunderten ihn, und allen strebte er zuvorzukommen in Prunk und eitler Ruhmgier, in Scherzen, Späßen und Schnurren, in Wortgetändel und Liedern, in weichlichen und wallenden Kleidern, weil er sehr reich war; doch nicht geizig, sondern verschwenderisch, kein Anhäufer von Geld, sondern ein Verschleuderer des Reichtums, ein umsichtiger Kaufmann, aber ein leichtfertiger Verteiler; dabei war er jedoch ein sehr freundlicher, gewandter und leutseliger Mensch, wenn auch zu seinem Schaden; denn viele liefen ihm gerade deswegen nach, die Beifallklatscher bei bösen Streichen und Anstifter von Verbrechen. So schritt er einher, umringt von einem Schwarm von Bösewichten, stolz und hochfahrend, nahm seinen Weg mitten durch die Straßen Babylons , bis der Herr vom Himmel niederschaute und um seines Namens willen seinen Zorn von ihm abwandte und ihm den Zaum des Gotteslobes in seinen Mund legte, damit er nicht ganz zugrunde gehe . So kam denn über ihn des Herren Hand und eine Wandlung kraft des Allerhöchsten, auf daß durch ihn die Sünder Vertrauen fassen möchten, wieder nach Gnade zu seufzen, und er allen zum Vorbild würde in der Bekehrung zu Gott .



Kapitel II
Wie Gott sein Herz heimsuchte durch leibliche Krankheit 
und nächtliches Gesicht


3. 
Während dieser Mann noch mit jugendlichem Feuer sich in Sünden erhitzte und das gefährliche Alter ihm ungewöhnlich zusetzte, seine jugendlichen Triebe auszuleben und er sie, vom Gift der alten Schlange gereizt, nicht zu bändigen wußte , kam plötzlich Gottes Rache oder vielmehr Gottes Gnade über ihn und ergriff zuerst seinen Sinn, um ihn aus der Irre zurückzurufen, indem sie über seine Seele Angst und über seinen Leib Beschwernis brachte, gemäß dem Prophetenwort : "Siehe, ich will deinen Weg mit Dornen umzäunen und ihn mit einer Mauer umgeben." So wurde er lange Zeit von Krankheit zermürbt , wie es die Hartnäckigkeit der Menschen verdient, die kaum durch etwas anderes als durch Strafen gebessert wird. So fing er an, anders als bisher bei sich zu denken. Als er nun schon ein wenig genesen war und zur Wiedererlangung seiner Gesundheit, auf einen Stock gestützt, die ersten Gehversuche durch das Haus bald dahin und dorthin machte, ging er eines Tages ins Freie und betrachtete forschend die umliegende Landschaft. Aber die Schönheit der Flur und der Liebreiz der Weinberge und was es sonst noch zum Sehen Schönes gibt, - an nichts konnte er sich freuen. Er mußte deshalb nur staunen über die plötzliche Wandlung, die in ihm vorgegangen, und die Liebhaber der alten eitlen Freuden für große Toren halten.

4. 
Und so begann er von diesem Tage an, sein eigenes Nichts zu fühlen und die Dinge, die früher sein Entzücken und seine Liebe gefunden, gewissermaßen zu verachten, doch nicht vollständig und wahrhaftig, weil er noch nicht frei war von den Banden des Truges und das Joch der verkehrten Knechtschaft von seinem Nacken noch nicht abgeschüttelt hatte. Denn es ist sehr schwer, alte Gewohnheiten aufzugeben, und nicht leicht, das, was der Seele einmal anhaftet, auszureißen. Es kehrt die Seele, auch nach langer Trennung, ins alte Geleise zurück, und durch das Beharren im Bösen wird das Laster meistens zur zweiten Natur. - Franziskus versucht deshalb immer noch, der Hand Gottes zu entfliehen, und vergißt bald wieder die väterliche Zurechtweisung. Das Glück lächelt ihm wieder, und er sinnt auf das, was der Welt ist , verkennt den Ratschluß Gottes und verspricht sich auch jetzt noch das Höchste von Ruhm und Eitelkeit der Welt. Ein Edelmann aus der Stadt Assisi nämlich schafft sich in nicht geringem Maße Kriegsgerät an und hat sich, von eitler Ruhmsucht aufgebläht, verpflichtet, nach Apulien zu ziehen, um Zuwachs an Reichtum und Ehre zu gewinnen. Wie Franziskus davon hört, bietet er sich jenem an, mitzuziehen, leichtsinnig und wagemutig wie er war, jenem zwar nicht gleich an Adel der Geburt, ihm aber überlegen an Hochherzigkeit, zwar ärmer an Reichtümern, aber um so verschwenderischer im Austeilen .

5.
In einer Nacht jedoch, als er ganz in Gedanken über die Ausführung dieses Planes versunken war und brennend vor Begier danach verlangte, den Kriegszug mitzumachen, suchte ihn jener, der ihn mit der Rute der Gerechtigkeit geschlagen hatte, in einem nächtlichen Gesicht heim mit der Wonne seiner Gnade; und weil Franziskus ruhmbegierig war, darum lockte und begeisterte er ihn mit dem Höchstmaß von Ruhm. Es kam ihm nämlich vor, als habe er sein ganzes Haus voll von Waffen, Sätteln, Schilden, Lanzen und sonstiger Ausrüstung. Hocherfreut wunderte er sich im stillen, was dies wohl bedeute, denn er war es nicht gewohnt, solches in seinem Hause zu sehen, sondern vielmehr Haufen von Tuchballen zum Verkauf. Und er staunte nicht wenig über den plötzlichen Ausgang der Sache, als ihm gesagt wurde, alle diese Waffen gehörten ihm und seinen Rittern. Vom Schlafe erwacht, stand er am Morgen frohen Herzens auf und glaubte ganz sicher - das Gesicht hielt er nämlich für das Vorzeichen großen Glückes -, sein Zug nach Apulien werde erfolgreich verlaufen. Er wußte nämlich nicht, was er sagen sollte , und die ihm vom Himmel gegebene Aufgabe erkannte er noch nicht im geringsten. Doch hätte er schließen können, daß seine Deutung des Gesichtes nicht richtig sei; denn er konnte sich darüber nicht wie sonst freuen, wiewohl das Gesicht eine starke Anspielung auf Kriegstaten enthielt. Er mußte sich nämlich Gewalt antun, sein Vorhaben auszuführen und den ersehnten Zug zu unternehmen. - In sinniger Weise werden gleich zu Anfang Waffen erwähnt, und ganz zutreffend werden die Waffen dem künftigen Ritter übergeben, der gegen einen stark Bewaffneten kämpfen soll, damit er wie ein zweiter David im Namen Gottes des Herrn der Heerscharen , Israel erlöse von der alten Schmach der Feinde.



Kapitel III
Wie er innerlich, aber noch nicht äußerlich umgewandelt, von einem gefundenen Schatz und einer Braut im Gleichnis redete


6. 
Nun schon umgewandelt, aber nur innerlich, nicht äußerlich , weigert er sich sogleich, nach Apulien zu ziehen und bemüht sich, seinen Willen auf den göttlichen hin auszurichten. Und so zieht er sich auf kurze Zeit vom weltlichen Lärm und Geschäft zurück und ist bestrebt, Jesus Christus im inneren Menschen zu bergen . Wie ein kluger Kaufmann verbirgt er die gefundene Perle vor den Augen der Spötter, und heimlich müht er sich, sie um den Kaufpreis all seiner Habe zu erwerben . In Assisi lebte ein Mann , den er mehr als andere schätzte, weil er gleichen Alters mit ihm war und die stete innige Freundschaft und gegenseitige Liebe ihn wagen ließ, ihm seine Geheimnisse mitzuteilen. Ihn führte er öfters an abgelegene, zu Beratungen geeignete Orte und versicherte ihm, einen kostbaren, großen Schatz gefunden zu haben. Da jubelte jener und, durch das Gehörte in unruhige Spannung versetzt, ging er gerne mit ihm, sooft er ihn rief. - In der Nähe der Stadt war eine Grotte; dorthin gingen sie häufig und sprachen miteinander über den Schatz. Der Mann Gottes, der schon durch seinen heiligen Vorsatz ein Heiliger war, trat in jene Grotte ein, während der Gefährte draußen wartete, und betete inständig zu seinem Vater im Verborgenen , von neuem, ungewöhnlichem Geiste durchdrungen. Dringend wünschte er, niemand solle wissen, was er hier innen tue, und indem er unter dem Vorwand des Guten das Bessere weise verbarg, befragte er Gott allein über seinen heiligen Vorsatz um Rat. Voller Hingebung betete er, der ewige, wahre Gott möge ihm seinen Weg weisen und ihn lehren, seinen Willen zu tun. Große Seelenqual stand er aus und konnte keine Ruhe finden, bis er im Werke erfüllt, was er in sein Herz aufgenommen hatte. Sich widersprechende Gedanken stiegen in ihm auf, und ihr Ungestüm brachte ihn gar arg in Verwirrung. In seinem Inneren brannte er von göttlichem Feuer und konnte die Glut des Geistes, die er aufgenommen, nach außen nicht verbergen. Es reute ihn, so schwer gesündigt und die Augen der göttlichen Majestät beleidigt zu haben, und schon konnte ihn das Böse, ob vergangen oder gegenwärtig, nicht mehr ergötzen; doch hatte er noch nicht das volle Vertrauen gewonnen, sich in Zukunft davor zu bewahren. Deshalb war er, wenn er zu seinem Gefährten wieder herauskam, so von Anstrengung erschöpft, daß er anders aussah, wenn er eintrat, anders, wenn er herausging.

7. 
Eines Tages nun, als er mit höchster Inbrunst Gottes Barmherzigkeit angerufen hatte, ward ihm vom Herrn gezeigt, was er tun solle. Von der Stunde an ergriff ihn solche Freude, daß er sich vor Jubel nicht mehr beherrschen konnte und, ohne es zu wollen, vor den Ohren der Menschen etwas verlauten ließ. Obschon er infolge der Größe der entfachten Liebe nicht schweigen konnte, redete er dennoch etwas vorsichtig und in Rätseln. Gleichwie er nämlich zu seinem besonderen Freund, wie gesagt , nur vom verborgenen Schatz sprach, so bemühte er sich, auch zu den übrigen nur in Bildern zu reden. Er sagte, er wolle nicht nach Apulien ziehen, sondern versprach, in der eigenen Vaterstadt Edles und Gewaltiges zu vollbringen. Die Leute glaubten, er wolle eine Gattin heimführen, und sie fragten ihn und sagten: "Willst du dir eine Gattin nehmen, Franziskus?" Er antwortete ihnen und sprach: "Eine edlere und schönere Braut, als ihr je gesehen, will ich heimführen, die an Wohlgestalt alle übrigen weit übertrifft und an Weisheit alle überragt." Und in der Tat, die makellose Gottesbraut ist das wahrhaft religiöse Leben, das er auf sich nahm, und der verborgene Schatz ist das Himmelreich, nach dem er mit so großer Sehnsucht gesucht hat. Es mußte sich ja ganz notwendig die evangelische Berufung an ihm erfüllen, der ein Diener des Evangeliums in Glaube und Wahrheit werden sollte.


Kapitel IV
Wie er alles verkaufte und den Erlös verachtete

8. 
So gestimmt und vom Heiligen Geiste bestärkt, folgte der selige Diener des Allerhöchsten, da die festgesetzte Zeit gekommen war, jenem glücklichen Antrieb seines Herzens, der ihn das Irdische mit Füßen treten und nach den höchsten Gütern streben ließ. Übrigens durfte er nicht mehr zögern, weil die tödliche Krankheit überall schon so weit fortgeschritten war und bei vielen so sehr alle Glieder befallen hatte, daß sie, wenn der Arzt noch eine Weile zögerte, den Lebensodem unterbunden und das Leben dahingerafft hätte . So machte er sich denn auf, stärkte sich mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes, ließ ein Pferd satteln, bestieg es, nahm Scharlachtuch mit zum Verkauf und begab sich eilends in eine Stadt, die Foligno heißt. Dort verkaufte er wie gewöhnlich alles, was er mit sich führte, und ließ auch sein Pferd, das er bis jetzt geritten, als glücklicher Kaufmann um eine Summe Geldes zurück. Hierauf kehrte er heim, frei von aller Last, und überlegte frommen Sinnes, wie er das Geld verwenden solle. Wunderbar, bald ganz umgewandelt unter dem Wirken Gottes, fühlte er es als eine Last, jenes Geld auch nur eine Stunde noch herumzutragen. Wie Sand erachtete er den ganzen Gewinn und hatte große Eile, sich seiner zu entledigen. Als er nach der Stadt Assisi zurückkehrte, fand er am Weg eine Kirche, die in alter Zeit zu Ehren des heiligen Damian erbaut worden war, jetzt aber ihres hohen Alters wegen in Bälde einzustürzen drohte .

9. 
Dahin ging der neue Ritter Christi und trat, von Mitleid über solche Armseligkeit bewegt, mit ehrfürchtiger Scheu ein. Und als er dort einen armen Priester fand, küßte er ihm mit großem Glauben die geweihten Hände, bot ihm das Geld an , das er bei sich trug, und erzählte ihm der Reihe nach sein Vorhaben. Der Priester war betroffen, wunderte sich über die unglaublich schnelle Umwandlung und konnte gar nicht glauben, was er gehört. Und weil er meinte, man halte ihn zum besten, weigerte er sich, das angebotene Geld bei sich zurückzubehalten. Hatte er ihn doch sozusagen beinahe gestern noch gesehen, wie er unter Verwandten und Bekannten mit großem Aufwand lebte und mehr als die anderen auf seine Torheit stolz war. Doch jener bestand hartnäckig auf seiner Bitte und bemühte sich, seine Worte glaubhaft zu machen. Inständiger bat er den Priester und flehte ihn an, er möge ihn um des Herrn willen bei sich wohnen lassen. Schließlich gestattete ihm der Priester zu bleiben, aber das Geld nahm er nicht an aus Furcht vor den Eltern. Der wahre Verächter des Geldes aber warf es in eine Fensternische und kümmerte sich darum nicht mehr als um den Staub . Er wünschte nämlich, Weisheit zu besitzen, die köstlicher ist als Gold, und Klugheit zu gewinnen, die wertvoller ist als Silber .


Kapitel V
Wie ihn sein Vater verfolgte und fesselte

10. 
Während nun der Knecht Gottes, des Allerhöchsten, an dem erwähnten Orte weilte, ging sein Vater überall herum wie ein eifriger Kundschafter, um zu erfahren, was mit seinem Sohn geschehen sei. Und als er von seinem Aufenthalt an dem genannten Ort erfuhr, wurde er im Innersten seines Herzens von Schmerz getroffen, ganz verwirrt über die plötzliche Wendung der Dinge. Er rief alle Freunde und Nachbarn zusammen und eilte schleunigst an den Ort, an dem der Diener Gottes sich aufhielt. Als Franziskus - noch ein Neuling als Kämpfer Christi - die Drohungen der Verfolger hörte und ihre Ankunft bemerkte, wollte er dem Zorn aus dem Wege gehen und verbarg sich in einem geheimen Winkel, den er sich selbst zu diesem Zweck zurechtgemacht hatte. Jenes Versteck befand sich im Hause und war nur einem einzigen durch Zufall bekannt geworden. Hier hielt er sich einen Monat lang ununterbrochen versteckt, und zwar derart, daß er kaum herauszugehen wagte, um seine menschlichen Bedürfnisse zu erfüllen. Wenn ihm Speise gereicht wurde, aß er sie im Dunkel des Verstecks, und im geheimen erwies man ihm jeden Liebesdienst. Inbrünstig betete er ohne Unterlaß, mit einem Strom von Tränen übergossen, auf daß der Herr seine Seele aus den Händen der Verfolger befreie und seine frommen Wünsche in gütiger Huld erfülle. Unter Fasten und Weinen erbat er die Schonung des Erlösers und richtete, seinem eigenen Tun mißtrauend, all sein Denken auf den Herrn . Und obgleich er sich in einem finsteren Versteck befand, überströmte ihn dennoch unaussprechliche, bisher noch nicht verkostete Freude. Von ihr ganz glühend, verließ er schließlich das Versteck und setzte sich öffentlich den Schmähungen der Verfolger aus.

11. 
So machte er sich denn sofort auf, unverdrossen, eilig und freudig und schlug, zum Kampf für den Herrn den Schild des Glaubens vor sich haltend und mit Waffen starker Zuversicht gerüstet, den Weg zur Stadt ein. Von göttlicher Glut entzündet, begann er, sich seiner Trägheit und Feigheit selbst schwer anzuklagen. Bei seinem Anblick fingen alle, die ihn kannten, an, indem sie das Einst und das Jetzt verglichen, ihm harte Vorwürfe zu machen. Sie hießen ihn einen Verrückten und Wahnsinnigen und bewarfen ihn mit Straßenkot und Steinen. Sie sahen, wie sein früheres Benehmen sich verändert hatte, wie er durch Kasteiung des Fleisches ganz abgezehrt war, und schrieben deshalb sein ganzes Treiben der Erschöpfung und dem Wahnsinn zu. - Weil aber der Geduldige tüchtiger ist als der Hochmütige , so benahm sich der Diener Gottes all dem gegenüber wie ein Tauber. Kein Unrecht konnte ihn entmutigen oder umstimmen. Für all das dankte er dem Herrn. - Vergeblich verfolgt ja ein schlechter Mensch den, der nach Hohem trachtet; je mehr nämlich jener bedrängt wird, um so mannhafter wird er triumphieren. Einen hochgesinnten Geist, sagt jemand , macht Schande nur noch tapferer.

12. 
Indem nun eine Weile derartiges Gerücht und Gerede Straßen und Gassen der Stadt durcheilte und da und dort das Gelächter der Spötter widerhallte, kam die Kunde darüber unter den vielen, die davon gehört hatten, endlich auch dem Vater zu Ohren. Wie er den Namen seines Sohnes hört und vernimmt, daß ihm solches Ungemach von den Mitbürgern zugefügt werde, macht er sich sofort auf, nicht um ihn zu befreien, sondern vielmehr zu verderben. Ohne jede Mäßigung, wie der Wolf auf das Lamm, so eilt er hin, schaut ihn grimmig und wild an, packt ihn und schleppt ihn unter Schmach und Schande in sein eigenes Haus.

Dort sperrt er ihn erbarmungslos mehrere Tage in einen finsteren Raum. Und da er glaubt, seines Sohnes Sinn nach seinem Willen beugen zu können, bearbeitet er ihn zuerst mit Worten, dann auch mit Schlägen und Fesseln. - Er aber ging daraus nur um so entschlossener und gefestigter hervor, seinen heiligen Vorsatz auszuführen. Weder bei Scheltworten noch bei der zermürbenden Kerkerhaft verließ ihn die Geduld. - Denn nicht kann derjenige durch Geißel und Kerker von der rechten Gesinnung und Geisteshaltung abgebracht, noch von der Herde Christi abspenstig gemacht werden, dem es aufgetragen ist, in Trübsal zu frohlocken ; nicht zittert der in vieler Wasser Flut , dessen Zuflucht in der Bedrängnis der Sohn Gottes ist; denn er zeigt uns immer, damit unsere Leiden nicht zu herb erscheinen, daß die, die er ertragen, noch größer gewesen sind.


Kapitel VI
Wie seine Mutter ihn befreite und wie er sich vor dem Bischof von Assisi entkleidete

13. 
Als sein Vater in einer dringenden Familienangelegenheit für kurze Zeit außer Haus war und der Mann Gottes gefesselt im Hause eingesperrt blieb, redete seine Mutter, die mit ihm allein daheim geblieben war und das Vorgehen ihres Manns nicht billigte, mit zärtlichen Worten ihrem Sohne zu. Da sie aber sah, daß sie ihn von seinem Vorhaben nicht abbringen könne, ließ sich ihr Mutterherz über ihn erweichen; sie löste die Bande und ließ ihn frei davongehen. Er aber dankte dem allmächtigen Gott und kehrte eiligst an den Ort zurück , wo er sich früher aufgehalten hatte. - In Versuchungen erprobt und bewährt, hatte er nämlich schon eine größere Unerschrockenheit, und infolge der zahlreichen Kämpfe trug er eine fröhlichere Miene zur Schau. Gefestigter war sein Herz hervorgegangen aus den ungerechten Verfolgungen, frei konnte er sich überall bewegen, und frohgemuter schritt er einher. Inzwischen kehrte der Vater zurück, und da er ihn nicht fand, wandte er sich mit Vorwürfen an seine Frau und häufte so Sünde auf Sünde. Dann lief er tobend und schreiend an den genannten Ort, um seinen Sohn, falls er ihn nicht zur Besinnung bringen könne, wenigstens aus der Gegend zu verjagen. Weil aber die Furcht des Herrn feste Zuversicht ist , so ging der Sohn der Gnade, als er hörte, daß sein fleischlich gesinnter Vater zu ihm komme, ihm mit festem Mut und fröhlichem Herzen von selbst entgegen und rief mit Freimut, er achte Kerker und Schläge für nichts. Obendrein versicherte er ihm noch, daß er um des Namens Christi willen freudig alle Übel auf sich nehmen wolle.

14. 
Als aber der Vater sah, daß er ihn von dem eingeschlagenen Weg nicht abbringen könne, bemühte er sich mit allen Kräften, ihm wenigstens das Geld zu entwinden. Der Mann Gottes hatte zwar gewünscht, es für den Unterhalt der Armen und die Gebäude jenes Ortes ganz auszugeben und zu verwenden. Aber er hing nicht am Geld und konnte auch nicht durch den Schein des Guten getäuscht werden. Und da ihn keinerlei Begierde danach gefangen hielt, ließ er sich bei seinem Verlust nicht im geringsten in Verwirrung bringen. Als sich das Geld wiederfand, das der größte Verächter des Irdischen und gar begierige Sucher himmlischer Schätze in den Staub des Fensters geworfen hatte , wurde die Wut des rasenden Vaters ein wenig gedämpft und der Durst der Habgier durch die Freude über den Fund ein wenig gestillt. Darauf schleppte er ihn vor den Bischof der Stadt, damit er in dessen Hände auf sein ganzes Vermögen verzichte und alles zurückgebe, was er habe. Dem stimmte Franziskus nicht nur freudig zu, vielmehr beeilte er sich voll Freude, die Forderung mit bereitwilligem Herzen zu erfüllen.

15. 
Vor den Bischof geführt, duldete er weder Aufschub noch irgendeine Verzögerung; ja, nicht einmal Worte wartete er ab, noch sprach er solche, sondern legte sofort all seine Kleider ab, warf sie hin und gab sie dem Vater zurück. Nicht einmal die Hose behielt er zurück, vollständig entblößte er sich angesichts aller . Als aber der Bischof seine Entschlossenheit bemerkte, erhob er sich allsogleich voll hoher Bewunderung für seinen glühenden Eifer und seine Standhaftigkeit, schloß ihn in seine Arme und bedeckte ihn mit dem Mantel, den er trug. Klar sah er ein, daß der Entschluß von Gott komme, und er erkannte, daß das Tun des Mannes Gottes, das er mit eigenen Augen gesehen, ein Geheimnis in sich berge. Daher wurde er von nun an sein Beschützer und Gönner, der ihn ermutigte und mit innigster Liebe umfing. Siehe, jetzt ist es so weit, daß er nackt mit dem Nackten ringt , alles von sich wirft, was der Welt ist , und einzig und allein an die göttliche Gerechtigkeit denkt. So strebt er nunmehr danach, das eigene Leben zu verachten, indem er alle Sorge dafür ablegt, um als Armer auf umlagerter Straße in Frieden dahinzuziehen und nur durch die Wand des Fleisches einstweilen noch von der Anschauung Gottes getrennt zu sein.


Kapitel VII
Wie er von den Räubern ergriffen und in den Schnee geworfen wurde 
und wie er den Aussätzigen diente

16. 
Als er jetzt notdürftig in ein Tuch gehüllt - einst hatte er sich in Scharlach gekleidet - dahinzog und gerade durch einen Wald hindurch dem Herrn auf Französisch Loblieder sang, fielen plötzlich Räuber über ihn her. Wie sie ihn mordgierig fragten, wer er sei, antwortete der Mann Gottes zuversichtlich und rief mit voller Stimme: "Der Herold des großen Königs bin ich! Was geht das euch an?" Doch diese schlugen ihn, warfen ihn dann in eine Grube voll tiefen Schnees, wobei sie riefen: "Da lieg gut, bäuerischer Herold Gottes!" Er aber wälzte sich hin und her, schüttelte sich den Schnee ab und sprang, als die Räuber abzogen, aus der Grube heraus. Dann begann er, erheitert in großer Freude mit lauter Stimme dem Schöpfer aller Dinge Loblieder in den Wald hineinzusingen. Endlich kam er zu einem Mönchskloster . Mehrere Tage stand er in bloßem, ärmlichem Hemd als Gehilfe in der Küche und wünschte, auch nur mit Suppe seinen Hunger zu stillen. Aber da ihm jegliches Erbarmen versagt blieb und er nicht einmal ein altes Gewand bekommen konnte, ging er, nicht zornerregt, sondern notgezwungen, von dort weg und kam herab in die Stadt Gubbio . Hier bekam er von einem ehemaligen Freund ein ärmliches Kleid. - Später aber, als einige Zeit schon vergangen war und der Ruf des Mannes Gottes sich überall verbreitete und sein Name unter den Leuten bekannt wurde, kam der Prior des erwähnten Klosters, da er sich erinnerte und erkannte, was man dem Manne Gottes angetan, zu ihm und bat ihn um der Nachsicht des Heilandes willen demütig flehend für sich und die Seinen um Verzeihung.

17. 
Darauf begab sich der heilige Liebhaber jeglicher Demütigung zu den Aussätzigen und lebte mit ihnen zusammen, indem er mit größter Sorgfalt allen Gottes wegen diente und alle Fäulnis von ihnen abwusch, sogar den Eiter der Geschwüre abwischte, wie er selber in seinem Testament erzählt, wo er sagt : "Denn als ich in Sünden war, kam es mir sehr bitter vor, Aussätzige zu sehen. Und der Herr hat mich unter sie geführt, und ich habe ihnen Barmherzigkeit erwiesen." - So entsetzlich kam ihm nämlich, wie er sagte, einst der Anblick von Aussätzigen vor, daß er sich mit der Hand die Nase zuhielt, wenn er zur Zeit seines Weltlebens aus einer Entfernung von etwa zwei Meilen ihre Häuser nur sah. Als er aber nun mit der Gnade und Kraft des Allerhöchsten auf Heiliges und Nützliches zu sinnen begann, begegnete er eines Tages, noch in weltlichem Gewande, einem Aussätzigen. Da raffte er sich auf, überwand sich, trat hinzu und küßte ihn . - Von da an begann er sich selbst mehr und mehr zu verachten, bis er durch die Barmherzigkeit des Erlösers zum vollständigen Sieg über sich selbst gelangte. - Auch anderen Armen war er, solange er in der Welt blieb und noch den Spuren der Welt folgte, ein Helfer. Den Bedürftigen streckte er die Hand des Erbarmens entgegen und mit den Betrübten trug er herzliches Mitleid . - Als er nämlich eines Tages, ganz gegen seine Gewohnheit - er war ja sehr zuvorkommend -, einem Armen, der von ihm ein Almosen erbat, Vorwürfe gemacht hatte, ergriff ihn sogleich Reue und er fing an, bei sich zu sagen, es sei für ihn eine Schmach und Schande, einem, der im Namen eines so großen Königs bitte, das Verlangte abzuschlagen. Dann nahm er sich in seinem Herzen vor, fernerhin, soweit es ihm möglich sei, niemandem, der ihn an Gottes Statt bitte, etwas zu versagen. Diesen Vorsatz hat er peinlich genau gehalten und verwirklicht, bis er sich in jeder Beziehung selbst rückhaltlos hingab. So hat er zuerst den evangelischen Rat ausgeführt, bevor er ihn lehrte, der da lautet : "Wer dich bittet, dem gib; wer von dir borgen will, von dem wende dich nicht ab!"


Kapitel VIII
Wie er die Kirche S. Damiano aufbaute; der Wandel der Frauen, 
die dort wohnen

18. 
Das erste Werk, das der selige Franziskus in Angriff nimmt, nachdem er die Befreiung aus der Hand seines leiblichen Vaters erlangt hat, ist, daß er Gott ein Haus baut. Er will es nicht neu aufbauen, sondern das altbrüchige richtet er wieder her, das altehrwürdige bessert er aus. Das Fundament reißt er nicht heraus, sondern baut auf ihm weiter, wodurch er, wenn auch wohl unbewußt, das Vorrecht immer für Christus wahrt: "Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, nämlich Christus Jesus" . Als er nun zu dem Ort, wo, wie gesagt, die Kirche S. Damiano vor langer Zeit erbaut worden war, zurückkehrte, stellte er sie mit dem Beistand der Gnade des Allerhöchsten in kurzer Zeit mit großem Eifer wieder her. - Das ist jene selige und geweihte Stätte, an der die ruhmreiche Genossenschaft und der so hervorragende Orden der Armen Frauen und heiligen Jungfrauen etwa sechs Jahre nach der Bekehrung des seligen Franziskus durch eben diesen seligen Mann seinen glücklichen Anfang nahm ; hier erstand in Herrin Klara, aus der Stadt Assisi gebürtig, der kostbarste und mächtigste Stein als Fundament der übrigen darübergelegten Steine. Denn als die genannte Herrin nach den ersten Anfängen des Ordens der Brüder auf die Mahnungen des heiligen Mannes hin zu Gott sich bekehrt hatte, ward sie vielen zum Fortschritt, ungezählten zum Beispiel. Adelig von Geschlecht, aber noch adeliger durch die Gnade, eine Jungfrau dem Fleische nach, dem Geiste nach ganz keusch, an Alter noch ein Mädchen, aber an Geistesreife eine Greisin, standhaft im Vorsatz und in Gottesliebe brennend vor heißem Verlangen. Mit Weisheit begabt, durch Demut ausgezeichnet: Klara dem Namen nach , durch ihr Leben noch strahlender, war sie am strahlendsten durch ihren Tugendwandel.

19. 
Auch über ihr erstand ein herrlicher Bau aus kostbarsten Perlen, für die es Lob nicht von Menschen, sondern nur von Gott gibt, da beschränkter Verstand nicht ausreicht, es auszudenken, noch eine kurze Abhandlung, es darzulegen. - Vornehmlich blüht unter ihnen vor allem die Tugend gegenseitiger und stetiger Liebe, die ihren Willen so sehr in eins verbindet, daß, mögen 40 oder 50 gleichzeitig irgendwo beisammen sein, ihr gleichgerichtetes Wollen und Nichtwollen in ihnen einen Geist aus den vielen schafft. - Zweitens leuchtet an einer jeden der Edelstein der Demut, welche die verliehenen Gaben und die vom Himmel erhaltenen Gnaden so bewahrt, daß sie auch die übrigen Tugenden verdienen. - Drittens übergießt die Lilie der Jungfräulichkeit und Reinheit sie alle mit solch wunderbarem Duft, daß sie weltliche Gedanken vergessen und nur Himmliches zu betrachten wünschen, und infolge dieses Wohlgeruchs entsteht in ihren Herzen eine solche Liebe zum ewigen Bräutigam, daß die Reinheit heiliger Liebe in ihnen jegliche Gewohnheit des früheren Lebens ausschließt. - Viertens sind sie alle so mit dem Ruhm der allerhöchsten Armut ausgezeichnet, daß sie, der äußersten Notwendigkeit in Lebensunterhalt und Kleidung zu genügen, sich kaum oder niemals herbeilassen.

20. 
Fünftens aber haben sie eine so einzigartige Gnade der Enthaltsamkeit und Schweigsamkeit erlangt, daß sie sich zur Beherrschung der Fleischesregung und zur Bezähmung der Zunge nur ganz wenig Gewalt antun müssen; dadurch sind einzelne Schwestern unter ihnen des Redens so sehr entwöhnt, daß sie, wenn die Notwendigkeit zu reden zwingt, sich kaum mehr erinnern können, wie man zweckentsprechende Worte formt. - Sechstens sind sie bei all dem mit der Tugend der Geduld so wunderbar geziert, daß keine Widerwärtigkeiten und Bedrängnisse oder Unbill und Beschwerde ihr Herz brechen oder umstimmen können. - Siebtens endlich haben sie sich den höchsten Grad der Beschauung in einer Weise verdient, daß sie in ihr alles lernen, was sie tun oder lassen müssen und glücklich es verstehen, mit ihrem Geist sich zu Gott zu erheben, indem sie bei Tag und bei Nacht im Lobgesang Gottes und im Gebete verharren. - Der ewige Gott möge sich würdigen, mit seiner heiligen Gnade einen so heiligen Anfang mit einem noch heiligeren Ende zu beschließen! Und was hier vorläufig über die gottgeweihten Jungfrauen und die so frommen Mägde Christi gesagt wurde, möge genügen, da ihr wunderbares Leben und ihre ruhmvolle Regel, die sie vom Herrn Papst Gregor, dem damaligen Bischof von Ostia , erhielten, ein eigenes Werk und Muße verlangen würden .


Kapitel IX
Wie er nach Änderung seiner Tracht die Kirche von S. Maria von Portiunkula wiederherstellte
 und wie er dann das Evangelium hörte und darauf alles verließ, 
zu dem Habit kam, den die Brüder jetzt tragen, und ihn verfertigte

21. 
Inzwischen hatte der Heilige Gottes seine Tracht geändert und die genannte Kirche wiederhergestellt . Er zog nun weiter an einen anderen Ort in der Nähe der Stadt Assisi, wo er eine Kirche , die verfallen und dem Einsturz nahe war, wiederaufzubauen begann. Von diesem guten Beginnen ließ er nicht mehr ab, bis er alles in vollkommenen Zustand gebracht hatte. - Von da begab er sich an einen anderen Ort, der Portiunkula heißt. Dort stand eine Kirche der seligen Jungfrau und Gottesmutter, vor langer Zeit erbaut. Jetzt aber war sie verlassen und von niemand betreut. Wie sie der Heilige Gottes so verfallen sah, wurde er von frommem Mitleid gerührt, und weil er glühende Verehrung gegen die Mutter aller Güte hegte, nahm er daselbst seinen dauernden Aufenthalt. - Als er die genannte Kirche wiederhergestellt hatte, stand man im dritten Jahre seiner Bekehrung. Zu dieser Zeit trug er eine Art Einsiedlerhabit. Versehen mit einem Ledergürtel und einem Stab in der Hand, Sandalen an den Füßen, so schritt er einher.

22. 
Eines Tages aber wurde in eben dieser Kirche das Evangelium, wie der Herr seine Jünger zum Predigen aussandte , verlesen, und der Heilige Gottes war zugegen. Wie er die Worte des Evangeliums vernommen hatte, bat er gleich nach Beendigung der Meßfeier inständig den Priester, ihm das Evangelium auszulegen. - Dieser erklärte ihm alles der Reihe nach. Als der heilige Franziskus hörte, daß die Jünger Christi nicht Gold oder Silber noch Geld besitzen, noch Beutel, noch Reisetasche, noch Brot, noch einen Stab auf den Weg mitnehmen, noch Schuhe, noch zwei Röcke tragen dürfen, sondern nur das Reich Gottes und Buße predigen sollen, frohlockte er sogleich im Geiste Gottes und sprach: "Das ist's, was ich will, das ist's, was ich suche, das verlange ich aus innerstem Herzen zu tun." Deshalb macht sich der heilige Vater, von Freude überströmend, eilig an die Ausführung des heilsamen Wortes und duldet keine Verzögerung mehr, mit ganzer Hingabe die Verwirklichung dessen zu beginnen, was er eben gehört. Allsogleich löst er die Schuhe von den Füßen, legt den Stab aus der Hand und, zufrieden mit einem einzigen Habit, vertauscht er den Ledergürtel mit einem Strick. Darauf richtet er sich den Habit in Form des Kreuzes86 zurecht, damit er in ihm alle teuflischen Trugbilder abwehre; er macht ihn aus rauhestem Stoff, um in ihm das Fleisch mit seinen Lastern und Sünden zu kreuzigen; er macht ihn schließlich recht armselig und schmucklos, daß er der Welt in keiner Hinsicht begehrenswert erscheinen könne. Das übrige aber, was er gehört, begehrte er mit größter Sorgfalt und mit höchster Ehrfurcht zu tun. Er war ja kein tauber Hörer des Evangeliums, sondern behielt alles, was er hörte, in seinem rühmenswerten Gedächtnis und mühte sich, es auf den Buchstaben sorgfältig zu erfüllen.


Kapitel X
Die Predigt des Evangeliums, die Verkündigung des Friedens 
und die Bekehrung der sechs ersten Brüder

23. 
Hierauf begann er mit großem Geisteseifer und freudigem Sinn, allen Buße zu predigen; mit schlichtem Worte, aber aus gottbegeistertem Herzen erbaute er die Hörer. Sein Wort war wie loderndes Feuer, das ins Innerste des Herzens drang und aller Geist mit Bewunderung erfüllte. Ein ganz anderer schien er jetzt zu sein, als er gewesen. Nur mehr nach dem Himmel schauend, achtete er es nicht mehr für wert, auf die Erde zurückzublicken. Es ist sicher wunderbare Fügung, daß er dort zuerst zu predigen anfing, wo er als kleiner Knabe lesen gelernt hatte, und wo er auch ursprünglich ehrenvoll bestattet worden war, so daß den glücklichen Anfang eine noch glücklichere Vollendung krönte. Wo er gelernt, hat er auch gelehrt, und wo er angefangen, dort hat er glücklich vollendet . - Bei jeder Predigt flehte er, bevor er den Versammelten das Wort Gottes vorlegte, den Frieden herab mit den Worten : "Der Herr gebe euch den Frieden. " Diesen Frieden verkündete er allzeit mit größter Liebesglut Männern und Frauen, allen Leuten, die ihm auf dem Wege begegneten. Gerade deswegen haben viele, die den Frieden ebenso wie das Heil haßten, unter Mitwirkung des Herrn den Frieden mit ganzem Herzen umfangen und sind selbst Kinder des Friedens und Eiferer für das ewige Heil geworden.

24. 
Unter diesen folgte zuerst ein Mann aus Assisi , der von frommer und einfältiger Sinnesart war, dem Manne Gottes voll Hingabe nach. Nach ihm nahm Bruder Bernhard die Friedensbotschaft auf und eilte stürmisch dem Heiligen nach, das Himmelreich zu erwerben. Dieser hatte nämlich häufig den seligen Vater in Gastfreundschaft aufgenommen und sein Leben und seinen Wandel gesehen und beobachtet. Erquickt vom Dufte seiner Heiligkeit, empfing er heilsame Furcht und gebar den brennden Eifer nach dem Heil. Er sah ihn die ganze Nacht beten, sehr wenig schlafen, Gott und seine glorreiche jungfräuliche Mutter lobpreisen. Voll Staunen sprach er: "Wahrhaftig, dieser Mensch ist aus Gott!" Er beeilte sich daher, all seine Habe zu verkaufen, und verschenkte sie an Arme, nicht an die Verwandten. Indem er so den Ruhm des vollkommenen Weges erwählte, befolgte er den Rat des heiligen Evangeliums : "Willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben. Dann komm und folge mir nach" ! Darauf schloß er sich in Lebensweise und Kleidung dem heiligen Franziskus an und war immer bei ihm, bis er, nachdem die Brüderzahl größer geworden, auf Geheiß des geliebten Vaters sich in andere Gegenden begab . Seine Bekehrung zu Gott ist denen, die sich zu Gott bekehren wollen, Vorbild geworden für den Verkauf der Güter und ihre Verteilung an die Armen. Der heilige Franziskus hatte eine überaus große Freude über die Ankunft und die Bekehrung eines so bedeutenden Mannes, weil dadurch der Herr sichtbar werden ließ, daß er Sorge für ihn trug, indem er ihm einen geistesverwandten Gefährten und treuen Freund gab.

25. 
Gleich darauf folgte ihm ein anderer Mann aus der Stadt Assisi nach, der einen sehr löblichen Lebenswandel geführt und, was er heilig begonnen, nach kurzer Zeit noch heiliger vollendete. - Auf diesen folgte nach nicht langer Zeit Bruder Ägidius , ein einfältiger Mann, recht und gottesfürchtig. Lange Zeit schon lebte er unter uns ein heiliges, gerechtes und frommes Leben und hinterließ uns Beispiele vollkommenen Gehorsams, auch körperlicher Arbeit, einsamen Lebens und heiliger Beschauung. - Zu diesen kam noch ein anderer hinzu . Bruder Philippus aber machte die Siebenzahl voll; seine Lippen hatte der Herr mit der Reinigungskohle berührt, daß er über Gott bezaubernd rede und ihn begeistert lobe. Und obschon er die Heilige Schrift nicht auf der Schulbank gelernt, verstand und erklärte er sie so, daß er ein treuer Schüler jener ward, die von den Vorstehern der Juden als ungelehrt und ungebildet beschimpft wurden .


Kapitel XI
Der prophetische Geist und die Mahnungen des heiligen Franziskus

26. 
Der selige Vater Franziskus wurde jeden Tag mit Tröstung und Gnade des Heiligen Geistes erfüllt. Mit aller Wachsamkeit und Besorgnis unterwies er die neuen Söhne durch neue Lehren, indem er sie den Weg der heiligen Armut und seligen Einfalt unbeirrten Schrittes gehen lehrte. Eines Tages aber, als er das Erbarmen Gottes in den ihm erwiesenen Wohltaten bewunderte und wünschte, daß ihm vom Herrn geoffenbart werde, wie sein und seiner Brüder Wandel sich fernerhin gestalten solle, suchte er einen Ort des Gebetes auf, wie er sehr oft zu tun pflegte. Als er dort lange Zeit, mit Furcht und Zittern vor dem Beherrscher des ganzen Erdkreises stehend, verharrte und in Bitterkeit der Seele die schlecht verbrachten Jahre überdachte, wiederholte er immer wieder das Wort: "Gott sei mir Sünder gnädig"! Da begann unsagbare Freude und höchste Wonne sich nach und nach in das Innerste seines Herzens zu ergießen. Auch ward er allmählich ganz verändert; der Gemütssturm legte sich, die Finsternis wich, die infolge von Sündenangst sich über sein Herz gebreitet hatte, es wurde ihm die Gewißheit zuteil, alle seine Sünden seien ihm vergeben und die Zuversicht in ihm erweckt, wieder zu Gnaden zu kommen. Alsdann geriet er in Verzückung und wurde ganz in Lichtflut eingetaucht. Die Kraft seines Geistes weitete sich, und er sah in hellem Lichte, was die Zukunft bringen werde. Als endlich jene Wonne mit dem Lichte entschwand, schien er geistig erneuert schon in einen anderen Menschen umgewandelt .

27. 
Und so kehrte er freudig zurück und sagte zu den Brüdern: "Habet Mut, Geliebteste, und freuet euch im Herrn und laßt euch nicht traurig machen, weil wir scheinbar nur wenige sind! Und es soll euch meine oder eure Einfalt nicht schrecken; denn so ist es mir in Wahrheit vom Herrn gezeigt worden: Zu einer sehr großen Schar wird uns Gott anwachsen lassen und bis an die Grenzen der Erde uns mehren und ausbreiten. Zu eurem Fortschritt fühle ich mich auch gezwungen zu sagen, was ich gesehen und sonst gewiß viel lieber verschweigen möchte, wenn mich nicht die Liebe drängte, es euch zu erzählen. - Ich sah eine große Menge Leute zu uns kommen, die im Kleid und nach der Regel unseres heiligen Ordens mit uns zusammenleben wollten; und seht, ich habe jetzt noch den Lärm im Ohr, wie sie kamen und gingen, je nachdem es ihnen der heilige Gehorsam auftrug. Ich sah gleichsam die Wege voll von ihren Scharen, wie sie aus fast jedem Volke hierher zusammenkamen. Es kommen Franzosen, es eilen Spanier herbei, Deutsche und Engländer schließen sich an, und eine ungeheure Menge aus verschiedenen anderen Sprachen strömt herzu." Als die Brüder das gehört, wurden sie von heilsamer Freude erfüllt, sei es wegen der Gnade, die Gott der Herr seinem Heiligen verliehen hatte, sei es, weil sie gierig darnach verlangten, Mitmenschen zu gewinnen, von denen sie sehnlichst wünschten, daß ihre Zahl sich täglich mehre, damit sie sogleich gerettet würden .

28. 
Und der Heilige spricht zu ihnen: "Brüder, damit wir ,in Treue und in Hingabe" dem Herrn, unserm Gott, für alle seine Gaben Dank erstatten und damit ihr wißt, wie ihr euch gegen die gegenwärtigen und zukünftigen Brüder zu verhalten habt, so vernehmet die Wahrheit über die weiteren Schicksale. Jetzt am Anfang unserer Bekehrung werden wir ein über die Maßen süßes und wohlschmeckendes Obst finden; doch gar bald wird uns solches von weniger Wohlgeschmack und Süße geboten werden; schließlich aber wird uns eines voller Herbe gegeben werden, das wir nicht mehr werden essen können, weil es für alle wegen seiner Bitterkeit ungenießbar sein wird, wenngleich es nach außen hin Wohlgeruch und Schönheit aufweist. Ja, es ist wahr, wie ich gesagt habe, der Herr wird uns zu einem großen Volk anwachsen lassen; aber am Ende wird es so gehen, wie wenn ein Mann seine Netze auswirft ins Meer oder in einen See und einen reichen Fischfang macht. Wenn er dann alle Fische in sein Schifflein gebracht hat, wählt er, weil er wegen der Menge es verschmäht alle mitzunehmen, nur die größeren und die ihm gefallen für seine Gefäße aus, die übrigen aber wirft er wieder fort" . Wie sehr das, was der Heilige Gottes vorausgesagt hat, die Wahrheit widerspiegelt und wie weitgehend es in der Wirklichkeit in Erscheinung tritt, liegt zur Genüge auf der Hand, wenn man im Geiste der Wahrheit darüber nachdenkt. Siehe, wie der Geist der Weissagung auf dem heiligen Franziskus ruhte!


Kapitel XII
Wie er die Brüder zu zweien durch die Welt schickte, 
und sie in kurzer Zeit wieder zusammenkamen

29. 
Zur selben Zeit stieg ihre Zahl durch den Eintritt eines weiteren rechtschaffenen Mannes in den Orden auf acht . Da rief der selige Franziskus alle zu sich und verkündete ihnen noch mehr vom Reiche Gottes, von der Verachtung der Welt, von der Verleugnung des eigenen Willens, von der Unterwerfung des eigenen Leibes. Dann teilte er sie in vier Gruppen von je zwei Mann und sagte zu ihnen: "Gehet, Geliebteste, je zwei und zwei nach den verschiedenen Weltgegenden und verkündet den Menschen die Botschaft vom Frieden und von der Buße zur Vergebung der Sünden ! Seid geduldig in der Trübsal , voll Zuversicht, daß der Herr seinen Ratschluß und seine Verheißung erfüllen wird! Denen, die euch fragen, antwortet demütig ; die euch verfolgen, die segnet ; denen, die euch Unrecht antun und verleumden, saget Dank, weil uns dafür das ewige Reich bereitet ist" . Die Brüder nahmen mit Freude und Jubel den Auftrag des heiligen Gehorsams entgegen. Demütig bittend warfen sie sich vor dem heiligen Franziskus auf die Erde; er aber umarmte sie und sagte liebevoll und gütig zu jedem: "Richte dein Denken auf den Herrn, und er wird dich ernähren" ! Dieses Wort sagte er, sooft er Brüder im Gehorsam aussandte.

30. 
Darauf machte sich Bruder Bernhard mit Bruder Ägidius gen Sankt Jakob auf den Weg. Der heilige Franziskus aber wählte mit einem Gefährten eine andere Himmelsrichtung . Die letzten vier hielten bei ihrem Weg zu je zwei die übrigen Richtungen ein. Als aber kurze Zeit verstrichen war, wünschte der heilige Franziskus, sie alle wieder zu sehen. Er bat den Herrn, der die Zerstreuten Israels versammelt , daß er sich erbarmungsvoll würdige, sie in kurzem zusammenzuführen. Und so geschah es auch. Sie kamen gar bald seinem Wunsche gemäß zugleich miteinander zusammen, ohne von Menschen gerufen zu sein, und sagten dem Herrn Dank. Beim Zusammentreffen aber herrscht große Freude unter ihnen über das Wiedersehen ihres guten Hirten, und sie staunen darüber, daß sein bloßer Wunsch sie so zusammengeführt habe. Dann erzählen sie einander von den Wohltaten, die ihnen der barmherzige Herr erwiesen hatte, und wenn sie nachlässig oder irgendwie undankbar gewesen, bitten sie demütig den heiligen Vater um Zurechtweisung und Bestrafung und nehmen sie bereitwillig an. - So pflegten sie es nämlich immer zu machen, wenn sie zu ihm kamen , und sie verheimlichten vor ihm weder den leisesten Gedanken, noch auch die instinktiven Regungen der Seele; und wenn sie alle Aufträge erfüllt hatten, erachteten sie sich doch für unnütze Knechte . So sehr nämlich hatte der Geist der Reinheit von jener ganzen ersten Jüngerschaft des seligen Franziskus Besitz ergriffen, daß es ihnen, wenn sie auch von ihrem nützlichen, heiligen und rechten Wirken wußten, vollkommen fern lag, sich eitel darüber zu freuen. Der selige Vater aber umarmte mit überströmender Liebe seine Söhne und begann, ihnen sein Vorhaben zu eröffnen und zu verkünden, was der Herr ihm enthüllt hatte.

31. 
Gleich aber schlossen sich ihnen vier weitere rechtschaffene und taugliche Männer an und folgten dem Heiligen Gottes nach124. Darob entstand ein großes Gerede im Volke, und der Ruf des Mannes Gottes begann sich immer mehr auszubreiten. Sicherlich herrschte in dieser Zeit beim heiligen Franziskus und seinen Brüdern über die Maßen großer Jubel und einzigartige Freude, wenn jemand, vom Geiste Gottes geführt, kam, um das Kleid des heiligen Ordens zu nehmen. Es war ganz gleich, wer oder was er war, ob reich oder arm, ob hoch oder niedrig, ob unbedeutend oder angesehen, ob klug oder einfältig, ob Gebildeter oder Ungebildeter oder Laie im christlichen Volk. Auch die Weltleute hegten viel Bewunderung für all das, und sie sahen darin ein Beispiel der Demut, das sie zu einem besseren Lebenswandel und zur Umkehr von den Sünden aufrief. Nicht niedere Herkunft, nicht drückende Armut bildete ein Hindernis, daß die im Werke Gottes auferbaut wurden, die Gott, dessen Freude es ist, bei den von der Welt Verworfenen und Einfältigen zu sein, auferbauen wollte.


Kapitel XIII
Wie er zum erstenmal eine Regel schrieb, als er elf Brüder hatte, 
und wie der Herr Papst Innozenz sie bestätigte; und das Gesicht von dem Baume

32. 
Da der selige Franziskus sah, daß Gott der Herr täglich die Brüderzahl mehrte, schrieb er für sich und die Brüder, gegenwärtige wie zukünftige, in Einfalt und mit wenigen Worten eine Lebensform und Regel, zu der er hauptsächlich die Worte des heiligen Evangeliums benützte, dessen Vollkommenheit einzig er sehnlich anstrebte. Er fügte nur wenig andere Vorschriften bei, die für ein Ordensleben durchaus notwendig waren . Darauf wanderte er mit all den genannten Brüdern nach Rom , da er großes Verlangen hatte, daß ihm vom Herrn Papst Innozenz III. bestätigt werde, was er geschrieben. Zur damaligen Zeit weilte der ehrwürdige Bischof von Assisi, namens Guido , in Rom, der den heiligen Franziskus und alle Brüder in jeder Hinsicht hochachtete und mit besonderer Liebe verehrte. Als er den heiligen Franziskus und seine Brüder sah, war er über ihre Ankunft ungehalten, da er den Grund ihrer Reise nicht kannte. Er fürchtete nämlich, sie wollten ihre eigene Vaterstadt verlassen, wo der Herr durch seine Diener schon ganz Großes zu wirken begonnen hatte. Er freute sich gar sehr, in seinem Bistum solche Männer zu haben, von deren Leben und Wandel er sich sehr viel versprach. Nachdem er aber den Grund gehört und Kenntnis von ihrem Vorhaben erhalten hatte, freute er sich sehr im Herrn und versprach, sie dabei mit Rat und Tat zu unterstützen. Außerdem begab sich der heilige Franziskus zu dem hochwürdigen Bischof von Sabina, mit Namen Johannes von S. Paolo , der unter den übrigen Fürsten und Großen der römischen Kurie Irdisches zu verachten und Himmlisches zu lieben schien. Dieser nahm ihn gütig und liebevoll auf und war seinem Wunsch und seinem Vorhaben sehr geneigt.

33. 
Weil er aber ein vorsichtiger und kluger Mann war, begann er ihn über vieles zu fragen und riet ihm, sich für das Mönchs- oder Einsiedlerleben zu entscheiden . Doch der heilige Franziskus wies dieses Ansinnen, soweit er konnte, demütig zurück, nicht weil er das Angeratene geringschätzte, sondern weil er eben etwas anderes fromm anstrebte und eine höhere Sehnsucht ihn erfüllte. Da staunte jener Herr über seinen Feuereifer, und weil er befürchtete, er könnte von einem so großen Vorhaben wieder zurücktreten, zeigte er ihm weniger beschwerliche Wege. Endlich beruhigte er sich, von seinen standhaften Bitten besiegt, und bemühte sich, seine Sache fürder beim Herrn Papst zu fördern. An der Spitze der Kirche Gottes stand in der damaligen Zeit der Herr Papst Innozenz III., ein ruhmreicher Mann, ein hervorragender Gelehrter, ein glänzender Redner, glühend vor Eifer für die Gerechtigkeit, wo immer die Sache der christlichen Glaubenspflege es erheischte. Als er den Wunsch der Männer Gottes zur Kenntnis genommen hatte, gab er nach vorausgegangener Prüfung ihrer Bitte seine Zustimmung und erfüllte sie mit sofortiger Wirkung. Über gar vieles gab er ihnen dann noch Aufträge und gute Winke. Hierauf segnete er den heiligen Franziskus und seine Brüder und sagte zu ihnen: "Brüder, gehet mit dem Herrn und, wie es euch der Herr einzugeben sich würdigte, predigt allen Bußel34! Wenn aber der allmächtige Herr euch an Zahl und Gnade mehrt, dann berichtet es mir freudig, und ich will euch noch mehr Zugeständnisse machen und unbekümmerter euch noch Größeres anvertrauen." - Der Herr war in Wahrheit mit dem heiligen Franziskus, wohin er auch ging, indem er ihn mit Offenbarungen erfreute und durch Wohltaten ermunterte. Als er eines Nachts dem Schlummer sich hingegeben, schien es ihm, als ginge er auf einem Wege, an dem ein Baum von hohem Wuchse stand . Dieser Baum war schön und stark, stämmig und ungewöhnlich hoch. Es geschah aber, während der Heilige sich ihm näherte und, unter ihm stehend, seine Schönheit und Größe bewunderte, daß er plötzlich selbst zu solcher Größe emporwuchs, daß er den Wipfel des Baumes berühren und, mit der Hand ihn fassend, ganz leicht zur Erde niederbeugen konnte. Und in der Tat, so geschah es auch, als der Herr Innozenz, der hohe und erhabene Baum in der Welt, seiner Bitte und seinem Begehren sich so gütig neigte.


Kapitel XIV
Seine Rückkehr aus der Stadt Rom ins Spoletotal 
und sein Verweilen auf dem Wege

34. 
Der heilige Franziskus und seine Brüder jauchzten vor überströmender Freude über das Geschenk und die Gnade eines solchen Vaters und Herrn und dankten dem allmächtigen Gott, der die Gebeugten hoch erhebt und die Trauernden zum Heile erhöht . Sofort ging er hin, das Grab des heiligen Petrus zu besuchen , verrichtete dort sein Gebet, verließ die Stadt und wanderte mit seinen Gefährten dem Spoletotal zu. - Während sie so dahingingen, unterhielten sie sich darüber, welch große und herrliche Geschenke ihnen der mildreichste Gott verliehen; wie sie vom Statthalter Christi, dem Herrn und Vater der ganzen Christenheit, so huldvoll aufgenommen worden; wie sie aber auch seine Ermahnungen und Aufträge erfüllen könnten; wie sie die Regel, die sie übernommen, rein bewahren und unbeugsam beobachten wollten; wie sie in aller Heiligkeit und Frömmigkeit vor dem Allerhöchsten wandeln könnten; wie schließlich ihr Lebenswandel durch Wachsen in den heiligen Tugenden den Mitmenschen ein Beispiel werden sollte. Und als die neuen Jünger Christi in der Schule der Demut sich genug darüber besprochen hatten, war es schon spät geworden und die Zeit vorgerückt . Sie waren an einen verlassenen Ort gekommen; recht müde und hungrig von den Anstrengungen des Weges konnten sie jedoch keine Labe finden, weil jener Ort gar weit von einer menschlichen Behausung entfernt war. Sogleich aber - die göttliche Huld sorgte für sie - begegnete ihnen ein Mann, der ihnen Brot brachte, es ihnen gab und wieder wegging. Sie aber erkannten ihn nicht, wunderten sich im Herzen und ermahnten einander voll Ergebung, noch mehr auf die göttliche Barmherzigkeit zu vertrauen. Nachdem sie gegessen und sich nicht wenig gestärkt hatten, kamen sie in die Nähe der Stadt Orte , wo sie ungefähr vierzehn Tage blieben. Einige von ihnen gingen in die Stadt, suchten die notwendigen Nahrungsmittel aufzutreiben und brachten das wenige, das sie von Tür zu Tür erhalten konnten, zu den anderen Brüdern, und sie aßen es miteinander mit Danksagung und fröhlichem Herzen. Wenn aber etwas übrig blieb, so bargen sie es, da sie es niemandem geben konnten, in einer Grabstätte, die einst Tote beherbergt hatte, um es ein andermal zu essen. Dieser Ort war öde und verlassen und wurde nur selten oder nie von Menschen betreten.

35. 
Es war ihnen eine große Freude, wenn sie nichts sahen oder hatten, was sie eitel oder fleischlich hätte erfreuen können. Deshalb fingen sie dort an, mit der heiligen Armut Umgang zu pflegen , und da sie trotz des Fehlens aller Dinge, die von der Welt sind, sich überaus getröstet fühlten, beschlossen sie, so wie sie dort waren, ihr immer und überall anzuhangen. Und da sie, aller Sorge um irdische Dinge ledig, nur noch göttliche Tröstung erfreute, faßten sie den unerschütterlichen Vorsatz, sich durch keine Not niederdrücken, durch keine Versuchung erschüttern, durch nichts sich aus den Umarmungen der Armut losreißen zu lassen. Aber wenn auch der Reiz der Landschaft selbst, der so leicht der wahren Geisteskraft schaden kann, ihren Eifer keineswegs minderte, so verließen sie dennoch, um wenigstens nicht durch einen längeren Aufenthalt auch nur äußerlich mit etwas Besitz in Berührung zu kommen, diesen Ort und kamen mit ihrem glückseligen Vater alsdann ins Spoletotal. - Als wahre Liebhaber der Gerechtigkeit überlegten sie miteinander, ob sie unter Menschen sich aufhalten oder in die Einsamkeit sich begeben sollten. Der heilige Franziskus aber, der nicht auf eigene Tätigkeit vertraute, sondern allem Handeln mit heiligem Gebet zuvorkam, entschloß sich, nicht für sich allein zu leben, sondern dem, der für alle gestorben ist; denn er wußte sich gesandt, Gott Seelen zu gewinnen, die der Teufel zu entführen suchte .

Kapitel XV
Der Ruf des seligen Franziskus und die Bekehrung vieler zu Gott; 
wie der Orden "Minderbrüder" genannt wurde, 
und wie der selige Franziskus die in den Orden Eintretenden heranbildete

36. 
Darauf zog Franziskus, der tapfere Ritter Christi, in den Städten und Flecken umher und verkündete nicht in überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Lehre und Kraft des Geistes das Reich Gottes , predigte den Frieden, lehrte Heil und Buße zur Vergebung der Sünden . - In allem handelte er gar zuversichtlich in Kraft der ihm gegebenen apostolischen Vollmacht , ohne sich Schmeicheleien oder verführerischer Schönrednerei zu bedienen. Er verstand sich nicht darauf, die Vergehen gewisser Menschen zu beschönigen, wohl aber zu geißeln, nicht das Leben der Sünder zu entschuldigen, sondern sie durch scharfen Tadel zu erschüttern; denn zuerst hatte er sich selbst das in der Tat vertraut gemacht, was er anderen in Worten anriet. Und da er keinen Tadler zu fürchten brauchte, trug er so beherzt die Wahrheit vor, daß auch die gelehrtesten Männer, die hohen Ruf und großes Ansehen genossen, seine Predigten bewunderten und durch seine Gegenwart von heilsamer Furcht aufgeschreckt wurden. Es liefen die Männer, es liefen die Frauen, es eilte der Klerus, es strömten die Ordensleute herzu, um den Heiligen Gottes zu sehen und zu hören, der allen als Mensch des anderen Zeitalters erschien. Jedes Alter und jedes Geschlecht kam eilig herbei , die Wunderdinge zu sehen, die der Herr in unerhörter Weise durch seinen Knecht in der Welt wirkte. Es hatte den Anschein, als ob in jener Zeit, sei es durch die Gegenwart des heiligen Franziskus oder infolge seines Rufes, ein ganz neues Licht vom Himmel auf die Erde gesandt worden sei, das alle Dunkelheit und Finsternis zerstreute, die fast die ganze Erde so überlagert hatte, daß man kaum wußte, wo man den Ausweg finde. So sehr hatte nämlich eine abgrundtiefe Gottvergessenheit und träge Nachlässigkeit gegen Gottes Gebote fast alle befallen, daß sie sich kaum aus ihren alten, eingewurzelten Lastern irgendwie aufrütteln ließen.

37. 
Da strahlte Franziskus wie ein glänzender Stern in finsterer Nacht und wie der Morgen, der über die Dunkelheit sich ausbreitet . So kam es, daß sich das Aussehen des ganzen Landes in kurzer Zeit veränderte, daß es die alte Häßlichkeit ablegte und allenthalben ein fröhlicheres Gesicht zeigte. Gewichen ist die frühere Dürre, und rasch wuchs die Saat auf dem verwahrlosten Feld empor; auch begann der ungepflegte Weinberg, wohlduftende Sprossen vor dem Herrn hervorzubringen; er trieb liebliche Blüten und brachte ebenso herrliche und reiche Früchte . Überall erscholl Danksagung und Lobgesang , so daß viele die weltlichen Sorgen von sich warfen und im Leben und in der Lehre des hochseligen Vaters Franziskus Selbsterkenntnis gewannen und nach Liebe und Verehrung des Schöpfers verlangten. - Viele aus dem Volke, Adelige und Nichtadelige, Geistliche und Laien begannen auf göttliche Eingebung hin, sich dem heiligen Franziskus anzuschließen, um unter seiner Führung und Leitung für immer Dienst zu tun . Sie alle überflutete der Heilige Gottes, wie ein von himmlischer Gnade überfließender Fluß, mit Strömen von Gnadengaben und schmückte den Acker ihrer Herzen mit den Blumen der Tugenden; war er doch der auserlesene Künstler, nach dessen Vorbild, Regel und Lehre in hervorhebenswerter Weise die Kirche Christi in beiden Geschlechtern erneuert wird und eine dreifache Streiterschar von Auserwählten triumphiert. Und allen gab er eine Richtschnur für ihr Leben und zeigte in Wahrheit jedem Stand den Weg zum Heil.

38. 
Besonders aber geht es uns darum, von dem Orden zu sprechen, dessen Vater und Erhalter er ebenso in Liebe wie in Bekennermut war. Hat er doch den Orden der Minderen Brüder in seinen Anfängen selbst gepflanzt und bei folgender Gelegenheit ihm diesen Namen gegeben. Als er nämlich in der Regel so schreiben ließ: "Und sie sollen Mindere sein", sagte er beim Aussprechen dieses Satzes zur selben Stunde: "Ich will, daß diese Brüderschaft Orden der Minderen Brüder genannt werde." - Und als wahrhaft Mindere Brüder, die allen untertan sind, suchten sie für sich immer einen geringgeschätzten Arbeitsplatz und wollten einen geringgeschätzten Dienst tun, der ihnen auch eine gewisse Unbill in Aussicht zu stellen versprach . So wollten sie verdienen, auf dem festen Boden wahrer Demut gegründet zu sein, auf daß unter dem Segen des Himmels in ihnen der geistige Bau aller Tugenden erstehe. - In der Tat erhob sich auf diesem festen Fundament ein herrlicher Bau der Liebe aus lebendigen Steinen, die, aus allen Teilen der Welt zusammengehäuft, sich zur Wohnung des Heiligen Geistes zusammenfügten. Von welcher Liebesglut waren die neuen Jünger Christi entflammt! Welche Liebe zu frommer Gemeinschaft war in ihnen lebendig! Wenn sie sich nämlich irgendwo trafen oder sich auf dem Weg gelegentlich begegneten, sprang ein Pfeil geistiger Liebe über, der über alle natürliche Zuneigung den Samen einer wahren, höheren Liebe streute. Was ist damit gemeint? Züchtige Umarmungen, zarte Hinneigung, heiliger Kuß, traute Gespräche, bescheidenes Lächeln, frohe Mienen, unverdorbenes Auge, demütige Aufmerksamkeit, gewinnende Sprache, freundliche Antwort, dasselbe Ziel, pünktlicher Gehorsam, unermüdliche Dienstfertigkeit.

39. 
Und zwar verlangten sie, da sie alles Irdische verachteten und sich selbst niemals mit selbstischer Liebe liebten, sondern die ganze Innigkeit ihrer Liebe auf die Gemeinschaft ergossen, sich selbst als Kaufpreis zu geben, um ohne Unterschied der Not des Bruders zu Hilfe zu kommen. Voll Sehnsucht suchten sie zusammenzukommen, um so größer war ihre Freude, zusammen zu sein, schwer dagegen war auf beiden Seiten die Trennung von einander, bitter das Scheiden, hart das Geschiedensein. - Doch nichts wagten die gehorsamsten Ritter den Befehlen des heiligen Gehorsams vorzuziehen, ja, sie hielten sich schon bereit, den Befehl auszuführen, bevor noch das Wort des Gehorsams ausgesprochen war; und da sie an den Befehlen nichts zu deuteln wußten, stürzten sie sich ohne jede Widerrede, gewissermaßen Hals über Kopf, auf jeden Auftrag.- Als "Anhänger der heiligsten Armut" liebten sie nichts, weil sie nichts besaßen; folglich brauchten sie auch nicht fürchten, etwas zu verlieren. Sie waren zufrieden mit einem einzigen Habit, der oft noch innen und außen geflickt war . Nichts Gepflegtes war an ihm, sondern lauter Verachtung und Ärmlichkeit, damit sie darin völlig der Welt gekreuzigt erscheinen möchten. Sie waren mit einem Strick umgürtet und trugen geringwertige Hosen; bei all dem zu verharren und nichts weiter zu besitzen, war ihr frommes Ziel. - Deshalb waren sie überall voller Zuversicht, von keiner Furcht befangen, von keiner Sorge zerstreut, und ohne alle Besorgnis sahen sie dem kommenden Tage entgegen; nicht einmal wegen einer Unterkunft spät in der Nacht ließen sie sich ängstigen, wenn sie auf ihren Wanderfahrten häufig in große Schwierigkeiten kamen. Wenn sie oft in der größten Kälte der nötigen Herberge entbehrten, nahm sie ein Backofen auf, oder sie fanden wohl auch die Nacht über in Grüften oder Höhlen ein armseliges Versteck. - Tagsüber aber verrichteten, die es konnten, Handarbeit in den Häusern der Aussätzigen oder an anderen ehrbaren Orten und dienten allen in demütiger Hingabe. Sie wollten kein Amt ausüben, von dem ein Ärgernis hätte entstehen können , vielmehr, immer nur mit heiligen und gerechten, ehrbaren und nützlichen Werken beschäftigt, forderten sie alle, mit denen sie zusammen waren, zum Beispiel der Demut und zur Geduld auf.

40. 
So sehr hatte die Kraft der Geduld sie gewappnet, daß sie lieber dort sein wollten, wo sie leibliche Verfolgung zu erdulden hatten , als dort, wo man ihre Heiligkeit erkannte oder lobte und die Gunsterweise der Welt sie erheben konnten. Oft mußten sie Schimpf erdulden, Schmach erleiden, sich entblößen, schlagen, binden, in den Kerker werfen lassen; aber sie ertrugen all das, ohne bei jemand Schutz zu suchen, so mannhaft, daß man aus ihrem Munde nichts als Lobgesang und Danksagung vernahm. - Selten oder nie ließen sie ab vom Lobe Gottes und vom Gebet, sondern in ständiger Prüfung überdachten sie all ihre Handlungen; für das, was sie Gutes getan, dankten sie Gott; für ihre Versäumnisse und Nachlässigkeiten entrichten sie Seufzer und Tränen. Sie glaubten sich von Gott verlassen, wenn sie sich nicht dauernd im Geiste der Hingabe durch die gewohnte Gnade heimgesucht fühlten. Wenn sie sich dem Gebet hingeben wollten, lehnten sie sich an eine kleine Stütze, um nicht vom Schlafe übermannt zu werden. Einige hielten sich aufrecht an herabhängenden Stricken, damit nicht der Schlaf sie überwältige und so das Gebet gestört werde. - Einige legten sich eiserne Bußwerkzeuge um den Leib, andere trugen hölzerne Bußgürtel . Wenn einmal durch reichlichere Speise oder Trank, wie es vorkommen kann, ihre Mäßigkeit gestört ward, oder infolge der Ermüdung auf der Reise die Grenzen des Notwendigen nur um ein Geringes überschritten wurden, quälten sie sich viele Tage aufs heftigste mit Fasten. Schließlich suchten sie durch solche Abtötung die Reize des Fleisches zu unterdrücken, daß sie oft nicht davor zurückschreckten, sich in starrendem Frost zu entkleiden und den ganzen Körper mit spitzen Dornen bis zum Blutvergießen zu zerstechen.

41. 
So entschieden verachteten sie alles Irdische, daß sie selbst das Äußerste, was zum Leben notwendig ist, sich kaum anzunehmen getrauten und, durch so lange Übung jeder körperlichen Erquickung entwöhnt, vor nichts Hartem mehr zurückschreckten. - Bei all dem trachteten sie nach Frieden und Verträglichkeit mit allen, handelten immer lauter und friedfertig und gaben sich die größte Mühe, alles Ärgernis zu vermeiden. Sie redeten kaum, wenn die Zeit es forderte, noch kam aus ihrem Munde ein possenhaftes oder müßiges Wort , so daß man in all ihrem Leben und Wandel gar nichts Ungeziemendes und Unehrbares finden konnte. - All ihr Tun war sittsam, ihr Gang stets bescheiden, alle Sinne in ihnen waren so abgetötet, daß sie kaum etwas zu hören oder zu sehen sich getrauten, außer was ihre besondere Aufmerksamkeit erforderte: die Augen auf die Erde geheftet, weilten ihre Gedanken im Himmel. Kein Neid, keine Bosheit, kein Groll, kein Widerspruch, kein Argwohn, keine Bitterkeit hatte bei ihnen Platz, vielmehr wohnte große Eintracht, dauernder Friede, Danksagung und Lobgesang bei ihnen. Das sind die Lehren, mit denen der fromme Vater nicht nur mit Wort und Zunge, sondern vor allem in Werk und Wahrheit seine neuen Söhne heranbildete.


Kapitel XVI
Sein Aufenthalt bei Rivotorto und die Hut der Armut

42. 
Der selige Franziskus sammelte sich mit den übrigen Brüdern nahe bei Assisi an einem Ort, der Rivotorto heißt. An diesem Ort stand ein verlassener Schuppen, unter dessen Dach sie, die entschiedenen Verächter großer und schöner Häuser, lebten und sich daselbst vor den Regengüssen schützten. Denn, wie ein Heiliger sagt , steigt man leichter von einer Hütte als von einem Palast aus in den Himmel. An diesem Ort lebten mit dem seligen Vater seine Söhne und Brüder alle zusammen in vieler Arbeit, in Entbehrung aller Dinge; sehr oft hatten sie kein Brot für den Hunger, waren zufrieden mit bloßen Rüben, die sie in der Ebene von Assisi da und dort in ihrer Not erbettelten. Jene Hütte war so klein und eng, daß sie kaum sitzen oder liegen konnten. "Darob aber kam kein Murren und keine Klage über ihre Lippen, sondern sanften Herzens bewahrte ihre Seele voll Freude die Geduld" . Der heilige Franziskus prüfte täglich, ja immerfort sich und seine Brüder aufs gewissenhafteste, ließ an ihnen nichts haften, was ihnen Gefahr bringen konnte und vertrieb aus ihren Herzen alle Nachlässigkeit. -Unerbittlich in der Zucht, war er zu jeder Stunde wachsam auf der Hut. Wenn ihn nämlich, wie es zuweilen vorkommt, eine fleischliche Versuchung bedrängte, warf er sich, wenn es Winter war, in eine eisbedeckte Grube und blieb solange darin, bis jede fleischliche Anreizung verschwand. Auch die anderen folgten dem Beispiel einer solchen Abtötung mit brennendem Eifer.

43. 
Er lehrte sie nicht nur die Laster ertöten und die Begierden des Fleisches unterdrücken, sondern auch die äußeren Sinne abtöten, durch die der Tod in die Seele eingeht. Zu jener Zeit zog gerade Kaiser Otto mit viel Getöse und Pomp durch jene Gegend, um sich die Krone des irdischen Reiches zu holen ; doch weder der heilige Vater selbst, der mit den übrigen in der obengenannten Hütte wohnte, die nahe am Wege war, wo Otto vorbeizog, ging hin, um den Zug anzuschauen, noch ließ er einen Bruder hingehen. Nur einer mußte dem Kaiser eindringlichst ankündigen, daß sein Ruhm nur kurze Zeit dauern werde. - Der glorreiche Heilige war in sich versunken, wandelte in der Weite seines Herzens und bereitete Gott in sich eine würdige Wohnung. Darum merkte er nicht auf den von außen kommenden Lärm, und kein Wort konnte ihn erschüttern oder unterbrechen in der gewaltigen Aufgabe, die er in Händen hatte. Apostolischer Auftrag lebte in ihm , und deshalb weigerte er sich entschieden, Königen und Fürsten zu schmeicheln.

44. 
Er verwendete immer viel Mühe auf die heilige Einfalt und ließ die Weite des Herzens durch die Enge des Raumes nicht verengen. Deshalb schrieb er die Namen der Brüder auf die Balken der Hütte, damit jeder, wenn er beten oder ruhen wollte, seinen Platz kenne und der eng bemessene Raum die Stille des Geistes nicht störe. - Während sie nun dort weilten, kam eines Tages ein Mann, der einen Esel vor sich herantrieb, zur Hütte, wo der Mann Gottes mit seinen Gefährten weilte. Um nicht zurückgewiesen zu werden, trieb er seinen Esel an hineinzugehen und sprach: "Marsch hinein! Wir werden diesem Ort eine Wohltat erweisen." Da der heilige Franziskus dies Wort hörte, wurde er betrübt; er erkannte nämlich, was dieser Mann dachte: der Bauer glaubte, die Brüder wollten hier bleiben, um den Platz zu vergrößern und Haus an Haus zu reihen. Sofort ging der heilige Franziskus aus der Hütte und verließ sie auf das Wort des Bauers hin und begab sich an einen anderen, nicht weit von jenem entfernten Ort, der Portiunkula heißt, wo er, wie oben gesagt , die Kirche S. Maria schon lange vorher wieder hergestellt hatte. Er wollte nichts zu eigen haben, um alles vollständiger in Gott besitzen zu können.


Kapitel XVII
Wie der selige Franziskus seine Brüder beten lehrte; 
Gehorsam und Reinheit der Brüder

45. 
In der Zeit baten ihn die Brüder, er solle sie beten lehren. Denn als sie in Einfalt des Geistes wandelten, kannten sie noch nicht die kirchlichen Tagzeiten. Ihnen sagte der Heilige: "Wenn ihr betet, so sprechet: Vater unser" und: "Wir beten dich an, Christus - und in allen deinen Kirchen, die in der ganzen Welt sind, und preisen dich, weil du durch dein heiliges Kreuz die Welt erlöst hast" . - Dies suchten nun die Brüder, die Jünger des frommen Meisters, mit der größten Gewissenhaftigkeit zu beobachten; denn nicht nur das, was ihnen der selige Vater Franziskus in brüderlichem Rat oder väterlichem Befehl sagte, bemühten sie sich eifrigst zu erfüllen, sondern auch das, was er dachte und erwog, wenn sie es nur aus irgendeinem Anzeichen erkennen konnten . Der selige Vater selbst pflegte ihnen nämlich zu sagen, der wahre Gehorsam bestehe nicht allein darin, das ausgesprochene Wort zu befolgen, sondern auch den Gedanken, nicht allein den Befehl, sondern auch den Wunsch; das heißt: "Ein untergebener Bruder muß nicht nur dann, wenn er den Befehl seines Bruders Oberen vernimmt, sondern schon, wenn er nur seinen Willen erkennt, sofort rückhaltlos gehorchen und in die Tat umsetzen, was er aus irgendeinem Zeichen als dessen Willen erkennt" . - Wo darum nur immer eine Kirche stand, verneigten sie sich, auch wenn sie nicht bei der Kirche selbst waren, sondern sie nur von weitem irgendwie sehen konnten, gegen sie hin tief zur Erde und, mit Leib und Seele ihre Verehrung bezeugend, beteten sie den Allmächtigen an mit den Worten: "Wir beten dich an, Christus - und in allen deinen Kirchen", so wie der heilige Vater sie gelehrt hatte. Und, was nicht weniger zu bewundern ist, wo immer sie ein Kreuz oder das Zeichen eines Kreuzes erblickten, sei es am Boden oder an einer Wand, an Bäumen oder an Zäunen am Weg, taten sie das gleiche.

46. 
Denn so sehr hatte sie die heilige Einfalt erfüllt, so sehr war die Lauterkeit des Lebens ihre Lehrmeisterin geworden, so sehr hatte die Reinheit des Herzens von ihnen Besitz genommen, daß sie gar nichts wußten von einer Zwiespältigkeit der Gesinnung; denn wie ein Glaube, so lebte auch nur ein Geist in ihnen, ein Wille, eine Liebe, stete Eintracht der Herzen, Einklang der Sitten, Pflege der Tugend, Gleichförmigkeit im Denken und Liebe im Handeln. - Einem Weltpriester, der mit Recht sehr berüchtigt war und wegen seiner großen Verbrechen allen verachtenswert erschien, bekannten sie oft ihre Sünden. Obschon sie nun von vielen über seine Schlechtigkeit in Kenntnis gesetzt wurden, wollten sie es doch keineswegs glauben und unterließen es deswegen auch nicht, ihm ihre Sünden wie gewöhnlich zu bekennen und ihm die schuldige ehrfurchtsvolle Achtung zu erweisen . Ja, als dieser selbst oder ein anderer Priester einem Bruder eines Tages sagte: "Bruder, sieh zu, daß du kein Heuchler bist" , glaubte dieser sogleich auf das Wort des Priesters hin, er sei ein Heuchler. Darüber jammerte er Tag und Nacht in übergroßem Schmerz. Und auf die Frage seiner Brüder, was denn diese Niedergeschlagenheit und diese ungewohnte Trauer bedeuten solle, gab er zur Antwort: "Ein Priester hat mir ein solches Wort gesagt, das mich mit so großem Schmerz erfüllt, daß ich kaum an etwas anderes denken kann." Es trösteten ihn aber seine Brüder und redeten ihm zu, es doch nicht zu glauben. Er aber sagte zu ihnen: "Was redet ihr da, Brüder, es ist ein Priester, der mir das gesagt. Kann denn ein Priester lügen? Wenn also ein Priester nicht lügen kann, müssen wir glauben, daß es wahr ist, was er gesprochen hat." Und so verharrte er lange in dieser Einfalt , ließ sich jedoch zuletzt durch die Worte des hochseligen Vaters beruhigen, der ihm das Wort des Priesters erklärte und seine Absicht klug und fein entschuldigte. - Ein Bruder konnte kaum von so großer Verwirrung des Geistes befallen sein, daß nicht auf die feurige Rede des Heiligen hin jede düstere Wolke verschwand und heiterer Himmel wiederkehrte.


Kapitel XVIII
Der feurige Wagen und die Kenntnis, die der selige Franziskus 
von den abwesenden Brüdern hatte

47. 
Da die Brüder einfältig vor Gott und zuversichtlich vor den Menschen wandelten, verdienten sie damals, durch eine göttliche Offenbarung erfreut zu werden. Vom Feuer des Heiligen Geistes entflammt und gar wenig bedrückt von irdischem Kummer und lästiger Angst und Sorge, sangen sie nicht nur zu den festgesetzten Zeiten, sondern auch zu jeder beliebigen Stunde das Vater unser in der Melodie des Geistes mit flehender Stimme. Eines Nachts hatte sich der hochselige Vater Franziskus von ihnen abgesondert. Und siehe, ungefähr um Mitternacht - einige Brüder schliefen, einige aber beteten inbrünstig in der Stille - fuhr durch die Tür der Wohnstätte ein feuriger Wagen in hellstem Glanz und wandte sich zwei-, dreimal in der Behausung hin und her. Auf dem Wagen thronte eine gewaltig große Kugel, die das Aussehen einer Sonne hatte und die Nacht hell erleuchtete. Die Wachenden staunten, die Schlafenden fuhren auf und fühlten nicht weniger innere Erhellung des Herzens wie äußere des Leibes. Als sie nun auch zusammenkamen, fragten sie sich, was das zu bedeuten habe; doch da wurde durch die Kraft und Gnade eines solchen Lichtes das Gewissen des einen dem anderen offenbar. - Sie erkannten schließlich, daß es die Seele des heiligen Vaters gewesen, die in so übergroßem Glanz erstrahlte, die ob seiner vorzüglichen Reinheit und der so liebevollen Sorge um seine Söhne ein solches Gnadengeschenk von Gott zu erhalten verdiente.

48. 
Und aus deutlichen Anzeichen hatten sie es öfters ganz sicher erfahren, daß ihrem heiligen Vater ihre Herzensgeheimnisse nicht verborgen seien. Wie oft schon hat er - kein Mensch belehrte ihn, sondern der Heilige Geist offenbarte es ihm - das Tun der abwesenden Brüder erkannt, Herzensgeheimnisse aufgedeckt, die Gewissen erforscht? Wie viele hat er im Schlafe ermahnt, sie angewiesen, was sie tun, sie bewahrt vor dem, was sie nicht tun sollten! Wie vielen sagte er künftiges Unglück voraus, denen im Augenblick noch das Glück auf dem Gesichte stand! So wußte er auch bei sehr vielen voraus, daß sie von ihren Sünden lassen würden und verkündete ihnen die kommende Gnade der Rettung. Und vollends, wenn einer wegen der Reinheit und Einfalt des Geistes es verdiente, erleuchtet zu werden, erhielt er die einzigartige Tröstung seiner Erscheinung auf eine Weise, daß die anderen nichts davon merkten. - Unter anderem will ich nur ein Beispiel erzählen, das ich von zuverlässigen Zeugen erfahren habe. Bruder Johannes von Florenz war vom heiligen Franziskus zum Minister der Brüder in der Provence aufgestellt worden. Und da er in derselben Provinz das Kapitel gefeiert hatte, öffnete ihm Gott der Herr in seiner gewohnten Liebe die Tür des Wortes und machte alle Brüder zu wohlwollenden und aufmerksamen Zuhörern. Unter den Brüdern befand sich einer, ein Priester von hohem Ruf, aber noch rühmlicherem Leben, Monald mit Namen, dessen Tugend auf der Demut begründet, von häufigem Gebet unterstützt, mit dem Schilde der Geduld geschützt wurde. An diesem Kapitel nahm auch Bruder Antonius teil, dessen Sinn der Herr auftat, daß er die Schrift verstand und vor dem ganzen Volke Worte, süßer denn Honig und Honigseim , über Jesus redete. - Während er vor den Brüdern mit höchster Glut und ganz hingegeben über das Wort predigte: "Jesus von Nazareth, König der Juden" , schaute Bruder Monald zum Eingang des Hauses, in dem die Brüder versammelt waren. Dort sah er mit leiblichen Augen den seligen Franziskus in der Luft schweben und, die Hände ausgespannt wie am Kreuz, die Brüder segnen. Und allen sah man an, daß sie von der Tröstung des Heiligen Geistes erfüllt waren, und die dabei empfundene selige Freude machte ihnen hinreichend glaubwürdig, was sie über die Erscheinung und Anwesenheit des glorreichen Vaters gehört hatten .

49. 
Daß er aber die Herzensgeheimnisse anderer kannte, dafür soll von den vielen Zeugnissen, die viele mehrfach erprobt haben, nur eines, das über jeden Zweifel erhaben ist, angeführt werden. Ein Bruder, Rizerius mit Namen, edel von Geburt, noch edler in seinem Wandel, ein Freund Gottes und Verächter seiner selbst, hatte den frommen Wunsch und das sehnlichste Verlangen, die Gunst des heiligen Vaters Franziskus in vollem Maße erlangen und behalten zu können. Er fürchtete jedoch sehr, der heilige Franziskus könnte ihm aus irgendeinem geheimen Grund abhold sein und ihn so von der Gunst seiner Liebe fernhalten.

Der Bruder glaubte nämlich, gottesfürchtig wie er war, jeder, dem der heilige Franziskus mit inniger Liebe zugetan sei, der sei auch würdig, die göttliche Gnade zu verdienen. Umgekehrt aber glaubte er, daß der den Zorn des himmlischen Richters sich zuziehen werde, dem er sich nicht wohlwollend und gütig erzeige. Darüber grübelte der genannte Bruder in seinem Herzen nach, dies beredete er im stillen häufig mit sich selbst, ohne aber je einem seinen geheimen Gedanken zu eröffnen.

50. 
Als nun der selige Vater eines Tages in seiner Zelle betete und jener Bruder, von seinen gewöhnlichen Gedanken gequält, zur Niederlassung gekommen war, wußte der Heilige Gottes von seinem Kommen und erkannte, was seinen Geist beschäftigte. Darum ließ er ihn sofort zu sich rufen und sprach zu ihm: "Mein Sohn, laß dich von keiner Versuchung beunruhigen, von keinem Gedanken verbittern, denn du bist mir sehr lieb und sollst wissen, daß du unter denen, die mir vor allem teuer sind, meine Liebe und Freundschaft verdienst. Komme ruhig zu mir herein, wann du willst, und rede ganz vertraulich mit mir"! In höchstes Staunen und größte Bewunderung geriet da der genannte Bruder und, nur noch ehrfürchtiger geworden, wuchs sein Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes um so mehr, je höher er stieg in der Gunst des heiligen Vaters. - Heiliger Vater, wie schwer müssen deine Abwesenheit ertragen, die ganz und gar die Hoffnung aufgeben, auf Erden je wieder einen dir ähnlichen Vater zu finden! Komm uns, wir flehen zu dir, durch deine Fürbitte zu Hilfe, uns, die du in verderbliche Sündenschuld verstrickt siehst! Obgleich du schon erfüllt warst von dem Geiste aller Gerechten, du, der das Künftige voraussah und das Gegenwärtige wußte, trugst du doch stets das Bild heiliger Einfalt an dir, um aller Überhebung zu entkommen. - Doch wollen wir zum Vorigen zurückkehren und die geschichtliche Ordnung einhalten.


Kapitel XIX
Die Obsorge, mit der er über die Brüder wachte, 
seine Selbstverachtung und wahre Demut

51. 
So kehrte denn der selige Franziskus auch leiblich zu seinen Brüdern zurück, von denen er sich, wie gesagt , dem Geiste nach niemals trennte. In vorsichtiger und gewissenhafter Prüfung erforschte er all ihr Tun , stets von einer glücklichen Wißbegier für seine Untergebenen getrieben. Nicht ließ er's ungestraft, wenn er merkte, daß einer etwas, was weniger recht war, vollbracht hatte. Und zwar verurteilte er zuerst die Fehler des Geistes, dann erst die des Leibes, und zuletzt suchte er alle Gelegenheiten auszurotten, die den Sünden den Zugang zu öffnen pflegen. - Mit allem Eifer, aller Besorgtheit hütete er die heilige Herrin Armut . Er litt es nicht - damit ja nicht einmal Überflüssiges vorhanden sei -, daß irgendein Töpfchen im Hause verbleibt , wenn er es ohne ein solches irgendwie fertigbrachte, dem Zwang äußerster Not zu entrinnen. Unmöglich, beteuerte er, könne man einem Bedürfnis Genüge leisten, ohne dem Genusse nachzugeben. - Gekochte Speisen gönnte er sich kaum oder doch nur äußerst selten. Nahm er solche an, so mischte er sie oft entweder mit Asche, oder er tilgte den Geschmack der Würze mit kaltem Wasser aus. Wie oft wurde er, wenn er zum Predigen des Evangeliums Gottes in der Welt umherzog, von hohen Fürsten, die ihm mit bewundernder Verehrung zugetan waren, zum Mahle eingeladen! Da kostete er ein bißchen von den Fleischstücken um der Beobachtung des heiligen Evangeliums willen . Das übrige, was er zu essen den Anschein sich gab, steckte er in sein Gewand, führte aber doch die Hand zum Munde, damit niemand merken könne, was er tue. - Was soll ich gar vom Weintrinken sagen, da er, von brennendem Durste schmachtend, nicht einmal Wasser genug zu trinken sich gönnte?

52. 
Wo immer er gastlich aufgenommen war, ließ er nicht zu, daß man seine Liegestatt mit Decken oder Kleidungsstücken belegte, vielmehr nahm der nackte Boden, auf den er sein Unterkleid breitete, seine nackten Glieder auf. Wenn er bisweilen seinen schmächtigen Körper durch wohltätigen Schlaf erquickte, schlief er öfters sitzend, ohne sich sonstwie niederzulegen. Dabei benützte er als Kopfkissen ein Stück Holz oder einen Stein. - Wenn das Verlangen nach einer Speise sich regte, wie es doch natürlich ist, so ließ er sich kaum herbei, hernach davon zu kosten. Es kam einmal vor, daß er während einer schweren Krankheit ein klein wenig Hühnerfleisch aß. Als er wieder einigermaßen zu Kräften gekommen war, ging er in die Stadt Assisi. Zum Stadttor gekommen, gebot er einem Bruder, der bei ihm war, er solle ihm einen Strick um den Hals binden und ihn gleich einem Räuber durch die ganze Stadt schleppen. Dabei solle er wie ein Herold laut ausrufen: "Schaut ihn an, den Schlemmer, der sich mit Hühnerfleisch gemästet, das er ohne euer Wissen gegessen hat!" Daraufhin liefen viele Leute zu diesem so ungeheuerlichen Schauspiel herbei, und unter Tränen und wiederholten Seufzern riefen sie aus: "Wehe uns Elenden! Unser ganzes Leben lang nähren wir uns mit Fleisch, und in Schwelgerei und Trunkenheit mästen wir Herz und Leib!" So wurden sie im Herzen zerknirscht und durch solches Beispiel aufgerufen, ein besseres Leben zu führen .

53. 
Vieles dieser Art tat er oft, um sich selbst vollkommen zu verachten und die übrigen zu unvergänglicher Ehre einzuladen. Sich selbst war er gleichsam zu einem wertlosen Gefäß geworden. Mit keiner Furcht, keiner Sorge für seinen Körper belastet, gab er ihn unerschrocken Unbilden preis, damit er nicht ihm zuliebe gezwungen würde, irgend etwas Zeitliches zu begehren. - Als wahrer Verächter seiner selbst leitete er in Wort und Beispiel alle wirksam an, sich selbst zu verachten. Wie denn? Hochgeschätzt wurde er von allen und emporgehoben vom lobenden Urteil aller, nur er allein hielt sich für den Geringsten, nur er allein verachtete sich leidenschaftlich. Oft nämlich, wenn er von allen geehrt wurde, verwundete ihn übergroßer Schmerz, und um Menschengunst von seiner Türe fernzuhalten, ließ er sich zum Entgelt von irgend jemand beschimpfen. - Auch rief er einen Bruder zu sich und sprach zu ihm: "Kraft des Gehorsams gebiete ich dir, daß du mich hart beschimpfest und entgegen dem lügnerischen Gerede dieser Leute die Wahrheit sagst!" Nannte ihn dann jener Bruder, wenn auch wider seinen Willen, einen Grobian, einen Tagedieb und Taugenichts, dann lächelte er, zollte Beifall und antwortete: "Es segne dich der Herr; denn du sprichst die volle Wahrheit; es ziemt sich nämlich, daß der Sohn des Pietro de Bernardone solches höre! " Mit diesen Worten spielte er auf seine Herkunft und niedrige Abstammung an .

54. 
Um sich als ganz und gar verächtlich hinzustellen und den übrigen ein Beispiel zu geben, offen die Wahrheit zu gestehen , schämte er sich nicht, wenn er in einem Punkte fehlte, seinen Fehler in der Predigt vor allem Volke zu bekennen. Ja sogar dann, wenn ihm zufällig ein unrechter Gedanke über irgend jemand kam, oder wenn ihm zufällig ein etwas heftiges Wort entfuhr , bekannte er sofort mit aller Demut dem, von welchem er etwas Unrechtes gedacht oder gesprochen hatte, seine Sünde und bat ihn um Verzeihung. Obwohl sein Gewissen seine vollkommene Unschuld bezeugte, ließ es ihm doch keine Ruhe, bis er, mit aller Sorgsamkeit sich überwachend, die Wunde seines Herzens sanft heilte. Er wünschte in jeglicher Art guter Werke voranzuschreiten, nicht aber dafür angesehen zu werden. Deswegen floh er auf jede Weise die Bewunderung, um ja niemals der Eitelkeit zu verfallen. - Wehe uns, die dich so verloren, würdiger Vater, dich, unser Vorbild alles heiligen Wirkens und aller Demut! Ja, durch gerechtes Gericht haben wir ihn verloren, den zu erkennen wir uns keine Sorge machten, solange wir ihn hatten.


Kapitel XX
Die Sehnsucht, die ihn zum Martyrium trieb, die ihn zuerst nach Spanien, 
hierauf nach Syrien ziehen ließ.
Wie Gott durch ihn Schiffsleute durch Vermehrung 
er Nahrungsmittel aus der Gefahr befreite

55. 
Glühend von göttlicher Liebe suchte der hochselige Vater Franziskus stets Hand anzulegen an Heldentaten , und bereitwillig den Weg der göttlichen Gebote wandelnd, ging sein Wunsch dahin, den Gipfel der Vollkommenheit zu erreichen. Im sechsten Jahre seiner Bekehrung wollte er nämlich, voll flammender Sehnsucht nach dem heiligen Martyrium, nach Syrien hinüberfahren , um den Sarazenen und den übrigen Ungläubigen den christlichen Glauben zu verkünden und Buße zu predigen. Als er ein Schiff bestieg, um dorthin zu gelangen, wurde er aber infolge ungünstigen Windes mit der übrigen Schiffsbesatzung nach Slavonien verschlagen. Wie er sah, daß er um seinen heißen Wunsch betrogen sei, bat er nach kurzem Aufenthalt Schiffsleute, die nach Ancona fahren wollten, sie möchten ihn mitnehmen, da in diesem Jahre kaum mehr ein Schiff nach Syrien hinüberfahren konnte. Als sich diese hartnäckig weigerten, das zu tun, weil er die Kosten nicht bestreiten konnte, begab sich der Heilige Gottes, voll starken Vertrauens auf die Güte des Herrn, heimlich mit seinem Gefährten an Bord. Es war damals durch göttliche Vorsehung ein Mann zur Stelle, der, ohne daß es jemand wußte, die nötigen Lebensmittel bei sich hatte. Dieser rief einen gottesfürchtigen Matrosen zu sich und sprach zu ihm: "Nimm dies alles zu dir und händige es getreulich zur Zeit der Not den Armen aus, die hier im Schiffe versteckt sind!" Als nun infolge eines gewaltigen Sturmes die Schiffsleute viele Tage hindurch große Mühe hatten im Rudern und alle Vorräte aufgebraucht waren, geschah es, daß nur noch allein der für den armen Franziskus bestimmte Mundvorrat übrigblieb. - Dieser wurde durch göttliche Gnade und Kraft so vermehrt, daß er bis zum Hafen von Ancona für die Bedürfnisse aller vollauf ausreichte, obwohl die Seefahrt dorthin noch einige Tage dauerte. Als nun die Schiffsleute sahen, daß sie durch den Diener Gottes Franziskus den Gefahren des Meeres entronnen seien, dankten sie dem allmächtigen Gott, der sich immerdar in seinen Dienern wunderbar und liebenswürdig zeigt.

56. 
Der Diener Gottes des Allerhöchsten, Franziskus, ließ nun das Meer hinter sich und durchzog das Festland. Mit der Pflugschar des Wortes schürfte er es auf und streute den Samen des Lebens aus, der gesegnete Frucht hervorbrachte. Sogleich sagten nämlich sehr viele treffliche und tüchtige Männer, Geistliche wie Laien, der Welt Lebewohl, stießen den Teufel mannhaft von sich und folgten durch des Allerhöchsten Gnade und Willen Franziskus im Leben und Streben getreulich nach. - Obgleich Franziskus wie der evangelische Rebstock eine Fülle auserlesenster Früchte aus sich hervorbrachte , so erkaltete in ihm doch keineswegs sein erhabener Vorsatz und sein glühendes Verlangen nach dem Martertode. Denn schon nach kurzer Zeit machte er sich auf den Weg nach Marokko , um dem Miramamolin und seinen Leuten Christi Evangelium zu verkünden. So groß war der Eifer, der ihn vorwärts trieb, daß er manchmal seinen Reisegefährten zurückließ und trunkenen Geistes dahineilte, um sein Vorhaben auszuführen. Aber der große Gott, dem es aus lauter Güte gefiel, meiner und vieler anderer zu gedenken , widerstand ihm, als er schon bis nach Spanien gekommen war, ins Angesicht und rief ihn, damit er seinen Weg nicht weiter fortsetze, durch eine Krankheit von der begonnenen Reise zurück.

57. 
Als er nun wieder zur Kirche S. Maria von Portiunkula zurückkehrte, schlossen sich ihm kurze Zeit darauf einige gelehrte Männer und einige Adelige bereitwilligen Herzens an .- Diese behandelte er, entsprechend seiner überaus edlen und vornehm zurückhaltenden Sinnesart, ehrenvoll und würdig. Ehrfürchtig schenkte er einem jeden die ihm gebührende Achtung. Da er wirklich eine außerordentliche Unterscheidungsgabe besaß, bedachte er klug bei allen die einer jeden Stellung zukommende Würde. - Aber noch ließ es ihm keine Ruhe, mit noch größerer Begeisterung das auszuführen, wozu sein Herz in heiligem Drange ihn trieb. Im dreizehnten Jahre seiner Bekehrung zog er nämlich nach Syrien, wo täglich heldenhafte und erbitterte Kämpfe zwischen Heiden und Christen ausbrachen. Er hatte einen Gefährten mitgenommen und fürchtete sich nicht, vor das Antlitz des Sultans der Sarazenen hinzutreten. - Wer könnte schildern, mit welch aufrechter Seelenhaltung er vor ihn hintrat, mit welcher Geisteskraft er zu ihm sprach, mit welcher Beredsamkeit und Zuversicht er denen Rede und Antwort stand, die nur Hohn und Spott hatten für das christliche Gesetz? Denn ehe er zum Sultan vorgelassen wurde, nahmen ihn dessen Leute gefangen, überhäuften ihn mit Schmähungen und mißhandelten ihn mit Schlägen. Doch er ließ sich nicht abschrecken. Man stellte ihm Marterqualen in Aussicht, doch er kannte keine Furcht. Selbst als man ihm mit dem Tode drohte, erschrak er nicht. Wenn er auch von vielen, die ihm ganz und gar feindselig und ablehnend gegenüberstanden, geschmäht wurde, so wurde er dennoch vom Sultan höchst ehrenvoll empfangen. Er ehrte ihn, wie er nur konnte, und ging darauf aus, durch zahlreiche ihm dargebrachte Geschenke sein Herz den Gütern der Welt zugänglich zu machen. Als er jedoch sah, daß er mit großer Entschiedenheit alles wie Kot erachtete, wurde er von höchster Bewunderung erfüllt und betrachtete ihn wie einen Mann, der seinesgleichen auf Erden nicht hat. Seine Worte machten tiefen Eindruck auf ihn, und er hörte ihm sehr gerne zu. - Bei all dem erfüllte der Herr des Heiligen heißen Wunsch nicht, sparte ihm aber den Vorzug einer einzigartigen Gnade auf .


Kapitel XXI
Die Vogelpredigt und der Gehorsam der Geschöpfe

58. 
Während sich inzwischen, wie erwähnt wurde, viele den Brüdern beigesellten, zog der hochselige Vater Franziskus durchs Spoletotal. Er wandte sich einem in der Nähe von Bevagna gelegenen Ort zu. Dort war eine überaus große Schar von Vögeln verschiedener Arten versammelt, Tauben, kleine Krähen und andere, die im Volksmund Dohlen heißen. Als der hochselige Diener Gottes Franziskus sie erblickte, ließ er seine Gefährten auf dem Wege zurück und lief rasch auf die Vögel zu. War er doch ein Mann mit einem überschäumenden Herzen, das sogar den niederen und unvernünftigen Geschöpfen in hohem Grade innige und zärtliche Liebe entgegenbrachte. Als er schon ziemlich nahe bei den Vögeln war und sah, daß sie ihn erwarteten, grüßte er sie in gewohnter Weise . Nicht wenig aber staunte er, daß die Vögel nicht wie gewöhnlich auf- und davonflogen. Ungeheure Freude erfüllte ihn, und er bat sie demütig, sie sollten doch das Wort Gottes hören. Und zu dem Vielen, das er zu ihnen sprach, fügte er auch folgendes bei: "Meine Brüder Vögel! Gar sehr müßt ihr euren Schöpfer loben und ihn stets lieben; er hat euch Gefieder zum Gewand, Fittiche zum Fluge und was immer ihr nötig habt, gegeben. Vornehm machte euch Gott unter seinen Geschöpfen, und in der reinen Luft bereitete er euch eure Wohnung. Denn weder säet noch erntet ihr, und doch schützt und leitet er euch, ohne daß ihr euch um etwas zu kümmern braucht." Bei diesen Worten jubelten jene Vögel, wie er selbst und die bei ihm befindlichen Brüder erzählten, in ihrer Art wunderbarerweise auf und fingen an die Hälse zu strecken, die Flügel auszubreiten, die Schnäbel zu öffnen und auf ihn hinzublicken. Er aber wandelte in ihrer Mitte auf und ab, wobei sein Habit ihnen über Kopf und Körper streifte. Schließlich segnete er sie und, nachdem er das Kreuz über sie gezeichnet hatte, gab er ihnen die Erlaubnis, irgendwo anders hinzufliegen. Der selige Vater aber wandelte mit seinen Gefährten freudigen Herzens seines Weges weiter und dankte Gott, den alle Geschöpfe mit demütigem Lobpreis verehren . - Da er schon einfältig war durch die Gnade, nicht von Natur aus, so begann er sich selbst der Nachlässigkeit zu zeihen, daß er nicht früher den Vögeln gepredigt habe, da sie mit so großer Ehrfurcht das Wort Gottes anhörten. Und so geschah es, daß er von jenem Tage an alle Lebewesen, alle Vögel und alle kriechenden Tiere, sowie auch alle unbeseelten Geschöpfe eifrig ermahnte, ihren Schöpfer zu loben und zu lieben ; denn Tag für Tag konnte er aus eigener Erfahrung sich über ihren Gehorsam vergewissern, sobald er nur den Namen des Erlösers angerufen hatte.

59. 
Eines Tages begab sich Franziskus in ein Städtchen namens Alviano , um das Wort Gottes zu verkünden. Er stieg auf einen höher gelegenen Platz, damit er von allen gesehen werden konnte, und gebot Stillschweigen. Alle schwiegen und standen ehrfürchtig da, nur die zahlreichen Schwalben, die am gleichen Ort nisteten, zwitscherten weiter und machten großen Lärm. Da die Leute ihres Gezwitschers wegen den seligen Franziskus nicht verstehen konnten, wandte sich dieser an die Vögel und sprach: "Meine Schwestern Schwalben! Genug habt ihr bis jetzt geredet, nun ist es Zeit, daß auch ich einmal zu Wort komme. Vernehmet das Wort des Herrn und seid still und ruhig, bis des Herrn Rede beendet ist!" Sofort verstummten zum Staunen und zur Verwunderung aller Umstehenden die Vögel und bewegten sich nicht von jenem Platze, bis die Predigt zu Ende war. Als die Leute dieses Zeichen sahen, ergriff sie gewaltiges Staunen, daß sie riefen: "Dieser Mensch ist wahrhaftig ein Heiliger und Freund des Allerhöchsten!" Voll großer Ehrfurcht eilten sie herbei, um wenigstens seine Kleider zu berühren und lobten und priesen Gott. Und sicherlich war es wunderbar, daß selbst die unvernünftigen Geschöpfe die herzliche Zuneigung erkannten, die der Heilige gegen sie hegte, und seine zärtliche Liebe ahnten .

60. 
Als Franziskus sich einmal im Dorfe Greccio aufhielt, brachte ihm ein Bruder ein Häslein, das sich in der Schlinge gefangen hatte und noch lebte. Als der Selige es sah, sprach er liebevoll: "Bruder Häslein, komm her zu mir! Warum hast du dich so überlisten lassen?" Da ließ es der Bruder, der es hielt, frei, und sogleich flüchtete es zum Heiligen. Und ohne daß es jemand dazu nötigte, ruhte es in seinem Schoß, als wäre das der sicherste Platz. Nachdem es dort ein Weilchen geruht hatte, streichelte es der heilige Vater mit mütterlicher Zärtlichkeit und wollte es dann laufen lassen, damit es frei in den Wald zurückkehre. Oftmals setzte es der Heilige auf den Boden; doch jedesmal sprang es wieder in seinen Schoß zurück. Da befahl er schließlich den Brüdern, sie sollten das Häslein in den nahen Wald bringen . - Als er auf einer Insel des Sees von Perugia weilte, widerfuhr ihm etwas Ähnliches mit einem Kaninchen, einem sonst doch ganz scheuen Tierchen.

61. 
Die gleiche Liebe und Zärtlichkeit hegte er auch gegen die Fische, die er, wenn sich ihm Gelegenheit bot, nach dem Fange wieder lebendig ins Wasser warf mit der Mahnung, sie sollten sich hüten, daß sie nicht ein zweites Mal gefangen würden. - Als er nämlich eines Tages auf dem See von Rieti in der Nähe eines Hafenplatzes in einem Schifflein saß, fing ein Fischer gerade einen großen Fisch von der Art, die im Volksmund Schleie heißt, und bot ihn von Herzen dem Heiligen an. Heiter und freundlich nahm dieser den Fisch und begann ihn Bruder zu nennen. Und er setzte ihn außerhalb des Schiffleins ins Wasser und fing an, mit Hingabe den Namen des Herrn zu preisen. Und jener Fisch spielte eine Zeitlang, nämlich solange Franziskus im Gebete verharrte, neben dem Schifflein im Wasser und wich nicht von der Stelle, wo er ihn hingesetzt hatte, bis der Heilige Gottes nach Beendigung seines Gebetes ihm die Erlaubnis gab wegzuschwimmen . - So erlangte der glorreiche Vater Franziskus, weil er selbst auf dem Wege des Gehorsams wandelte und das Joch der Unterwerfung unter den göttlichen Willen vollkommen auf sich nahm, von Gott die hohe Auszeichnung, daß ihm die Geschöpfe gehorsam waren. - Wasser verwandelte sich ihm in Wein, als er einmal in der Einsiedelei S. Urbano an einer schweren Krankheit daniederlag. Als er davon kostete, genas er so rasch, daß alle glaubten, Gott habe ein Wunder gewirkt, wie es auch wirklich war . - Und in Wahrheit muß der ein Heiliger sein, dem die Geschöpfe so gehorchen und auf dessen Wink hin selbst die Elemente sich verwandeln und zu anderem gebrauchen lassen.

Kapitel XXII
Seine Predigt bei Ascoli, und wie durch Gegenstände, 
die er mit der Hand berührt hatte, 
sogar in seiner Abwesenheit Kranke gesund gemacht wurden

62. 
In jener Zeit, da wie erwähnt , der ehrwürdige Vater Franziskus den Vögeln predigte, kam er auf seiner Wanderung durch Städte und Dörfer, wo er überall segenbringenden Samen ausstreute, auch in die Stadt Ascoli . Als er dort in gewohnter Weise mit feuriger Begeisterung das Wort Gottes verkündete, wurde durch eine von der Hand des Allerhöchsten bewirkte Umwandlung beinahe das ganze Volk von so großer Gnade und Hingabe erfüllt, daß alle in begierigem Verlangen ihn zu sehen und zu hören, sich gegenseitig traten . Auch empfingen damals dreißig Männer, Geistliche und Laien, von ihm selbst das heilige Ordenskleid. So groß war der Glaube der Männer und Frauen, so groß die Ehrerbietung gegen den Heiligen Gottes, daß sich glücklich pries, wer nur wenigstens sein Kleid hatte berühren können. Wenn er irgendeine Stadt betrat, freute sich der Klerus, läuteten die Glocken, frohlockten die Männer und mit ihnen freuten sich die Frauen , die Kinder klatschten fröhlich in die Hände, brachen oftmals Zweige von den Bäumen und zogen ihm singend entgegen. - Zuschanden wurde ketzerische Bosheit, der Glaube der Kirche triumphierte und, indes die Gläubigen jubilierten, versteckten sich die Ketzer. Denn an ihm wurden so große Zeichen der Heiligkeit offenbar, daß niemand ihm mit Worten zu widerstehen wagte, da die große Menge des Volkes nur allein auf ihn schaute. Er hielt dafür, daß bei allem und vor allem der Glaube der heiligen Römischen Kirche zu erhalten, zu verehren und zu befolgen sei; denn in ihm allein bestehe das Heil für alle, die zu retten seien. Er verehrte die Priester , und jeden kirchlichen Stand umfing er mit überaus großer Liebe.

63. 
Die Leute pflegten ihm Brot zu bringen, damit er es segne. Dies bewahrten sie dann lange Zeit auf, und wenn sie davon aßen, wurden sie von verschiedenartigen Krankheiten geheilt . - Oftmals schnitten auch die Leute in ihrem starken Glauben und Vertrauen Stücke von seinem Habit ab, so daß er einmal beinahe nichts mehr am Leibe hatte. Und, worüber man sich noch mehr wundern muß, wenn der heilige Vater einen Gegenstand mit der Hand berührte, so wurde dadurch auch manchen die Gesundheit wiedergegeben. - Als für eine schwangere Frau, die im Gebiete von Arezzo ein kleines Haus bewohnte, die Zeit gekommen war, da sie gebären sollte, litt sie mehrere Tage Geburtswehen. So schwebte sie, von unglaublichen Schmerzen gepeinigt, zwischen Leben und Tod. Nun hatten ihre Nachbarn und Verwandten gehört, daß der selige Franziskus auf seinem Wege zu einer Einsiedelei hier vorbeikommen werde. Wie sie nun warteten, fügte es sich, daß der selige Franziskus auf einem anderen Wege zu dem genannten Ort zog. Er war nämlich geritten, weil er schwach und krank war. Als er an dem Ort angekommen war, schickte er das Pferd durch einen Bruder, namens Petrus, dem Manne zurück, der es ihm um der Liebe willen zur Verfügung gestellt hatte. Bruder Petrus, der das Pferd zurückbrachte, schlug nun den Weg ein, der ihn an dem Hause vorbeiführte, in dem die Frau in Wehen lag. Sobald ihn die Leute dort erblickten, liefen sie eilig auf ihn zu im Glauben, es sei der selige Franziskus. Als sie jedoch erkannten, daß er es nicht sei, befiel sie große Traurigkeit. Schließlich begannen sie sich gegenseitig zu fragen, ob man nichts finden könne, das der selige Franziskus mit seiner Hand berührt hätte. Endlich nach langem Suchen fanden sie die Zügelriemen, die er selbst beim Reiten in der Hand gehalten hatte. Sie nahmen also dem Pferd, auf dem der heilige Vater gesessen, den Zaum aus dem Maul und legten die Zügel, die er mit eigenen Händen geführt hatte, der Frau auf. Da schwand alsbald die Gefahr, und sie gebar mit Freude und war wohlauf .

64. 
Walfried, ein frommer Mann, der in Città della Pieve wohnte und mit seinem ganzen Hause Gott fürchtete und ihm diente , besaß einen Strick, mit dem der selige Franziskus manchmal umgürtet war. Es geschah aber, daß in jener Gegend viele Männer und nicht wenige Frauen an verschiedenen Krankheiten und Fiebern litten. Der eben genannte Mann ging in die Häuser der Kranken und gab den Leidenden Wasser zu trinken, in das er den Strick getaucht oder einige Fäden gemischt hatte, und so erlangten in Christi Namen alle die Gesundheit wieder255. - Diese Heilungen aber geschahen in Abwesenheit des seligen Franziskus, ja noch viel mehr als diese. Doch der längste Bericht würde nicht genügen, wollte ich sie auch nur einigermaßen aufführen. Von den Wundern jedoch, die der Herr, unser Gott, durch seine Gegenwart zu wirken sich gewürdigt hat, möchten wir einige wenige kurzgefaßt in dieses Werk einflechten.


Kapitel XXIII
Wie er in Toscanella einen Lahmen und in Narni einen Gichtbrüchigen heilte

65. 
Als einmal der Heilige Gottes Franziskus entlegene und verschiedene Gegenden durchwanderte, um das Reich Gottes zu verkünden, kam er in eine Stadt namens Toscanella . Als er dort in gewohnter Weise den Samen des Lebens ausstreute, nahm ihn ein Ritter derselben Stadt gastlich auf, dessen einziger Sohn gelähmt und am ganzen Körper kraftlos war. Dieser hatte, wenn er auch dem Alter nach ein kleiner Knabe war, die Jahre der Entwöhnung doch schon überschritten. Aber er lag bis jetzt immer noch in der Wiege. Als nun der Vater des Knaben die große Heiligkeit des Gottesmannes sah, warf er sich ihm demütig zu Füßen und bat ihn um die Heilung seines Sohnes. Franziskus aber hielt sich einer solchen Macht und Gnade für ganz und gar unwert und weigerte sich lange, dies zu tun. Schließlich ließ er sich durch das beharrliche Bitten jenes Mannes erweichen und, nachdem er ein Gebet gesprochen, legte er dem Knaben die Hand auf, gab ihm den Segen und richtete ihn auf. Im Namen unseres Herrn Jesus Christus erhob sich dieser sogleich heil vor den Augen und unter dem Jubel aller und fing an, überall im Hause herumzulaufen .

66. 
Einmal kam der Mann Gottes Franziskus nach Narni , wo er mehrere Tage verweilte. Ein Bewohner dieser Stadt, namens Petrus, lag gichtbrüchig zu Bette. Schon fünf Monate lang war er so sehr des Gebrauches aller seiner Glieder beraubt, daß er überhaupt nicht aufstehen, noch sich auch nur einigermaßen bewegen konnte. Füße, Hände und Kopf versagten ihm den Dienst, nur die Zunge vermochte er zu bewegen und seine Augen zu öffnen. Als er hörte, daß der heilige Franziskus nach Narni gekommen sei, schickte er einen Boten zum Bischof der Stadt, er möge sich um der Liebe Gottes willen herablassen, den Diener Gottes des Allerhöchsten zu ihm zu senden; denn er hatte das Vertrauen, er werde durch dessen Anblick und Gegenwart von seiner Krankheit, die ihn darniederhielt, geheilt werden. Und also geschah es. Der selige Franziskus ging zu ihm hin und zeichnete über ihn ein Kreuz vom Kopf bis zu den Füßen. Sofort wich die ganze Krankheit, und die frühere Gesundheit war ihm wiedergegeben .

Kapitel XXIV
Wie er einer blinden Frau das Augenlicht wiedergab 
und in Gubbio eine andere, die gelähmt war, heilte

67. 
Einer Frau aus der obengenannten Stadt, die mit Blindheit geschlagen war, machte der selige Franziskus das Kreuzzeichen über die Augen, und sofort erhielt sie das ersehnte Augenlicht wieder. - In Gubbio war eine Frau, der beide Hände gelähmt waren, so daß sie nichts mit ihnen arbeiten konnte. Als diese erfahren hatte, der heilige Franziskus sei in die Stadt gekommen, eilte sie sofort zu ihm. Mit traurigem Gesicht und kummervoller Miene zeigte sie ihm ihre gelähmten Hände und fing an, ihn zu bitten, er möge sich herablassen, sie zu berühren. Und von Mitleid gerührt, berührte er ihre Hände und heilte sie. Sofort kehrte die Frau voll Freude nach Hause zurück, machte mit ihren eigenen Händen einen Käsekuchen und bot ihn dem Heiligen an. Der aber nahm freundlich ein Stückchen davon. Den Rest gebot er der Frau mit ihrer Familie zu essen .


Kapitel XXV
Wie er einen Bruder von der Fallsucht oder von einem Dämon befreite, 
und wie er in S. Gemini eine Besessene befreite

68. 
Ein Bruder litt häufig an einer schweren, schrecklich anzusehenden Krankheit. Wie ich sie nennen soll, weiß ich nicht, da verschiedene glaubten, es sei ein böser Geist gewesen. Oftmals wurde er ganz zu Boden geworfen und, mit jammervollem Blick umherschauend, wälzte er sich schäumend. Bald zogen sich seine Glieder zusammen, bald reckten sie sich auseinander, bald waren sie verkrampft und gekrümmt, bald steif und starr. Zuweilen, wenn er ganz ausgestreckt und steif war, schnellte er mit Kopf und Füßen zugleich mannshoch in die Luft, um dann plötzlich wieder auf die Erde zu fallen. Den heiligen Vater Franziskus jammerte dessen schweres Leiden, und er ging zu ihm. Nachdem er ein Gebet gesprochen, bezeichnete er ihn mit dem Kreuzzeichen und sprach den Segen über ihn. Da wurde dieser plötzlich gesund und hatte später nicht im geringsten mehr unter irgendwelchen Beschwerden, die von dieser Krankheit herrührten, zu leiden .

69. 
Als der selige Vater Franziskus eines Tages die Diözese Narni durchzog, kam er in ein Städtchen namens S. Gemini , wo er die Frohbotschaft vom Reiche Gottes verkündete. Er wurde von einem frommen und gottesfürchtigen Mann, der in jener Gegend einen recht guten Ruf hatte, mit drei Brüdern gastlich aufgenommen. Seine Frau aber wurde von einem bösen Geist gequält. Das war allen Bewohnern jener Gegend bekannt. Der Mann bat nun den seligen Franziskus für sie, im Vertrauen, daß sie durch dessen Verdienste befreit werden könne. Da dieser sich jedoch in seiner Einfalt mehr nach Verachtung sehnte als danach, durch den Glanz seiner Heiligkeit in der Gunst dieser Welt zu steigen , weigerte er sich entschieden, das zu tun. Weil es sich aber um eine Sache Gottes handelte und ihn viele baten, ließ er sich schließlich durch die Bitten erweichen. Er rief auch die drei Brüder zu sich, die ihn begleiteten, stellte in jeder Ecke des Hauses einen auf und sprach zu ihnen: "Laßt uns für diese Frau zum Herrn beten, Brüder, damit Gott zu seiner Ehre und Verherrlichung das Joch des Teufels von ihr nehme. Laßt uns", so fuhr er fort, "getrennt voneinander in den Ecken des Hauses stehen, damit jener böse Geist uns nicht entkommen oder uns täuschen kann, indem er Schlupfwinkel aufsucht." Nach Beendigung des Gebetes begab sich der selige Franziskus in der Kraft des Geistes zu der Frau, die sich zum Erbarmen krümmte und fürchterlich schrie, und sprach: "Im Namen unseres Herrn Jesus Christus befehle ich dir im Gehorsam, böser Geist, fahre aus von ihr und wage es nicht, sie weiter zu belästigen!" Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, da fuhr dieser so schnell unter Wutgebrüll aus, daß der heilige Vater wegen der plötzlichen Heilung der Frau und wegen des blitzschnellen Gehorsams des bösen Geistes glaubte, es sei ihm ein Spott angetan worden. Schamrot verließ er sofort den Ort. Es war dies eine Fügung der göttlichen Vorsehung, damit er sich nicht irgendwie eitel rühmen könne. - Als nun der selige Franziskus ein andermal in Begleitung des Bruders Elias durch das gleiche Städtchen kam, machte sich die Frau, sobald sie von seiner Ankunft erfuhr, sofort auf, lief ihm auf der Straße nach und rief hinter ihm her, er möge sich doch herablassen, mit ihr zu sprechen. Er jedoch wollte nicht mit ihr sprechen, da er wußte, daß sie die Frau sei, aus der er einstmals durch göttliche Kraft einen bösen Geist ausgetrieben hatte. Die Frau aber küßte seine Fußspuren und dankte Gott und seinem Diener, dem heiligen Franziskus, der sie aus der Gewalt des Todes gerettet hatte. Schließlich, als Bruder Elias mit Bitten in ihn drang, sprach er doch mit ihr, nachdem viele ihm die Krankheit und ihre Heilung bestätigt hatten, so wie ich berichtet habe.


Kapitel XXVI
Wie der Heilige auch in Città di Castello einen Dämon austrieb

70. 
Auch in Città di Castello war eine Frau von einem bösen Geist besessen. Als der hochselige Vater Franziskus in dieser Stadt weilte, brachte man die Frau zu dem Hause, in dem er sich aufhielt. Die Frau aber begann, draußen vor dem Hause mit den Zähnen zu knirschen, ihr Gesicht verzerrte sich, und sie erhob ein entsetzliches Geschrei, wie es bei unreinen Geistern gewöhnlich der Fall ist. Es kamen viele Leute beiderlei Geschlechtes aus jener Stadt und baten den heiligen Franziskus für jene Frau. Denn schon seit langem hatte der böse Geist sie gequält und gefoltert und durch ihr Schreien die Bittsteller selbst belästigt. Der heilige Vater schickte nun den Bruder, der bei ihm war, zur Frau, um festzustellen, ob es sich wirklich um einen bösen Geist oder nur um eine Täuschung der Frau handle. Sobald diese seiner ansichtig wurde, fing sie an, ihn zu verlachen; denn sie wußte, daß es nicht der heilige Franziskus sei. Der heilige Vater war drinnen und betete. Nachdem er das Gebet beendigt hatte, ging er hinaus. Nun begann die Frau zu zittern und sich auf der Erde hin- und herzuwälzen, unfähig, seine Macht zu ertragen. Da rief sie der heilige Franziskus zu sich und sprach: "In Kraft des Gehorsams befehle ich dir, unreiner Geist, fahre aus von ihr!" Sogleich verließ er sie ohne die geringste Schädigung, wenn er sich auch höchst unwillig entfernte . - Dank sei dem allmächtigen Gott, der alles in allem wirkt! Doch wir haben uns nicht vorgenommen, Wunder zu erzählen, die ja die Heiligkeit nicht ausmachen, sondern nur bekunden; vielmehr ist es unsere Absicht, sein vortreffliches Leben und seinen ganz lauteren Wandel aufzuzeigen. Daher wollen wir die Wunder wegen ihrer übergroßen Fülle übergehen und uns wieder seinem Wirken für das ewige Heil zuwenden.


Kapitel XXVII
Die Klarheit und Beständigkeit seines Geistes 
und seine Predigt vor dem Herrn Papst Honorius.
Wie der Heilige sich und seine Brüder dem Herrn Hugo, 
dem Bischof von Ostia, anvertraute

71. 
Der Gottesmann Franziskus war belehrt worden, nicht das Seine zu suchen , sondern das, was in seinen Augen vor allem das Heil des Nächsten förderte . Über alles jedoch hegte er den Wunsch, aufgelöst zu werden und bei Christus zu sein . Daher ging sein höchstes Streben dahin, von allem, was in der Welt ist, losgeschält zu sein, damit die heitere Ruhe seines Geistes auch nicht eine Stunde lang durch Berührung mit etwas, was nur Staub ist, gestört werde. Gegen jede Störung von außen machte er sich unempfindlich, zügelte mit ganzer innerster Kraft und überall seine äußeren Sinne, beherrschte seine Gemütsbewegung, um für Gott allein frei zu sein. In Felsenklüften nistete er, und in Steinhöhlen war sein Aufenthalt . In wahrhaft seliger Hingegebenheit verkehrte er in den himmlischen Wohnungen und er, der sich ganz entäußert hatte , ruhte desto länger in den Wunden des Erlösers. Er wählte deshalb häufig einsame Orte, um sein Sinnen ganz auf Gott richten zu können; doch verdroß es ihn nicht, wenn er einen günstigen Zeitpunkt gekommen sah, sich mit Geschäften zu befassen und sich mit Freuden dem Heile des Nächsten zu widmen. - Seine sicherste Zufluchtsstätte war das Gebet. Dieses aber dauerte nicht nur einen kurzen Augenblick, war nicht eitel oder vermessen, sondern währte lange Zeit, war voll Hingabe und wohlgefällig ob der Demut; wenn er am Abend mit dem Gebete begann, konnte er es kaum am Morgen beschließen. Beim Gehen und Sitzen, beim Essen und Trinken, war er dem Gebete hingegeben. In verlassenen und einsamen Kirchen brachte er oft allein die Nacht im Gebete zu, und hier überwand er unter dem Schutz der göttlichen Gnade viele Schrecknisse und viele Beängstigungen der Seele .

72. 
Handgemein mußte er im Kampf mit dem Teufel werden. Dieser schlug ihn nämlich an derlei Orten nicht bloß innerlich mit Versuchungen, sondern schreckte ihn auch äußerlich dadurch, daß er etwas zerstörte oder umstieß. Aber der tapfere Gottesheld wußte, daß sein Herr überall alles vermag, und ließ sich durch keine Schrecknisse stören, sondern sprach in seinem Herzen: "Du Bösewicht kannst die Waffen deiner Bosheit gegen mich nicht stärker schleudern, als wenn wir uns in der Öffentlichkeit vor allen Menschen befänden!"

Er war in Wahrheit außerordentlich standhaft und allein auf das bedacht, was des Herrn war. Wenn er gar oft unter vielen Tausenden von Menschen das Wort Gottes predigte, war er so sicher, als wenn er mit einem vertrauten Gefährten redete. Die größte Volksmenge betrachtete er wie einen einzigen Mann, und einem einzelnen predigte er so gewissenhaft wie einer großen Menge. Die Reinheit seiner Gesinnung war es, die ihm die Sicherheit im Vortrag seiner Predigt gab und, ohne vorher darüber nachzudenken, wußte er allen Wunderbares und Niegehörtes zu sagen. Wenn er aber einmal seine Predigt durch Nachsinnen zuvor zurechtlegte, so konnte er sich vor dem versammelten Volke bisweilen nicht mehr an das, was er überlegt hatte, erinnern und wußte auch nichts anderes zu sagen. Doch ohne Erröten gestand er dann dem Volke, er habe sich zwar vieles zuvor zurechtgelegt, könne sich aber an gar nichts mehr erinnern. Und nun wurde er plötzlich von solcher Beredsamkeit erfüllt, daß er seine Zuhörer zur Bewunderung hinriß. Wenn er aber einmal nichts zu reden wußte, erteilte er den Segen und entließ die Volksscharen, denen dadurch allein eine eindringliche Predigt gehalten ward.

73. 
Als Franziskus einmal einer Ordensangelegenheit halber nach Rom kam, erfaßte ihn brennendes Verlangen, vor Papst Honorius und den ehrwürdigen Kardinälen zu sprechen. Darüber wurde Herr Hugo , der ruhmreiche Bischof von Ostia, der den Heiligen Gottes mit einzigartiger Liebe verehrte, von Furcht und Freude zugleich erfüllt, indem er den glühenden Eifer des Heiligen bewunderte und auf seine Einfalt und Reinheit28l sah. Aber er vertraute auf die Barmherzigkeit des Allmächtigen, die denen, welche ihn kindlich verehren, zur Zeit der Not niemals fehlt, und führte ihn vor den Papst und die hochwürdigen Kardinäle. Als er nun vor diesen erlauchten Fürsten stand und Erlaubnis und Segen erhalten hatte, begann er ohne Zittern und Zagen zu reden. Und er sprach mit solch feuriger Begeisterung, daß er vor Freude nicht mehr an sich halten konnte; während er seine Worte aussprach, bewegte er die Füße wie zum Tanze, nicht aus Übermut, sondern weil er vom Feuer der göttlichen Liebe gleichsam glühte, und darum reizte er auch die Zuhörer nicht zum Lachen, sondern erzwang tiefen inneren Schmerz. Staunend über die Gnade Gottes und den großen Freimut des Mannes wurden ihrer viele im Herzen zerknirscht . Der ehrwürdige Herr Bischof von Ostia aber schwebte in Furcht und betete aus tiefstem Herzen zum Herrn, man möchte doch die Einfalt des seligen Mannes nicht verachten; denn auf ihn fiel die Ehre oder Schande des Heiligen zurück, weil er ja als Vater über dessen Familie gesetzt war .

74. 
An ihm hing nämlich der heilige Franziskus wie ein Sohn an seinem Vater und wie das einzige Kind an seiner Mutter; sorglos schlief und ruhte er an seinem liebenden Busen. Gewiß nahm er die Stelle eines Hirten ein und erfüllte dessen Aufgabe; den Namen des Hirten aber hatte er dem heiligen Manne selbst überlassen. Der selige Vater sah vor, was nötig war, doch jener gepriesene Herr setzte das Vorgesehene in die Tat um. Wie viele bereiteten, besonders am Anfang, als dies geschah, der jungen Ordenspflanzung Nachstellungen, um sie zu verderben! Wie viele trachteten darnach, den auserlesenen Weinberg , den die Hand des Herrn so huldvoll neu in die Welt pflanzte, zu ersticken! Wie viele gingen darauf aus, seine ersten und reinsten Früchte zu stehlen und zu verzehren! Doch diese alle sind durch das Schwert des hochwürdigen Vaters und Herrn gefallen und zunichte geworden . Er war nämlich ein Quell der Beredsamkeit, eine Mauer der Kirche, ein Verfechter der Wahrheit und ein Freund der Demütigen. - Gesegnet sei darum und denkwürdig jener Tag, an dem der Heilige Gottes einem so ehrwürdigen Herrn sich anvertraute. Als dieser nämlich einmal, wie es oft vorkam, als Legat des Apostolischen Stuhles in Toscana weilte , kam der selige Franziskus, der damals noch nicht viele Brüder hatte und eben nach Frankreich289 gehen wollte, nach Florenz, wo sich der genannte Bischof gerade aufhielt. Noch war der eine mit dem andern nicht durch besondere Freundschaft verbunden, sondern einzig der Ruf eines heiligmäßigen Lebens hatte das Band einer gegenseitigen und herzlichen Liebe um sie geschlungen.

75. 
Da aber der selige Franziskus ohnehin, wenn er eine Stadt oder ein Land betrat, zu den Bischöfen oder Priestern zu gehen pflegte, stellte er sich, als er von der Anwesenheit des hohen Kirchenfürsten hörte, mit großer Ehrfurcht Seiner Gnaden vor. Als ihn der Herr Bischof sah, nahm er ihn mit herablassender Liebe auf. So erzeigte er sich stets gegen alle, die dem heiligen Ordensstand angehörten, und vor allem gegen diejenigen, die das edle Banner der seligen Armut und der heiligen Einfalt trugen. Und weil er darauf bedacht war, der Not der Armen abzuhelfen und ihre Angelegenheiten besonders eingehend zu behandeln, forschte er sorgfältig nach dem Grund seines Kommens und nahm mit großem Wohlwollen Kenntnis von seinem Vorhaben. Als er sah, daß Franziskus mehr als andere Menschen alles Irdische verachtete und von jenem Feuer glühte, das Jesus auf die Erde gesandt , schloß sich von Stunde an Seele mit Seele innigst zusammen ; er bat demütig um sein Gebet und bot ihm bereitwilligst seinen Schutz in allen Angelegenheiten an. Er mahnte ihn sodann, die begonnene Reise nicht durchzuführen, sondern sorgsam auf die Betreuung und den Schutz der ihm von Gott dem Herrn Anvertrauten achtzuhaben. Als aber der heilige Franziskus den frommen Sinn, die liebevolle Zuneigung und die wirksame Redeweise des so hochwürdigen Herrn bemerkte, empfand er eine überaus große Freude, warf sich ihm schließlich zu Füßen und stellte sich und seine Brüder in ergebener Gesinnung ihm ganz und gar anheim .


Kapitel XXVIII
Der Geist der Liebe und sein herzliches Mitleid gegen die Armen, 
und was er mit dem Schaf und dem Lämmlein tat

76. 
Der Vater der Armen , der arme Franziskus, der sich allen Armen gleichförmig machte, konnte es nicht sehen, daß jemand noch ärmer war als er , nicht aus Verlangen nach eitlem Ruhm, sondern nur infolge herzlichen Mitleids. Und obwohl er sich selbst nur mit einem ganz armseligen und rauhen Habit zufrieden gab , so wünschte er doch oftmals, ihn mit einem Armen zu teilen . - Damit er aber als Armer, der doch überreich war, in seiner großen, innigen Liebe den Armen irgendwie zu Hilfe kommen könne, erbettelte er sich von den Reichen dieser Welt zu Zeiten großer Kälte einen Mantel oder Pelzstücke. Wenn diese voll Ergebenheit und mit noch größerer Bereitwilligkeit auf seine Bitten eingingen, als es der hochselige Vater von ihnen verlangte, sagte er zu ihnen: "Ich möchte das von euch in der Absicht erhalten, daß ihr es keineswegs je wieder zurückerwartet." Und den Armen, der ihm zuerst begegnete, bekleidete er voll Freude und Jubel mit dem, was er erhalten hatte . - Tiefen Kummer empfand er, wenn er sah, daß man einem Armen Vorwürfe machte, oder wenn er jemand gegen irgendein Geschöpf ein Wort des Fluches ausstoßen hörte . Einmal fuhr ein Bruder gegen einen Armen, der um ein Almosen bat, mit den Scheltworten los: "Vielleicht bist du sogar ein reicher Mann und stellst dich nur so, als ob du arm wärest!" Als der heilige Franziskus, der Vater der Armen, dies hörte, wurde er sehr betrübt, schalt den Bruder gar heftig wegen seiner Worte und hieß ihn vor dem Armen sein Kleid ausziehen, seine Füße küssen und ihn um Verzeihung bitten . Er sagte nämlich: "Wer einen Armen schmäht, beleidigt Christus, dessen edles Abzeichen jener trägt; denn er hat sich um unsertwillen arm gemacht in dieser Welt" ! - Deshalb half er wiederholt, wenn er Arme traf, die mit Holz oder anderen Lasten beladen waren, ihnen mit seinen eigenen, wenn auch recht schwachen Schultern tragen, um jenen einen Dienst zu erweisen.

77. 
Franziskus strömte über vom Geist der Liebe. Er trug herzliches Erbarmen nicht nur mit notleidenden Menschen, sondern auch mit den stummen, vernunftlosen Tieren, mit dem, "was da kreucht und fleucht", und allen anderen beseelten und unbeseelten Geschöpfen . Unter allen Arten der Tiere aber war er mit besonderer Liebe und großer Zärtlichkeit den Lämmlein zugetan, weil die Demut unseres Herrn Jesus Christus in der Heiligen Schrift häufig mit der eines Lammes verglichen und passend damit in Verbindung gebracht wird . So umfing er auch alles andere, besonders wenn er darin eine sinnbildliche Ähnlichkeit mit dem Sohne Gottes finden konnte, mit großer Liebe und sah es mit noch größerer Freude. - Einmal befand er sich auf einer Reise durch die Mark Ancona. Er hatte in selbiger Stadt gerade das Wort des Herrn verkündet und setzte mit Herrn Paulus , den er als Minister über alle Brüder in dieser Provinz gesetzt hatte, seine Reise gen Osimo304 fort. Da traf er auf dem Felde einen Hirten, der eine Herde Ziegen und Böcke weidete. Unter der Menge der Ziegen und Böcke befand sich ein Lämmlein, das ganz demütig dahinzog und ruhig weidete. - Als es der selige Franziskus sah, blieb er stehen und, von tiefem innerem Schmerz erfaßt, seufzte er laut und sprach zu dem Bruder, der ihn begleitete: "Siehst du dort nicht das Lamm, das unter diesen Ziegen und Böcken so sanft einhergeht? Ebenso sage ich dir, wandelte unser Herr Jesus Christus sanftmütig und demütig zwischen Pharisäern und Hohenpriestern. Ich bitte dich deshalb bei seiner Liebe 305, mein Sohn, teile mit mir das Mitleid mit diesem Lämmlein! Wir wollen einen Lösepreis dafür bezahlen und es aus der Mitte dieser Ziegen und Böcke hinwegführen!"

78. 
Bruder Paulus bewunderte seinen Schmerz und begann, auch seinerseits tiefes Mitleid zu empfinden. Sie hatten nichts als den wertlosen Habit, mit dem sie bekleidet waren, und so gerieten sie wegen der Bezahlung des Lösegeldes in Sorge. Da kam gerade ein Kaufmann des Weges und bot ihnen das gewünschte Geld an. Die beiden aber dankten Gott, nahmen das Lamm und kamen nach Osimo. Hier begaben sie sich zum Bischof dieser Stadt, von dem sie mit großer Ehrfurcht aufgenommen wurden. Doch der Herr Bischof wunderte sich über das Lamm, das der Gottesmann mit sich führte, und über die Liebe, die er gegen dasselbe hegte. Als aber der Diener Christi vor ihm eine lange Gleichnisrede über das Lamm gehalten hatte, da wurde der Bischof über die Reinheit des Gottesmannes im Herzen gerührt und dankte Gott. - Als Franziskus am folgenden Tag die Stadt verließ und darüber nachsann, was er mit dem Lamm anfangen solle, ließ er es auf den Rat seines Begleiters und Bruders in einem Kloster der Dienerinnen Christi bei S. Severino unterbringen. Und die ehrwürdigen Mägde Christi nahmen das Lämmlein mit Freuden auf, gleich als ob sie ein großes Geschenk von Gott erhalten hätten. Sie hüteten es lange Zeit mit großer Sorgfalt und webten von seiner Wolle einen Habit, den sie dem seligen Vater Franziskus zur Zeit eines Kapitels nach S. Maria von Portiunkula schickten. Der Heilige Gottes nahm ihn mit großer Ehrfurcht und hoher Freude entgegen, ergriff ihn, küßte ihn und lud alle Umstehenden ein, sich mit ihm zu freuen.

79. 
Als ihn ein andermal sein Weg durch eben diese Mark führte und ihn wieder dieser Bruder frohen Sinnes begleitete, begegnete er einem Mann, der zwei Lämmlein, die an einen Strick gebunden waren, auf der Schulter zum Markte trug, um sie dort zu verkaufen. Als nun der selige Franziskus die Lämmer blöken hörte, ward sein Herz von Erbarmen bewegt, er trat herzu, streichelte sie und bekundete ihnen herzliches Mitleid wie eine Mutter ihrem weinenden Kinde. Und er sprach zu dem Mann: "Warum bindest du so meine Brüder, die Lämmer, hängst sie auf und quälst sie?" Der aber entgegnete: "Ich trage sie zum Markt, um sie zu verkaufen; ich brauche notwendig Geld." Und der Heilige fragte: "Was wird hernach mit ihnen geschehen?" Darauf jener: "Die Käufer werden sie schlachten und essen." "Das sei ferne", erwiderte der Heilige, "das soll nicht geschehen! Nimm statt des Geldes den Mantel, den ich trage, und überlasse mir die Lämmer!" Freudigen Herzens gab der Mann ihm die Lämmlein und nahm dafür den Mantel; denn er war weitaus wertvoller. Der Heilige hatte ihn erst an jenem Tage von einem treuergebenen Manne geliehen, um sich vor der Kälte zu schützen. Nachdem der Heilige die Lämmlein erhalten hatte, überlegte er bei sich, was er mit ihnen anfangen solle. Er fragte auch den ihn begleitenden Bruder um Rat und gab sie dann in die Obsorge jenes Mannes zurück mit dem Auftrag, sie nie mehr zu verkaufen und ihnen kein Leid mehr anzutun, sondern sie sorgfältig zu erhalten, zu nähren und zu hüten.

Kapitel XXIX
Die Liebe, die er um des Schöpfers willen zu allen Geschöpfen trug, 
und die Beschreibung seines inneren und äußeren Menschen

80. 
Es wäre zu weitschweifig und unmöglich, alles aufzuzählen und zu sammeln, was der glorreiche Vater Franziskus getan und gelehrt, solange er im Fleische wandelte. Denn wer könnte je das Übermaß seiner Liebe zum Ausdruck bringen, mit der er gegen alles, was Gottes ist, beseelt war? Wer vermöchte die Süßigkeit zu schildern, die er empfand, wenn er in den Geschöpfen die Weisheit des Schöpfers , seine Macht und Güte betrachtete? Wahrlich, er wurde bei dieser Betrachtung oft mit wunderbarer und unaussprechlicher Freude erfüllt, so, wenn er zur Sonne aufschaute, den Mond betrachtete, zu den Sternen und zum Firmament aufblickte. O einfältige Frömmigkeit, o fromme Einfalt! - Selbst gegen die Würmlein entbrannte er in übergroßer Liebe, weil er vom Erlöser das Wort gelesen hatte: "Ein Wurm bin ich, nicht mehr ein Mensch". Deshalb pflegte er sie vom Wege aufzusammeln und legte sie an einem geschützten Ort nieder, damit sie nicht von den Vorübergehenden mit den Füßen zertreten würden. - Was soll ich von den anderen niedrigen Geschöpfen sagen? Ließ er doch den Bienen im Winter, damit sie nicht vor Kälte und Frost zugrunde gingen, Honig oder besten Wein hinstellen. Ihre emsige Arbeit und ihren vorzüglichen Instinkt pries er zur Ehre des Herrn so hoch, daß er oft einen ganzen Tag auf ihr und der anderen Geschöpfe Lob verwandte; denn wie einst die drei Jünglinge im brennenden Feuerofen alle Elemente zum Lobe und zur Verherrlichung des Schöpfers des Weltalls einluden , so ließ auch dieser Mann, vom Gottesgeist erfüllt, nicht ab, in allen Elementen und Geschöpfen den Schöpfer und Lenker aller Dinge zu verherrlichen, zu loben und zu preisen .

81. 
Wie erheiterte doch seinen Geist die Blumenpracht , wenn er ihre reizende Gestalt sah und ihren lieblichen Duft einsog! Sofort lenkte er sein betrachtendes Auge auf die Schönheit jener Blume, die leuchtend zur Lenzeszeit aus der Wurzel Jesse hervorging und durch ihren Duft Tausende und aber Tausende von Toten belebte. Und wenn er eine große Anzahl von Blumen fand, predigte er ihnen und lud sie zum Lob des Herrn ein, gleich als ob sie vernunftbegabte Wesen wären. So erinnerte er auch Saatfelder und Weinberge, Steine und Wälder und die ganze liebliche Flur, die rieselnden Quellen und alles Grün der Gärten, Erde und Feuer, Luft und Wind in lauterster Reinheit an die Liebe Gottes und mahnte sie zu freudigem Gehorsam. - Endlich nannte er alle Geschöpfe "Bruder" und erfaßte in einer einzigartigen und für andere ungewohnten Weise mit dem scharfen Blick seines Herzens die Geheimnisse der Geschöpfe; war er doch schon zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes gelangt. - Nun lobt er im Himmel mit den Engeln dich, so guter Jesus, den Wunderbaren, er, der schon auf Erden allen Geschöpfen dich als den Liebenswürdigen gepredigt hat.

82. 
Eine Liebe, über alles menschliche Begreifen hinaus, ergriff ihn, wenn er deinen Namen, heiliger Herr, nannte . Dann war er ganz des Jubels und der keuschesten Freude voll, und er erschien wahrhaftig als der neue Mensch und der Mensch des anderen Zeitalters . - Wenn er daher irgendwo, sei es auf der Straße oder in einem Hause oder auf dem Boden etwas Geschriebenes fand, mochte es von Gott handeln oder den Menschen , so hob er es mit der größten Ehrfurcht auf und legte es an einem heiligen oder ehrbaren Ort nieder, aus Besorgnis nämlich, es könnte der Name des Herrn oder ein auf ihn sich beziehendes Wort darauf geschrieben sein . - Als ihn eines Tages ein Bruder fragte, warum er auch die Schriften der Heiden323 und solche, in denen der Name des Herrn nicht stand, so eifrig sammle, antwortete er: "Mein Sohn, weil in ihnen die Buchstaben vorkommen, aus denen man den glorwürdigsten Namen des Herrn, unseres Gottes, zusammensetzen kann. Auch eignet das Gute, das sich dort findet, nicht den Heiden noch irgendwelchen Menschen, sondern Gott allein, dem jegliches Gute zu eigen gehört". - Und was nicht weniger verwunderlich ist: Wenn er manche Briefe der Begrüßung oder Ermahnung schreiben ließ, gestattete er nicht, daß ein Buchstabe oder eine Silbe ausgestrichen werde, mochten sie auch oft überflüssig sein oder an unrechter Stelle stehen .

83. 
Wie schön, wie strahlend, wie herrlich erschien er in der Rechtschaffenheit seines Lebens, in der Einfalt seiner Worte, in der Reinheit seines Herzens, in der Liebe Gottes , in der brüderlichen Liebe, in dem verzehrenden Gehorsam, in der einträchtigen Fügsamkeit, in seinem engelgleichen Antlitz! Liebenswürdig im Umgang, von Natur sanft, freundlich im Reden, taktvoll im Ermahnen, getreu im Anvertrauten , vorsichtig im Ratgeben, energisch im Handeln, gefällig in allem; heiteren Sinnes, von angenehmer Gemütsart, besonnenen Geistes , in der Beschauung ganz versenkt, im Gebet beständig, in allem voll Feuereifer; standhaft im Vorsatz, fest in der Tugend, beharrlich in der Gnade, in allem derselbe; schnell im Verzeihen, langsam zum Zorne , frei im Geiste, begabt mit einem glänzenden Gedächtnis, scharfsinnig bei der Erörterung , umsichtig in der Wahl und einfältig in allem; streng gegen sich, gütig gegen andere, feinfühlig bei allem.

Er war ein außerordentlich redegewandter Mann mit fröhlichem Antlitz und gütigem Gesichtsausdruck, frei von Feigheit, ohne jede Überheblichkeit. Von nicht gerade großer Gestalt, eher klein als groß, hatte er einen nicht sonderlich großen, runden Kopf, ein etwas längliches und gedehntes Gesicht, eine ebene und niedrige Stirne, nicht sonderlich große, schwarze, unverdorbene Augen, dunkles Haar, gerade Augenbrauen, eine gleichmäßige, feine und gerade Nase, aufwärts gerichtete, aber kleine Ohren, flache Schläfen, eine gewinnende, feurige und scharfe Sprache, eine mächtige, liebliche, klare und wohlklingende Stimme, dichte, gleichmäßige und weiße Zähne, schmale und zarte Lippen, einen schwarzen, nicht vollen Bart, einen schlanken Hals, gerade Schultern, kurze Arme, zarte Hände, lange Finger, etwas vorstehende Nägel, dünne Beine, sehr kleine Füße, eine zarte Haut, war sehr mager, trug ein rauhes Gewand, gönnte sich nur sehr kurzen Schlaf, besaß eine überaus freigebige Hand. - Und weil er der Demütigste war, erwies er allen Menschen jegliche Sanftmut und glich sich in passender Weise dem Charakter aller an. Unter Heiligen noch heiliger, unter Sündern wie einer aus ihnen. - Stehe daher den Sündern bei, du Liebhaber der Sünder, heiligster Vater, und würdige dich, so bitten wir, denjenigen durch deine glorreiche Fürsprache barmherzig wieder aufzuhelfen, die du in Sündenschmutz kläglich daniederliegen siehst!


Kapitel XXX
Die Krippenfeier, die er am Geburtstag des Herrn hielt


84. 
Sein höchstes Streben, sein vornehmster Wunsch und seine oberste Lebensregel war, das heilige Evangelium in allem und durch alles zu beobachten . Mit aller Wachsamkeit, allem Eifer, der ganzen Sehnsucht seines Geistes und der ganzen Glut seines Herzens suchte er, vollkommen der Lehre unseres Herrn Jesus Christus zu folgen und seinen Fußspuren nachzuwandeln. In eingehender Betrachtung rief er die Erinnerung an seine Worte wach und in nachspürender Erwägung überdachte er seine Werke. Vor allem war es die Demut der Menschwerdung Jesu und die durch sein Leiden bewiesene Liebe , die seine Gedanken derart beschäftigten, daß er kaum an etwas anderes denken wollte. - Daher muß man jener Feier gedenken und sie ehrfurchtsvoll erwähnen, die er im dritten Jahr vor seinem glorreichen Hinscheiden bei einem Dorf namens Greccio am Tage der Geburt unseres Herrn Jesus Christus abgehalten hat. In jener Gegend lebte ein Mann mit Namen Johannes, von gutem Ruf, aber noch besserem Lebenswandel. Ihm war der selige Franziskus in besonderer Liebe zugetan, weil er trotz des großen Ruhmes und des Ansehens, das er daheim genoß, den Adel des Fleisches verachtete und nach dem Adel der Seele trachtete. Diesen ließ nun der selige Franziskus, wie er oft zu tun pflegte, zu sich rufen, etwa vierzehn Tage vor der Geburt des Herrn, und sprach zu ihm: "Wenn du wünschtest, daß wir bei Greccio das bevorstehende Fest des Herrn feiern, so gehe eilends hin und richte sorgfältig her, was ich dir sage. Ich möchte nämlich das Gedächtnis an jenes Kind begehen, das in Bethlehem geboren wurde, und ich möchte die bittere Not, die es schon als kleines Kind zu leiden hatte, wie es in eine Krippe gelegt, an der Ochs und Esel standen , und wie es auf Heu gebettet wurde, so greifbar als möglich mit leiblichen Augen schauen." Als der gute und treuergebene Mann das hörte, lief er eilends hin und rüstete an dem genannten Ort alles zu, was der Heilige angeordnet hatte.

85. 
Es nahte aber der Tag der Freude, die Zeit des Jubels kam heran. Aus mehreren Niederlassungen wurden die Brüder gerufen. Männer und Frauen jener Gegend bereiteten, so gut sie konnten, freudigen Herzens Kerzen und Fackeln, um damit jene Nacht zu erleuchten, die mit funkelndem Sterne alle Tage und Jahre erhellt hat. Endlich kam der Heilige Gottes, fand alles vorbereitet, sah es und freute sich . Nun wird eine Krippe zurechtgemacht, Heu herbeigebracht, Ochs und Esel herzugeführt. Zu Ehren kommt da die Einfalt, die Armut wird erhöht, die Demut gepriesen, und aus Greccio wird gleichsam ein neues Bethlehem. Hell wie der Tag wird die Nacht, und Menschen und Tieren wird sie wonnesam. Die Leute eilen herbei und werden bei dem neuen Geheimnis mit neuer Freude erfüllt. Der Wald erschallt von den Stimmen, und die Felsen hallen wider von dem Jubel. Die Brüder singen und bringen dem Herrn das schuldige Lob dar, und die ganze Nacht jauchzt auf in hellem Jubel. Der Heilige Gottes steht an der Krippe, er seufzt voll tiefen Wehs, von heiliger Andacht durchschauert und von wunderbarer Freude überströmt. Über der Krippe wird ein Hochamt gefeiert, und ungeahnte Tröstung darf der Priester verspüren.

86. 
Da legt der Heilige Gottes die Levitengewänder an - denn er war Diakon - und singt mit wohlklingender Stimme das heilige Evangelium. Und zwar lädt seine Stimme, seine starke Stimme, seine sanfte Stimme, seine klare Stimme, seine wohlklingende Stimme alle zum höchsten Preise ein. Dann predigt er dem umstehenden Volk von der Geburt des armen Königs und bricht in lieblichen Lobpreis über die kleine Stadt Bethlehem aus. Oft wenn er Christus "Jesus" nennen wollte, nannte er ihn, von übergroßer Liebe erglühend, nur "das Kind von Bethlehem", und wenn er "Bethlehem" aussprach, klang es wie von einem blökenden Lämmlein. Mehr noch als vom Worte floß sein Mund über von süßer Liebe. Wenn er das "Kind von Bethlehem" oder "Jesus" nannte, dann leckte er gleichsam mit der Zunge seine Lippen, indem er mit seinem glückseligen Gaumen die Süßigkeit dieses Namens verkostete und schlürfte . Es vervielfachten sich dort die Gaben des Allmächtigen, und ein frommer Mann hatte ein wunderbares Gesicht. Er sah nämlich in der Krippe ein lebloses Knäblein liegen; zu diesem sah er den Heiligen Gottes herzutreten und das Kind wie aus tiefem Schlaf erwecken. Gar nicht unzutreffend ist dieses Gesicht; denn der Jesusknabe war in vieler Herzen vergessen. Da wurde er in ihnen mit seiner Gnade durch seinen heiligen Diener Franziskus wieder erweckt und zu eifrigem Gedenken eingeprägt. Endlich beschließt man die nächtliche Feier, und ein jeder kehrt in seliger Freude nach Hause zurück.

87. 
Das Heu, das in der Krippe gelegen, bewahrte man auf, damit der Herr, der sein heiliges Erbarmen gar mannigfach erzeigt, Pferde und andere Tiere dadurch heile. Und so geschah es in der Tat, daß in der umliegenden Gegend viele Tiere, die verschiedene Krankheiten hatten, von diesen befreit wurden, wenn sie von dem Heu fraßen. Ja, auch Frauen, die unter schweren und lange dauernden Geburtswehen zu leiden hatten, ließen sich von dem Heu auflegen und konnten dann glücklich gebären. Auch erlangten ebendort herbeiströmende Pilger beiderlei Geschlechtes die ersehnte Heilung von verschiedenen Unglücksfällen . - Später wurde die Stelle, an der die Krippe gestanden, dem Herrn als Tempel geweiht und zu Ehren des hochseligen Vaters Franziskus über der Krippe ein Altar errichtet und eine Kirche gebaut , damit dort, wo einst die Tiere das Heu fraßen, in Zukunft die Menschen zum Heile der Seele und des Leibes das Fleisch unseres Herrn Jesus Christus, des Lammes ohne Fehl und Makel , genießen könnten, der in höchster und unaussprechlicher Liebe sich selbst für uns hingegeben hat und der mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebt und herrscht als ewig glorwürdiger Gott durch alle Ewigkeit. Amen. Alleluia, Alleluia.

Damit schließt das erste Buch über das Leben und die Taten des seligen Franziskus.


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