Erste Lebensbeschreibung



II. Buch


Es beginnt das zweite Buch über die letzten zwei Jahre des Lebens und über das selige Hinscheiden unseres hochseligen Vaters Franziskus 


Kapitel I
[Inhalt dieses Buches: Die Zeit vor dem seligen Hinscheiden des heiligen Franziskus und seine fortschreitende Vollendung]

88. 
In der vorigen Abhandlung, die wir durch die Gnade des Erlösers mit einem passenden Bericht abgeschlossen haben, haben wir Leben und Taten unseres hochseligen Vaters Franziskus bis zum achtzehnten Jahr seiner Bekehrung in erzählender Weise, so gut wir konnten, beschrieben. Sein übriges Wirken aber von seinem vorletzten Lebensjahr an wollen wir, soweit wir es richtig in Erfahrung bringen konnten, in Kürze in diesem Buche anfügen. Und zwar liegt es in unserer Absicht, in der vorliegenden Schrift nur das, was wichtiger erscheint, aufzuzeichnen , damit diejenigen, die einen umfangreicheren Bericht geben wollen, immer noch etwas zu finden vermögen, was sie beifügen können.

Im Jahre 1226 nach der Menschwerdung des Herrn, in der 14. Indiktion , am Sonntag, dem 4. Oktober , verließ unser hochseliger Vater Franziskus in seiner Geburtsstadt Assisi bei S. Maria von Portiunkula , wo er den Orden der Minderbrüder am Anfang pflanzte , zwanzig Jahre , seitdem er aufs vollkommenste Christus anhing und dem Leben und den Spuren der Apostel folgte, den Kerker des Fleisches und eilte in seligem Fluge zu den Wohnungen der himmlischen Geister, vollkommen vollendend, was er begonnen. Unter Hymnen und Lobgesängen wurde sein hochheiliger Leib in jener Stadt aufgebahrt und ehrenvoll beigesetzt , wo er zum Ruhme des Allerhöchsten durch viele Wunder glänzt. Amen.

89. 
Von frühester Jugend an auf den Wegen und in der Kenntnis Gottes nur wenig oder gar nicht unterwiesen , lebte er in einer natürlichen Einfalt und in der Hitze der Leidenschaften nicht geringe Zeit dahin , bis er, von der Rechten des Allerhöchsten umgewandelt, von seiner Sünde gerechtfertigt und durch des Höchsten Gnade und Kraft mehr als alle seine Zeitgenossen mit göttlicher Weisheit erfüllt wurde. Denn da die Lehre des Evangeliums, wenn auch nicht in jeder Hinsicht, so doch ganz allgemein, überall infolge der Werke der Menschen viel an Wirkung verloren hatte , ward dieser Mann von Gott gesandt, damit er allerorts in der ganzen Welt nach dem Beispiel der Apostel für die Wahrheit Zeugnis gebe. So zeigte er durch seine Lehre ganz deutlich, daß alle Weisheit der 5 Welt nur Torheit sei, und so machte er die Welt in kurzer Zeit unter der Führung Christi durch die Torheit seiner Predigt für die wahre Weisheit Gottes empfänglich. Als neuer Evangelist goß er in der letzten Zeit, wie einer von den Paradiesesströmen , in frommer Benetzung die Wasser des Evangeliums auf dem ganzen Erdkreis aus und verkündete durch die Tat den Weg des Sohnes Gottes und die Lehre der Wahrheit. So ward in ihm und durch ihn dem Erdkreis unverhoffte Frohbotschaft und heilige Erneuerung. Der (neue) Sproß der alten Religion machte die längst verknöchert und sehr alt gewordenen Menschen plötzlich neu . Ein neuer Geist ward in die Herzen der Auserwählten gegeben, und in ihrer Mitte wurde ausgegossen die Salbung des Heiles, als der Diener und Heilige Christi wie eine von den Leuchten des Himmels auf neue Art und mit neuen Zeichen vom Himmel her erglänzte. Erneuert wurden durch ihn die alten Wunder, da in der Wüste dieser Welt durch den neuen Orden, doch nach alter Weise ein fruchtbarer Weinstock gepflanzt wurde, der überallhin die Zweige des heiligen Ordensstandes ausbreitete und liebliche Blüten trieb, die den Wohlgeruch heiliger Tugenden verbreiteten.

90. 
Wenn der Heilige auch dem Leiden unterworfen war wie wir , so gab er sich doch nicht damit zufrieden, nur die allgemeinen Gebote zu beobachten, sondern schlug eilig, von glühendster Liebe überströmend, den Weg höchster Vollkommenheit ein, strebte nach dem Gipfel vollendeter Heiligkeit und faßte jeglicher Vollkommenheit Vollendung ins Auge . Deshalb hat an ihm jeder Stand, jedes Geschlecht und jedes Alter augenscheinliche Beweise für die Lehre des Heiles und vorzügliche Beispiele heiliger Werke. Die an Hohes tapfer ihre Hand anlegen wollen und nach den höheren Gnadengaben eines ausgezeichneteren Weges zu eifern sich bemühen, die mögen in den Spiegel seines Lebens schauen, und sie werden jegliche Vollkommenheit erlernen. Die sich aber auf weniger hohe und mehr ebene Pfade begeben wollen, weil sie sich fürchten, in steiler Höhe zu wandeln und den Gipfel des Berges zu erklimmen, die werden bei ihm auch auf dieser Stufe entsprechende Anleitungen finden. Die endlich Zeichen und Wunder suchen, die sollen seine Heiligkeit befragen, und sie werden erhalten, was sie begehren. - Ja, sein glorreiches Leben setzt auch die Vollkommenheit der Heiligen früherer Zeiten in helleres Licht. Das beweist das Leiden Jesu Christi, und sein Kreuz macht es ganz offenkundig. Fürwahr, der ehrwürdige Vater ist ja an fünf Stellen des Leibes mit dem Zeichen des Leidens und Kreuzes gezeichnet worden , gleich als ob er mit dem Gottessohn am Kreuz gehangen hätte. Dies Geheimnis ist groß und kündet die Erhabenheit eines besonderen Vozugs der Liebe . Doch liegt darin ein geheimer Ratschluß verborgen, und ein ehrfurchtgebietendes Mysterium ist da verhüllt, das, wie wir glauben, nur Gott bekannt und durch den Heiligen selbst nur teilweise einem Menschen enthüllt wurde. Deshalb schickt es sich nicht, zu seinem Lob viele Versuche anzustellen, da sein Ruhm ja von dem stammt, der da ist der Ruhm aller, die Quelle und die höchste Ehre, der den Lohn des Lichtes verleiht. - Preisen wir deshalb den heiligen, wahren und glorreichen Gott und wenden wir uns wieder der Geschichte zu.


Kapitel II
Das höchste Verlangen des seligen Franziskus.
Wie er beim Öffnen der Heiligen Schrift die Absicht des Herrn mit ihm erkannte

91. 
Einstmals entzog sich der selige und ehrwürdige Vater Franziskus den Scharen der Weltleute, die täglich voll Andacht zusammenkamen, um ihn zu hören und zu sehen , und begab sich an einen ruhigen, einsamen und abgeschiedenen Ort , um dort für Gott ganz frei zu sein und den Staub abzuwischen, der etwa aus dem Verkehr mit den Menschen an ihm haften geblieben war . Es war nämlich seine Gewohnheit, die Zeit, die ihm verliehen worden, um Gottes Gnade zu verdienen, einzuteilen, und zwar, je nachdem es ihm notwendig schien, einen Teil zum Wohle seiner Mitmenschen zu verwenden, den anderen in seliger Abgeschiedenheit der Beschauung zu verbringen . - Er nahm dann nur einige wenige Begleiter mit, denen sein heiliger Wandel mehr bekannt war als den übrigen, damit sie ihn vor dem Andrang und der Belästigung der Menschen schützten und in allem auf seine Ruhe sorgfältig bedacht seien. - Nachdem er dort einige Zeit verweilt und in anhaltendem Gebet und häufiger Beschauung den vertrauten Umgang mit Gott in unaussprechlicher Weise erlangt hatte, wünschte er zu erfahren, was dem ewigen König hinsichtlich seiner Person und seines Wirkens mehr gefalle oder gefallen könnte. Angelegentlich suchte er zu erforschen, und fromm begehrte er zu erfahren, in welcher Weise, auf welchem Weg und mit welcher Sehnsucht er Gott dem Herrn nach dem Ratschluß und Wohlgefallen seines Willens noch vollkommener anzuhängen vermöge. Das war immer seine höchste Weisheit , dieses sehnlichste Verlangen brannte stets in ihm, solange er lebte, von den Einfältigen und Weisen, von den Vollkommenen und Unvollkommenen zu lernen, wie er den Weg der Wahrheit beschreiten und zu einem höheren Ziel gelangen könne.

92. 
Denn obwohl er der allervollkommenste Mensch war, hielt er sich doch nie für vollkommen, sondern glaubte, er sei ganz und gar unvollkommen. Er hatte nämlich verkostet und gesehen, wie süß, wie lieblich und gut der Gott Israels denen ist, die geraden Herzens sind und die ihn in reiner Einfalt und wahrer Reinheit suchen . - Die ihm eingegossene süße Wonne - nur den wenigsten, und auch ihnen nur selten geschenkt -, die ihm, wie er selbst spürte, von oben her eingeflößt war, drängte ihn, sich selbst ganz abzusterben; von solch seliger Freude erfüllt, sehnte er sich auf alle mögliche Art, ganz und gar dorthin zu gehen, wohin er, sich selbst entrückt, schon teilweise vorgedrungen war. Dieser Mensch, der den Geist Gottes hatte, war bereit, alle Ängste des Herzens und alle körperlichen Leiden zu tragen, wenn ihm nur endlich der Wunsch gewährt würde, daß der Wille des himmlischen Vaters gnädig sich an ihm erfülle. Deshalb trat er eines Tages vor den heiligen Altar, der in der Einsiedelei, in der er weilte, errichtet war, nahm das Buch, in dem die heiligen Evangelien aufgezeichnet waren, und legte es ehrfurchtsvoll auf den Altar. - Dann warf er sich im Gebete vor Gott nieder, nicht weniger mit dem Herzen als mit dem Leibe, und bat in demütigem Flehen, der gütige Gott, der Vater der Barmherzigkeit und der Gott allen Trostes , wolle sich würdigen, ihm seinen Willen kundzutun. Damit er vollkommen vollenden könne, was er einst in Einfalt und Hingabe begonnen, bat er inständig, daß ihm beim ersten Öffnen des Buches gezeigt werde, was er am besten tun solle. Er wurde nämlich geleitet von dem Geiste, der heilige und ganz vollkommene Männer beseelte, von denen man liest, sie hätten mit kindlichem Vertrauen in ihrem Verlangen nach Heiligkeit ähnlich gehandelt .

93. 
Und er stand auf vom Gebete im Geiste der Demut und mit zerknirschtem Herzen , bezeichnete sich mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes, nahm das Buch vom Altar und öffnete es in ehrfürchtiger Scheu. Es geschah aber, daß er beim Öffnen des Buches zuerst auf das Leiden unseres Herrn Jesus Christus stieß, und zwar nur auf jene Stelle, die sein bitteres Leiden ankündigte . Um aber jeden Verdacht auszuschließen, daß es sich hier um Zufall handle, öffnete er das Buch ein zweites und ein drittes Mal und fand wieder das gleiche oder ein ähnliches Schriftwort. Da erkannte nun der Mann, der voll des Geistes Gottes war, daß er durch viele Drangsale, durch viele Nöte und viele Kämpfe in das Reich Gottes eingehen müsse . - Doch dem tapfersten Ritter wird der bevorstehenden Kämpfe wegen nicht bange, er läßt den Mut nicht sinken, da er ja die Schlachten des Herrn schlagen soll auf den Schlachtfeldern dieser Welt. Er fürchtete nicht, dem Feinde zu unterliegen, er, der auch sich selbst in nichts nachgab, obwohl er schon lange über das Maß menschlicher Kräfte sich gemüht hatte. Fürwahr, ihn hatte ein leidenschaftlicher Feuereifer ergriffen, und wenn auch in den verflossenen Jahrhunderten ein Heiliger lebte, der das gleiche Ziel anstrebte wie er, so ward doch keiner gefunden, der ihn an Glut des Verlangens übertroffen hätte. Er war zu der Erkenntnis gekommen, daß es leichter sei, Vollkommenes zu tun als davon zu reden . Stets zeigte er - nicht durch Worte, die Gutes nicht schaffen, sondern nur darauf hinweisen - vielmehr in heiligem Wirken und Tun seinen erfolgreichen Eifer und Fleiß. So blieb er unerschüttert und froh und sang vor sich und vor Gott Lieder der Freude im Herzen. Deshalb wurde er noch größerer Offenbarung für würdig befunden, er, der schon über die kleinste so frohlockte, und wurde über vieles gesetzt , er, der im Kleinen getreu war .

Kapitel III
Schau des Mannes, der die Gestalt eines gekreuzigten Seraphs hatte

94. 
Zwei Jahre bevor Franziskus seine Seele dem Himmel zurückgab , weilte er in einer Einsiedelei, die nach dem Ort, wo sie gelegen ist, Alverna heißt. Da sah er in einem Gottesgesicht einen Mann über sich schweben, einem Seraph ähnlich, der sechs Flügel hatte und mit ausgespannten Händen und aneinandergelegten Füßen ans Kreuz geheftet war. Zwei Flügel erhoben sich über seinem Haupt, zwei waren zum Fluge ausgespannt, zwei endlich verhüllten den ganzen Körper . Als der selige Diener des Allerhöchsten dies schaute, wurde er von übergroßem Staunen erfüllt, konnte sich aber nicht erklären, was dieses Gesicht bedeuten solle. Große Wonne durchdrang ihn, und noch tiefere Freude erfaßte ihn über den gütigen und gnadenvollen Blick, mit dem er sich vom Seraph betrachtet sah, dessen Schönheit unbeschreiblich war; doch sein Hängen am Kreuz und die Bitterkeit seines Leidens erfüllte ihn ganz mit Entsetzen. Und so erhob er sich, sozusagen traurig und freudig zugleich, und Wonne und Betrübnis wechselten in ihm miteinander. Er dachte voll Unruhe nach, was dieses Gesicht wohl bedeute, und um seinen innersten Sinn zu erfassen, ängstigte sich sein Geist gar sehr. - Während er sich verstandesmäßig über das Gesicht nicht klar zu werden vermochte und das Neuartige an ihm stark sein Herz beschäftigte, begannen an seinen Händen und Füßen die Male der Nägel sichtbar zu werden in derselben Weise, wie er es kurz zuvor an dem gekreuzigten Mann über sich gesehen hatte.

95. 
Seine Hände und Füße schienen in ihrer Mitte mit Nägeln durchbohrt, wobei die Köpfe der Nägel an den Händen auf der inneren und an den Füßen auf der oberen Fläche erschienen, während ihre Spitzen sich an der Gegenseite zeigten . Die Male waren nämlich an der Innenseite der Hände rund, an der Außenseite aber länglich. Und es kam ein Stückchen Fleisch zum Vorschein, das über das andere Fleisch hinausragte, gleich als ob die Spitze der Nägel umgebogen und umgeschlagen sei. In derselben Weise, über das andere Fleisch hinausstehend, waren auch an den Füßen die Male der Nägel eingedrückt. Ferner war die rechte Seite wie mit einer Lanze durchbohrt und zeigte eine vernarbte Wunde, aus der häufig Blut floß, so daß sein Habit und seine Hose oftmals mit heiligem Blut getränkt wurden . - Wie wenige sind es, die die heilige Seitenwunde sehen durften, solange der gekreuzigte Diener des gekreuzigten Herrn am Leben war! Glücklich Elias, der bei Lebzeiten des Heiligen sie so genau als möglich schauen durfte ! Doch nicht weniger glücklich Rufin , der sie mit seinen eigenen Händen berühren konnte. Denn als der genannte Bruder Rufin einmal seine Hand auf die Brust des Heiligen legte, um sie abzureiben, glitt seine Hand, wie es vorkommen kann, auf dessen rechte Seite ab. Dabei berührte er zufällig jene kostbare Narbe. Diese Berührung verursachte dem Heiligen Gottes nicht geringe Schmerzen, er stieß die Hand von sich zurück und schrie laut auf, der Herr möge ihm verzeihen . - Mit Eifer und Bedacht verbarg er die Wundmale vor Fremden. Auch vor seinen nächsten Freunden verheimlichte er sie mit aller Vorsicht, so daß sogar die Brüder, die immer an seiner Seite waren , und seine ergebensten Jünger lange Zeit nicht darum wußten . - Und obwohl der Knecht und Freund des Allerhöchsten sich mit solchen Perlen wie mit kostbarsten Edelsteinen geschmückt und mehr als alle andern Menschen mit Ruhm und Ehre wunderbar geziert sah, ließ er doch in seinem Herzen keine eitlen Gedanken aufsteigen . Auch suchte er deshalb keineswegs aus eitler Ruhmsucht irgend jemand zu gefallen, sondern bemühte sich, diese Auszeichnung auf jede mögliche Weise zu verbergen, damit nicht menschliche Gunst die ihm verliehene Gnade entziehe.

96. 
Franziskus hatte nämlich die Gewohnheit, nur selten oder überhaupt niemandem ein besonderes Geheimnis zu enthüllen; denn er fürchtete, irgendwie an der ihm verliehenen Gnade Schaden zu nehmen, wenn er unter dem Schein einer besonderen Zuneigung, wie es gute Freunde zu tun pflegen, von seinen Geheimnissen Mitteilung mache . Deshalb trug er jenes Prophetenwort stets in seinem Herzen und führte es auch häufig in seinem Munde : "In meinem Herzen berg ich deine Worte, damit ich wider dich nicht sündige." - Für den Fall aber, daß Weltleute zu ihm kamen, mit denen er sich in kein Gespräch einlassen wollte, hatte er mit seinen Brüdern und Söhnen, die bei ihm waren, folgendes Zeichen verabredet: wenn er den oben genannten Vers betete, dann sollten die Besucher sofort höflich verabschiedet werden. Er hatte nämlich die Erfahrung gemacht, daß es ein großes Übel ist, allen alles mitzuteilen, und er wußte, daß der kein geistlicher Mensch sein kann, der nicht größere und mehr Geheimnisse hat, als man auf seinem Gesichte lesen kann, die infolge ihrer Offenkundigkeit von den Menschen nach jeder Seite hin beurteilt zu werden vermögen. Er hatte nämlich bemerkt, daß manche ihm zwar äußerlich beistimmten, im Innern aber widersprachen, die ihm vor seinen Augen Lob spendeten, hinter seinem Rücken aber ihn verlachten und durch ihr voreiliges Urteilen ihm auch die Guten ein wenig verdächtig machten. - Denn oft sucht die Bosheit die Reinheit anzuschwärzen, und infolge der Lüge, die vielen vertraut ist, schenkt man der Wahrhaftigkeit, die nur bei wenigen sich findet, keinen Glauben.


Kapitel IV
Der Feuereifer des seligen Franziskus und sein Augenleiden

97. 
Im Laufe dieser Zeit wurde sein Leib nach und nach von verschiedenen Krankheiten heimgesucht, und zwar von noch heftigeren, als es früher der Fall zu sein pflegte. So litt er häufig unter Schwächeanfällen; hatte er ja seinen Leib hart gezüchtigt und ihn schon in den vielen vorhergegangenen Jahren in Dienstbarkeit gebracht. Denn schon volle achtzehn Jahre hatte sein Leib kaum oder niemals Ruhe gehabt, als er in verschiedenen und weit entfernten Gegenden umherzog, damit jener bereitwillige, jener hingebungsvolle, jener glühende Geist, der in seinem Innern wohnte, überall den Samen des Wortes Gottes ausstreuen könne. Er erfüllte die ganze Welt mit dem Evangelium Christi so, daß er öfters an einem einzigen Tag vier bis fünf Flecken oder auch Städte durchzog, indem er überall die frohe Botschaft vom Reiche Gottes verkündete. Dabei hatte er seinen ganzen Leib zur Zunge gemacht , um seine Zuhörer durch das Beispiel nicht weniger als durch das Wort zu erbauen . - So groß war in ihm die Eintracht zwischen Fleisch und Geist , so groß der Gehorsam, daß, da der Geist die volle Heiligkeit zu erreichen suchte, das Fleisch nicht nur keinen Widerstand zeigte, sondern sogar vorauszueilen trachtete gemäß jenem Schriftwort : "Es dürstet nach dir meine Seele und noch viel mehr mein Leib." Die beständige Unterjochung hatte das Fleisch willig gemacht, und infolge der täglichen Selbstüberwindung hatte er einen so hohen Tugendstand gewonnen; denn die Gewohnheit wird oft zur zweiten Natur .

98. 
Aber weil es nach den Gesetzen der Natur und gemäß der menschlichen Beschaffenheit so sein muß, daß der äußere Mensch von Tag zu Tag aufgerieben wird, obschon der innere sich erneuert , so begann jenes überaus kostbare Gefäß, in dem der himmlische Schatz verborgen lag, von allen Seiten zerschlagen zu werden und das Hinschwinden aller Kräfte zu erleiden. Doch es fängt der Mensch, wenn er am Ende ist, erst recht an, und wenn er aufgebraucht ist, wird er tätig . So wurde auch der Geist im schwachen Fleisch immer williger. So sehr lag ihm das Heil der Seelen am Herzen, und so dürstete er, den Mitmenschen zu gewinnen , daß er, als er allein nicht mehr gehen konnte, auf einem Esel reitend die Lande durchzog. Häufig mahnten ihn die Brüder und legten ihm mit dringenden Bitten nahe, er solle seinen angegriffenen und gar sehr geschwächten Leib mit Hilfe der Ärzte etwas wiederherstellen lassen. Er aber, dessen edler Geist zum Himmel gerichtet war und dessen einziger Wunsch darin bestand, aufgelöst zu werden und bei Christus zu sein, wollte durchaus nichts davon wissen. Doch weil er noch nicht alles erfüllt hatte, was von den Leiden Christi an seinem Leibe noch fehlte , wenn er auch dessen Wundmale an seinem Leibe trug, so kam über ihn ein sehr schweres Augenleiden, womit Gott an ihm seine Barmherzigkeit vervielfältigte . Und da dieses Leiden sich von Tag zu Tag verschlimmerte und infolge seiner Sorglosigkeit täglich sichtlich zunahm, veranlaßte ihn schließlich Bruder Elias, den er sich erwählt hatte, daß er Mutterstelle an ihm vertrete, und den er zum Vater der anderen Brüder gemacht hatte, daß er die Arznei nicht mehr zurückweise, sondern sie nehme im Namen des Sohnes Gottes, durch den sie geschaffen worden ist, wie geschrieben steht : "Aus der Erde läßt der Höchste die Arznei sprießen, und der kluge Mann verschmäht sie nicht." Da ließ es nun der heilige Vater gütig geschehen und gehorchte in Demut den Worten dessen, der ihn mahnte.

Kapitel V
Wie er in der Stadt Rieti vom Herrn Hugo, dem Bischof von Ostia, 
aufgenommen wurde, und wie der Heilige ihm prophezeite, 
er werde noch Bischof der ganzen Welt werden

99. 
Viele Leute kamen, ihm mit ihren Arzneien zu helfen, doch kein Heilmittel konnte gefunden werden. Da ging er nach Rieti, wo nach Aussage der Leute ein Mann wohnte, der in der Heilung dieser Krankheit ein Fachmann war . Wie er also ebendort ankam, wurde er sehr freundlich und ehrenvoll von der ganzen römischen Kurie empfangen, die damals in dieser Stadt weilte . In erster Linie jedoch wurde er vom Herrn Hugo, dem Bischof von Ostia , der am meisten durch ehrbaren Wandel und heilige Lebensführung hervorleuchtete, aufs liebevollste aufgenommen. Ihn hatte der selige Franziskus zum Vater und Herrn für die ganze Gemeinschaft und den Orden seiner Brüder erwählt mit der Zustimmung und nach dem Willen des Herrn Papstes Honorius , und zwar deshalb, weil dieser großes Wohlgefallen an der seligen Armut hatte und weil bei ihm die heilige Einfalt in größter Achtung stand. - Dieser hohe Herr suchte sich dem Lebenswandel der Brüder anzupassen. In seinem Verlangen nach Heiligkeit war er einfältig mit den Einfältigen, demütig mit den Demütigen, arm mit den Armen. Er war ein Bruder unter den Brüdern, unter den Minderen der Mindeste und suchte, soweit es ihm erlaubt war, in Leben und Wandel sich wie alle übrigen zu geben. Eifrig war er darauf bedacht, überallhin den heiligen Orden zu pflanzen, und in entlegenen Gebieten verschaffte die lautere Kunde von seinem noch lautereren Leben dem Orden weiteste Verbreitung. Der Herr gab ihm eine beredte Zunge , mit der er die Gegner der Wahrheit beschämte, die Feinde des Kreuzes Christi widerlegte, die Irrenden auf den rechten Weg zurückführte, unter den Entzweiten Frieden stiftete und die in Eintracht Lebenden mit einem noch festeren Band der Liebe verknüpfte. Er war in der Kirche Gottes eine brennende und leuchtende Lampe und ein erlesener Pfeil , bereitgestellt zur rechten Zeit. - Wie oft hat er seine kostbaren Kleider abgelegt, geringe angezogen, ist barfüßig wie einer aus den Brüdern dahergekommen und hat sich bemüht um das, was zum Frieden dient ! Diesen gegebenenfalls zwischen Mensch und Mensch, jederzeit aber zwischen Gott und Mensch zu vermitteln, war sein stetes und eifriges Bemühen. Deshalb hat ihn Gott bald darauf zum Hirten in seiner ganzen heiligen Kirche erwählt und sein Haupt erhöht unter den Stämmen der Völker.

100. 
Damit man erkenne, daß das auf göttliche Eingebung hin und nach dem Willen Jesu Christi geschehen ist, hat der selige Vater Franziskus das schon lange vorher in Worten vorausgesagt und durch ein Zeichen angedeutet. Denn als der Orden und die Gemeinschaft der Brüder durch das Wirken der göttlichen Gnade sich schon ziemlich auszubreiten begann und wie eine Zeder im Paradiesesgarten Gottes bis zum Himmel der Heiligen den Gipfel seiner Verdienste erhob und wie ein erlesener Weinstock heilige Zweige über den weiten Erdkreis hin trieb, wandte sich der heilige Franziskus an den Herrn Papst Honorius, der damals an der Spitze der Römischen Kirche stand, mit der demütigen Bitte, er möge den Herrn Hugo, Bischof von Ostia, zu seinem und seiner Brüder Vater und Herrn bestellen . Der Herr Papst stimmte der Bitte des Heiligen zu, willfahrte gütig und übertrug jenem seine Gewalt über den Orden der Brüder. Herr Hugo übernahm sie mit Ehrfurcht und Demut. Als getreuer und kluger Knecht, der über die Familie des Herrn gesetzt ist, bemühte er sich in jeder Hinsicht, den ihm Anvertrauten die Speise des ewigen Lebens zur rechten Zeit zu reichen. Deshalb unterwarf sich ihm der heilige Vater auf jede Weise und verehrte ihn mit wunderbarer und ehrerbietiger Liebe. Franziskus stand unter der Leitung des Geistes Gottes, vom dem er ganz erfüllt war. Deshalb sah er lange vorher schon, was nachher vor aller Augen also eintreten sollte. Sooft nämlich eine innere Ordensangelegenheit oder besser die Liebe Christi, von der er gegen ihn entbrannt war, ihn drängte, dem Bischof zu schreiben, war es ihm keineswegs genug, ihn in seinen Briefen Bischof von Ostia oder Velletri zu betiteln , wie es die übrigen in den gebräuchlichen Begrüßungsformeln taten, sondern er erweiterte die Formeln auf folgende Weise: "Dem Hochwürdigsten Vater", oder "Herrn Hugo, Bischof der ganzen Welt." - Häufig auch grüßte er ihn mit nie gehörten Segenswünschen, und obgleich er ein treu ergebener Sohn war, tröstete er ihn bisweilen auf Eingebung des Geistes mit väterlichem Zuspruch, um über ihm die Segnungen der Väter zu festigen, bis die Sehnsucht der ewigen Hügel sich ihm erfüllte .

101. 
Auch der genannte Bischof war von gar großer Liebe gegen den heiligen Mann entbrannt, und deshalb fand alles, was der selige Mann sagte und was er tat, seinen Beifall. Oft war er von seinem bloßen Anblick schon ganz hingerissen. Er selbst bezeugt, er sei nie so verstimmt und innerlich erregt gewesen, daß nicht, wenn er den heiligen Franziskus sah und sich mit ihm unterhielt, alle finsteren Wolken seines Geistes sich verflüchtigt und Heiterkeit sich wieder eingestellt hätte, Niedergeschlagenheit gewichen und himmlische Freude über ihn gekommen wäre. - Dieser Bischof diente dem seligen Franziskus wie ein Knecht seinem Herrn. Sooft er ihn sah, bezeigte er ihm seine Ehrfurcht gleich einem Apostel Christi und, indem er mit Seele und Leib sich vor ihm verneigte, küßte er ihm oft die Hand mit geheiligtem Munde. Er sorgte sich eifrig und voll Hingabe darum, wie der selige Vater die frühere Gesundheit der Augen wiedererlangen könne, da er ihn als einen heiligen, gerechten und für die Kirche Gottes unentbehrlichen und ungemein verdienten Mann kannte. Seinetwegen war er von Mitgefühl mit der ganzen Brüderschar erfüllt und beklagte um des Vaters willen die Söhne. Er ermahnte daher den heiligen Vater, er solle Sorge für sich tragen und, was für sein Leiden notwendig sei, nicht abweisen, damit ihm nicht etwa die Sorglosigkeit in dieser Sache eher zur Sünde als zum Verdienst angerechnet werde. Der heilige Franziskus aber befolgte demütig das, was ihm von einem so hochwürdigen Herrn und geliebten Vater gesagt wurde. Er war fortan vorsichtiger und nahm ruhiger auf sich, was zu seiner Pflege erforderlich war. Doch das Übel war schon so weit fortgeschritten, daß fähigste Fachleute und schärfste Arzneien notwendig waren, um ein wenig Linderung zu erreichen. Aber obwohl das Haupt schon an mehreren Stellen gebrannt und er zur Ader gelassen wurde, obwohl Pflaster aufgelegt und Salben aufgestrichen wurden, besserte sich sein Zustand dennoch nicht, sondern wurde fast immer schlimmer.


Kapitel VI
Die Tugenden der Brüder, die dem heiligen Franziskus dienten, 
und wie er selbst ihr Verhalten bestimmte

102. 
Dieses Leiden ertrug er ungefähr zwei Jahre in aller Geduld und Demut, wobei er in allem Gott Dank sagte . Aber um noch ungehinderter seine Aufmerksamkeit auf Gott lenken zu können und in den seligen Wohnungen des Himmels bei seinen häufigen Verzückungen verkehren, diese Hallen betreten und im Vollmaß der Gnade vor dem unendlich gnädigen und gütigen Herrn des Alls in der Himmelswelt erscheinen zu können, hatte er die Sorge für seine Person einigen Brüdern übertragen, die ihm verdientermaßen besonders nahestanden. Es waren dies nämlich Männer der Tugend, gottergeben, den Heiligen wohlgefällig, bei den Menschen beliebt. Auf sie stützte sich der selige Vater Franziskus wie ein Haus auf vier Säulen. Ihre Namen will ich jetzt übergehen, um ihre Bescheidenheit nicht zu verletzen, die ihnen doch als geistlichen Männern eine vertraute Freundin ist. - Bescheidenheit ist nämlich eine Zierde jeden Alters. Sie ist ein Zeugnis der Unschuld, das Merkmal eines keuschen Sinnes, eine Stütze der Zucht, der besondere Ruhm eines guten Gewissens, eine Hüterin des guten Rufes und der Schmuck aller Ehrbarkeit. Diese Tugend zierte jene Brüder, machte sie den Menschen gegenüber liebenswürdig und wohlwollend. Diese Gnadengabe war durchaus allen gemeinsam. Doch den einzelnen schmückte wieder eine besondere Tugend. Der eine besaß ein ausnehmendes Zartgefühl , der andere beispiellose Geduld , der dritte rühmenswerte Einfalt . Der letzte besaß große Körperkräfte, war seiner Sinnesart nach sanftmütig . Diese nun umhegten mit aller Wachsamkeit, mit allem Eifer, mit aller Bereitwilligkeit die innere Ruhe des seligen Vaters und übernahmen die Pflege des kranken Körpers. Keiner Schwierigkeit, keiner Mühe gingen sie aus dem Weg, um sich ja ganz dem Dienst des Heiligen zu widmen.

103. 
Aber wenngleich der glorreiche Vater vor Gott in der Gnade schon zur Vollendung gelangt war und unter den Menschen dieser Welt durch heilige Werke glänzte, war er dennoch dauernd darauf bedacht, noch Vollkommeneres in Angriff zu nehmen und als wohlerfahrener Ritter im Heerlager Gottes den Gegner herauszufordern und immer wieder neue Kämpfe zu entfachen. Er hatte vor, unter dem Führer Christus "Gewaltiges zu vollbringen". Wenn auch die Glieder erschlafften und der Leib schon abgestorben war, erhoffte er sich doch in neuem Streit einen Triumph über den Feind; denn wahre Tugend kennt kein zeitliches Ende, weil der erwartete Lohn ewig ist. Er glühte daher vor heißer Sehnsucht, zu den ersten Verdemütigungen zurückzukehren. Aus grenzenloser Liebe hoffnungsfroh, gedachte er, seinen Leib zur früheren Dienstbarkeit zurückzuführen, obwohl er doch schon bis zum Äußersten gegangen war. Er räumte gänzlich alle hemmenden Sorgen beiseite und unterdrückte vollständig jeden beunruhigenden Kummer. Und als er infolge seiner Krankheit die frühere Strenge notwendigerweise mäßigte, sagte er: "Brüder, nun wollen wir anfangen, Gott dem Herrn zu dienen; denn bis jetzt haben wir kaum, sogar wenig - nein, gar keinen Fortschritt gemacht." Er glaubte nicht, es schon ergriffen zu haben; und unermüdlich ausharrend im Vorsatz heiliger Erneuerung, lebte er in der Hoffnung, immer wieder einen neuen Anfang setzen zu können. Er wollte wieder zur Aussätzigenpflege zurückkehrenl06 und zum Gespötte dienen, wie es einstens geschah . Er nahm sich vor, die Gesellschaft der Menschen zu fliehen und die verborgensten Orte aufzusuchen, um so, frei von allen Geschäften und enthoben der Sorge um die anderen, für jetzt nur mehr durch die Wand des Fleisches von Gott getrennt zu sein. 

104. 
Er sah nämlich, wie viele sich nach den Ämtern der Ordensleitung drängten . Er verabscheute die Verwegenheit dieser Leute und suchte sie durch sein Beispiel von solch krankhafter Sucht abzubringen. - Er pflegte nämlich zu äußern, es sei gut und wohlgefällig in den Augen Gottes, Sorge für andere zu tragen, und sagte, daß nur diejenigen die Sorge um die Seelen übernehmen sollten, die dabei nichts suchten für ihre Person, sondern immer in allem nur den Willen Gottes im Auge hätten . Diejenigen sind gemeint, die nichts dem eigenen Heile vorziehen und nicht den Beifall, sondern den Fortschritt ihrer Untergebenen anstreben, nicht Ansehen vor den Menschen, sondern Ehre vor Gott; diejenigen, die nicht nach einem Oberenamt haschen, sondern es fürchten, die eine Ernennung nicht erhebt, sondern demütiger macht und die eine Absetzung nicht erniedrigt, sondern erhöht . Gerade in dieser Zeit, in der die Bosheit so üppig aufschoß und die Schlechtigkeit überhand nahm, sei es gefährlich, sagte er, zu regieren, dagegen, behauptete er, nützlicher, sich regieren zu lassen. Es schmerzte ihn, daß manche ihre ersten Werke verließen und, nachdem sie etwas Neues gefunden, die frühere Einfachheit vergaßen. Deshalb beklagte er die, die einst aus ganzer Seele dem Höheren nachgingen, jetzt aber zu Niedrigem und Nichtigem herabstiegen, und die in unnützen und eitlen Dingen sich auf dem Felde ungezügelter Freiheit zerstreuten und herumtrieben, nachdem sie sich von den wahren Freuden abgekehrt hatten. Deshalb bat er die göttliche Güte, seine Söhne von diesen Verirrungen zu befreien und flehte inständigst, sie in der einmal gewährten Gnade zu erhalten.


Kapitel VII
Wie er von Siena nach Assisi kam; die Kirche S. Maria von Portiunkula; 
die Segnung der Brüder

105. 
Im sechsten Monat vor seinem Hinscheiden weilte Franziskus in Siena , um sich wegen seines Augenleidens behandeln zu lassen. Da begann er, auch am ganzen übrigen Körper schwer zu erkranken: der Magen war infolge der dauernden Krankheit und infolge eines Leberleidens sehr geschwächt, er brach viel Blut, so daß er dem Tode nahezukommen schien. Auf die Kunde hiervon eilte Bruder Elias schnellstens von weither zu ihm. Bei seiner Ankunft kam der heilige Vater wieder soweit zu Kräften, daß er jene Gegend verlassen und in dessen Begleitung nach Le Celle bei Cortona kommen konnte. Als er dort anlangte und einige Zeit Rast hielt, schwoll sein Leib an, ebenso seine Beine und Füße. Der Magen versagte mehr und mehr seinen Dienst, so daß er kaum mehr etwas Speise aufnehmen konnte . Er bat darum Bruder Elias, ihn nach Assisi bringen zu lassen. Der gute Sohn tat, was der gütige Vater wollte. Nachdem er alle Vorbereitungen getroffen, überführte er ihn nach dem gewünschten Ort. Es freute sich die Stadt bei der Ankunft des seligen Vaters, und aller Leute Mund pries Gott; alle Leute hofften nämlich, der Heilige Gottes werde in Bälde sterben, und das war der Grund des großen Jubels.

106. 
Durch Gottes Fügung ist es geschehen, daß die heilige Seele sich dort vom Fleische trennte und von dem Ort ins Himmelreich einging, wo ihr, als sie noch im Fleische weilte, zuerst Kenntnis himmlischer Dinge verliehen und heilbringende Salbung eingegossen wurde . Er wußte zwar, daß an jedem Orte der Erde das Himmelreich aufgerichtet ist, und er glaubte, daß allerwärts den Auserwählten Gottes die göttliche Gnade zuteil werde. Aber er hatte doch erfahren, daß der Ort der Kirche S. Maria von Portiunkula mit reicherer Gnade erfüllt und durch den Besuch himmlischer Geister häufiger ausgezeichnet worden ist . Er sagte daher oft zu den Brüdern: "Seht zu, meine Söhne, daß ihr diesen Ort niemals verlaßt! Wenn ihr auf der einen Seite hinausgetrieben werdet, geht auf der anderen wieder hinein; denn dieser Ort ist wahrhaft heilig und eine Wohnstätte Gottes. Hier hat uns der Allerhöchste vermehrt, als wir noch wenige waren ; hier hat er mit dem Lichte seiner Weisheit die Herzen seiner Armen erleuchtet, hier hat er mit dem Feuer seiner Liebe unseren Willen entzündet . Hier erhält jeder, der demütigen Herzens bittet, was er begehrt, und wer hier fehlt, wird schwerer gestraft. Deshalb, meine Söhne, haltet aller Ehre würdig den Ort der Wohnung Gottes und preist hier Gott aus eurem ganzen Herzen mit Jubel und Lobgesang!"

107. 
Inzwischen verschlimmerte sich die Krankheit. Alle Kraft seines Körpers schwand dahin und, ganz kraftlos geworden, konnte er sich in keiner Weise mehr bewegen. Und als er von einem Bruder gefragt wurde, was er lieber ertragen wolle, diese andauernde und so langwierige Krankheit oder das schwerste Martyrium von Henkershand, antwortete er: "Mein Sohn, das war und ist mir immer lieber, süßer und angenehmer, was mehr nach dem Wohlgefallen des Herrn, meines Gottes, an mir und mit mir geschieht. Seinem Willen allein wünsche ich allzeit und in allem gleichförmig und gehorsam befunden zu werden. Aber wenn ich als Ersatz für jedes beliebige Martyrium diese Krankheit auch nur drei Tage ausstehen müßte, so würde es mir schwerer fallen. Das sage ich nicht in Hinblick auf Lohn und Vergeltung, sondern allein auf die Pein des Leidens, die sie mir bereitet." - O Martyrer, ja Martyrer, der lächelnd und freudig mit größter Bereitwilligkeit ertrug, was allen nur zum Anschauen so bitter und schmerzlich war! Buchstäblich "keines seiner Glieder blieb von argem Leid verschont" . Die natürliche Körperwärme verlor sich allmählich; täglich kam er seinem Ende näher. Die Ärzte staunten, die Brüder wunderten sich, wie der Geist noch leben konnte in einem schon so abgestorbenen Fleische; denn das Fleisch war verschwunden, und nur mehr die Haut hing an den Knochen.

108. 
Als er nun sah, daß ihm der letzte Tag bevorstehe, was ihm auch durch eine göttliche Offenbarung schon vor zwei Jahren angekündigt war , ließ er die Brüder, die er haben wollte, zu sich rufen. Einem jeden gab er seinen Segen, wie es ihm von oben eingegeben ward, gleich wie vormals der Erzvater Jakob seinen Söhnen , ja, wie ein zweiter Moses, der die Söhne Israels mit Segnungen überhäufte , als er auf den ihm von Gott bezeichneten Berg stieg. Während Bruder Elias zu seiner Linken Platz nahm und die übrigen Brüder ringsherum saßen, kreuzte er die Hände und legte die Rechte auf das Haupt des Elias und fragte, da er des Lichtes und Gebrauches seiner leiblichen Augen beraubt war: "Über wen halte ich meine Rechte?" "Über Bruder Elias", antworteten sie. "So will ich es auch", sagte er und fuhr fort: "Dich, mein Sohn, segne ich in allem und durch alles, und wie der Allerhöchste in deinen Händen meine Brüder und Söhne vermehrt hat, so segne ich deinetwegen und in dir alle. Im Himmel und auf Erden segne dich Gott, der König des Weltalls! Ich segne dich, soviel ich kann und mehr als ich kann, und was ich nicht vermag, möge der in dir ersetzen, der alles vermag! Gott sei eingedenk deiner Mühe und Arbeit, und bei der Vergeltung der Gerechten werde dein Anteil aufbewahrt. Allen Segen, den du wünschest, mögest du finden, und was du in der rechten Weise erbittest, möge dir erfüllt werden" . - "Lebet wohl, ihr meine Söhne alle, in der Furcht Gottes und verbleibet in ihr allezeit; denn kommen wird über euch große Versuchung, und Drangsal naht. Glückselig, die in dem beharren werden, was sie begonnen! Aus ihnen werden kommende Ärgernisse einige ausscheiden. Ich aber eile nun zum Herrn und habe die Zuversicht, daß ich schon auf dem Wege zu meinem Gott bin, dem ich in meinem Geiste voll Hingebung gedient habe" . Er befand sich damals immer noch im Palast des Bischofs von Assisi und bat deshalb die Brüder, sie möchten ihn schnellstens nach S. Maria von Portiunkula hinübertragen. Er wollte nämlich dort seine Seele Gott zurückgeben, wo er, wie gesagt , zuerst den Weg der Wahrheit voll und ganz erkannt.


Kapitel VIII
Was er tat und sagte bei seinem glückseligen Hinscheiden

109. 
Wie ihm durch den göttlichen Willen kundgegeben worden war, sollte die Zeit seiner Bekehrung schon mit zwanzig Jahren vollendet sein . Als nämlich der selige Vater einmal mit Bruder Elias in Foligno weilte, trat eines Nachts, als sie sich schon zur Ruhe begeben hatten, ein weißgekleideter Priester, hochbetagt und vorgerückten Alters, von ehrwürdigem Aussehen vor Bruder Elias und sprach: "Steh auf, Bruder, und sage Bruder Franziskus, daß achtzehn Jahre verflossen sind, seit er die Welt verließ und Christus anhing, daß er von heute ab nur noch zwei Jahre auf dieser Welt bleiben wird, daß ihn dann Gott zu sich ruft und er den Weg allen Fleisches gehen wird!" Und so ging das Wort des Herrn, das er lange vorher gesagt, in der festgesetzten Zeit in Erfüllung. Als er an der heißersehnten Stätte einige Tage geruht hatte und nun erkannte, daß die Stunde seines Todes nahe bevorstehe, rief er zwei Brüder , die ihm besonders liebe Söhne waren, zu sich und hieß sie wegen des nahen Todes oder vielmehr wegen des so nahe bevorstehenden Lebens im Jubel des Geistes dem Herrn mit lauter Stimme die Lobpreisungen singen. Er selbst brach, so gut er konnte, in den Psalm Davids aus: "Mit meiner Stimme rufe ich zum Herrn, mit meiner Stimme flehe ich zum Herrn." - Einer von den anwesenden Brüdern aber, den der Heilige ganz besonders liebte und der für alle Brüder außerordentlich besorgt war, sagte zum heiligen Vater, als er seinen Zustand sah und erkannte, daß sein Ende nahe sei: "Gütiger Vater, wehe, ohne Vater müssen die Kinder zurückbleiben und werden ihres wahren Augenlichtes beraubt . Gedenk daher der Waisen, die du zurücklässest, laß allen ihre Schuld nach und erfreue alle, die Anwesenden und die Abwesenden, mit deinem heiligen Segen!" Ihm erwiderte der Heilige: "Mein Sohn, sieh an, Gott ruft mich zu sich. Meinen Brüdern in der Nähe und in der Ferne lasse ich alle Vergehen und alle Schuld nach und spreche sie davon los, soviel ich kann . Tue ihnen das kund und segne alle an meiner Statt" !

110. 
Zuletzt ließ er sich das Evangelienbuch bringen und bat, man möge ihm das Evangelium nach Johannes vorlesen von der Stelle an, wo es heißt : "Sechs Tage vor Ostern, da Jesus wußte, daß für ihn die Stunde gekommen sei, aus dieser Welt hinüber zum Vater zu gehen ..." Auch der Minister hatte sich vorgenommen, dieses Evangelium zu lesen, noch ehe es ihm geboten ward. Er stieß sofort auf diese Stelle, als er das Buch zum ersten Male öffnete , obwohl es eine vollständige Ausgabe der ganzen Heiligen Schrift war, aus der das Evangelium gelesen werden sollte. Darauf ließ sich der Heilige auf ein Zilizium legen und mit Asche bestreuen, da er ja bald Staub und Asche werden sollte . Während nun viele Brüder herbeikamen, denen er Vater und Führer war, und ehrfürchtig ihn umstanden und alle sein seliges Scheiden und glückliches Ende erwarteten, löste sich seine heiligste Seele vom Leibe und wurde in dem grundlosen Meer des Lichtes verschlungen; der Leib aber entschlief im Herrn. - Einer aber von den Brüdern und Jüngern des Heiligen - sein Ruhm ist weithin bekannt, aber ich glaube seinen Namen verschweigen zu müssen, da er bei Lebzeiten ob solcher Auszeichnung nicht gerühmt sein will - sah die Seele des heiligsten Vaters geradewegs über viele Wasser hinweg in den Himmel aufsteigen. Sie war wie ein Gestirn, an Größe dem Mond gleich, hatte aber irgendwie den Glanz der Sonne und ward von einem lichten Wölkchen emporgetragen.

111. 
Man darf darum wohl über ihn ausbrechen in den Ruf: "Wie herrlich ist dieser Heilige, dessen Seele sein Jünger in den Himmel aufsteigen sah! Schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne , und als sie aufstieg auf lichter Wolke, erstrahlte sie überaus herrlich. Du wahres Licht der Welt, heller leuchtend als die Sonne in der Kirche Christi, siehe, du hast uns jetzt die Strahlen deines Lichtes entzogen, bist in jene lichterfüllte Heimat eingegangen und hast statt uns Armseligen die Versammlung der Engel und Heiligen zu deinen Genossen erwählt! Du gütiger, glorreicher Vater, hehrsten Lobes würdig, entziehe dich nicht der Sorge für deine Söhne, wenn du auch vom sterblichen Leib, den du mit ihnen gemein hattest, schon geschieden bist. Du weißt, ja wirklich, du weißt, in welch gefährlicher Lage du sie zurückgelassen hast; ihre ungezählten Mühen und vielfachen Bedrängnisse hat allein schon deine beglückende Gegenwart zu jeder Stunde barmherziglich gemildert. Wirklich barmherzig warst du, heiligster Vater, da du in deiner Güte immer bereit warst, dich deiner sündigen Söhne zu erbarmen und ihrer zu schonen! Dich also lobpreisen wir, würdiger Vater, den der Allerhöchste gesegnet hat, der immer der über alles gebenedeite Gott ist. Amen."

Kapitel IX
Die Klage der Brüder und ihre Freude, als sie an ihm die Zeichen des Kreuzes sahen. 
Die Flügel des Seraphs

112. 
Es strömte darob viel Volk zusammen, das Gott lobte und sprach: "Gelobt und gepriesen seist du, Herr, unser Gott, der uns Unwürdigen ein so kostbares Gut anvertraut hat! Lob und Ruhm sei dir, unaussprechliche Dreieinigkeit!"-In Scharen strömte die ganze Stadt Assisi herzu, und alle Leute der Umgebung eilten herbei, die Großtaten Gottes zu sehen, die der Herr der Herrlichkeit an seinem heiligen Knechte so glorreich kundgetan hatte. Jedermann sang ein Lied der Freude, wie es sein Herzensjubel ihm eingab, und alle benedeiten die Allmacht des Erlösers, daß ihr Verlangen erfüllt worden. Gleichwohl klagten die Söhne, die ihren großen Vater verloren hatten, und taten die kindliche Liebe ihres Herzens kund durch Tränen und Seufzer. Doch eine unerhörte Freude linderte ihre Trauer, und die Neuheit des Wunders versetzte sie in übergroßes Staunen. Ihre Trauer kehrte sich in Lobgesang und ihr Wehklagen in Freudenjubel. Denn noch nie hatten sie gehört oder in Büchern gelesen, was sich ihren Augen darbot und wovon sie sich hätten kaum überzeugen lassen, wenn es nicht durch einen so klaren Beweis bestätigt worden wäre. Es strahlte an ihm wider das wahrhafte Bild des Kreuzes und des Leidens des unbefleckten Lammes, das die Sünden der Welt abgewaschen hat; er sah aus, als sei er frisch vom Kreuz herabgenommen, als seien Hände und Füße von Nägeln durch-bohrt und die rechte Seite wie von einer Lanze verwundet. Die Beschreibung des toten Franziskus und seiner Wundmale hier und in 1 Celano 113 stützt sich offensichtlich auf das Rundschreiben des Bruders Elias (5. 6 [S. 102-103]); vgl. aber auch unten Anm. 148.
Sie sahen nämlich seinen Leib, der zuvor dunkel gewesen war, in blendendem Glanze erstrahlen und durch seine Schönheit den Lohn der seligen Auferstehung verheißen. Sie schauten endlich sein Antlitz gleich dem Antlitz eines Engels, und so, als ob er lebe und nicht gestorben sei, und seine übrigen Glieder zart und beweglich wie die eines unschuldigen Kindes. Seine Sehnen verkrampften sich nicht, wie es bei Toten gewöhnlich der Fall ist, seine Haut wurde nicht hart, seine Glieder wurden nicht starr, sondern ließen sich hin- und herbewegen, wie man sie gerade legte.

113. 
Und da er in so wunderbarer Schönheit vor allen, die ihn besahen, erglänzte und sein Körper blendend weiß geworden war, war es etwas Wunderbares, mitten in seinen Händen und Füßen nicht bloß die Male der Nägel, sondern die Nägel selber, aus seinem Fleische gebildet, in der Schwärze des Eisens gehalten, und die rechte Seite vom Blute geröstet zu sehen. Die Zeichen des Martyriums flößten den Beschauern kein Grausen ein, sondern verliehen hohe Zierde und Anmut, wie es schwarze Steinchen auf weißem Boden zu tun pflegen. Die Brüder und Söhne eilten herbei und küßten unter Tränen die Hände und Füße ihres geliebten Vaters, der sie verlassen hatte, sowie seine rechte Seite, deren Wunde das hehre Andenken an jenen wachrief, der aus derselben Stelle Blut und Wasser zugleich vergoß und die Welt mit dem Vater versöhnte.-Jeder aus dem Volke glaubte, die größte Gnade zu erhalten, wenn er die heiligen Wundmale Jesu Christi, die der heilige Franziskus an seinem Leibe trug , nicht nur küssen, sondern schon, wenn er sie sehen durfte. -Denn wer hätte sich bei diesem Anblick zum Weinen und nicht viel mehr zur Freude stimmen lassen und wer hätte, wenn er geweint, es nicht eher vor Freude als vor Schmerz getan? Wessen Gemüt, auch noch so stahlhart, hätte sich nicht zu Seufzern rühren lassen? Wessen Herz, auch noch so steinern, hätte sich nicht zermürben lassen bis zur Zerknirschung, sich nicht entflammen lassen zur göttlichen Liebe, sich nicht wappnen lassen zu gutem Wollen? Wer wäre so abgestumpft, so gefühllos, dem nicht die offenbare Wahrheit ein-leuchtete, daß dieser Heilige, so wie er mit einzigartiger Gnade ausgezeichnet war auf Erden, so auch mit unaussprechlicher Glorie verherrlicht sein werde im Himmel?

114. 
O einzigartige Gnade und Zeichen einer bevorzugten Liebe! Mit der gleichen Wehr des Ruhmes wird der Ritter gerüstet, wie sie nur der allerhöchsten Majestät des Königs zukommt! O ewig denkwürdiges Wunder, Geheimnis, dessen man ohne Unterlaß mit staunender Ehr-furcht gedenken sollte, weil es dem Auge des Glaubens jenes Mysterium vergegenwärtigt, in dem das Blut des unbefleckten Lammes, das aus fünf Wunden überströmend sich ergoß, die Schuld derWelt abgewaschen hat! O erhabene Zier des lebenspendenden Kreuzes, das den Toten das Leben gibt! Wie angenehm drückt und welch süße Wunden schlägt seine Last, daß in ihm der tote Leib wiederbelebt und der schwache Geist gestärkt wird! Er liebte dich viel, den du so glorreich geziert! Ehre und Lobpreis dem einzigen weisen Gott, der die Zeichen erneuert und neue Wunder schafft, um die Herzen der Kranken mit neuen Offenbarungen zu trösten und durch ein Wunder in der sichtbaren Welt ihre Herzen hinzureißen zur Liebe der unsichtbaren Dinge! O wunderbare und liebenswürdige Anordnung Gottes! Um jede Möglichkeit des Verdachtes auszu-schließen-solch Wunder war ja unerhört-, hast du barmherzig es zuerst an dem gezeigt, der vom Himmel war, was du wundervoll bald an dem wirken wolltest, der auf Erden lebte. Und zwar wollte der wahrhafte Vater der Erbarmungen zeigen, welchen Lohnes der würdig ist, der ihn aus ganzem Herzen zu lieben trachtet; er erhält nämlich seinen Platz in einer höheren und Gott näheren Ordnung der himmlischen Geister . Das können wir ganz zweifellos erlangen, wenn wir nach Art der Seraphim zwei Flügel über unser Haupt ausspannen, das heißt, wenn wir nach dem Beispiel des seligen Franziskus bei jedem guten Werke die reine Absicht und die rechte Handlungsweise haben, sie auf Gott hinlenken, und so uns unermüdlich bestreben, ihm in allen Dingen ganz allein zu gefallen. Beide Flügel müssen zur Bedeckung des Hauptes notwendig verbunden sein; denn das rechtschaffene Werk nimmt der Vater der Lichter ohne reine Absicht gar nicht an, genau so wenig umgekehrt, wie er selbst sagt: "Ist dein Auge einfältig, so wird dein ganzer Leib licht sein, ist aber dein Auge schlecht, so wird dein ganzer Leib finster sein." Das Auge ist ja nicht einfältig, wenn es aus mangelnder Kenntnis der Wahrheit nicht sieht, was es sehen soll, oder, weil ihm die reine Absicht fehlt, auf das sieht, was es nicht sehen soll. Im ersten Fall wird ein gesunder Verstand das Auge nicht einfältig, sondern blind, im zweiten Fall schlecht nennen. Die Federn dieser Flügel sind die Liebe zum barmherzig rettenden Vater und die Furcht vor dem schrecklich richtenden Herrn. Sie müssen die Herzen der Auserwählten freihalten vom Irdischen durch Unterdrückung der bösen Regungen und durch Ordnen der reinen Neigungen. Zwei Flügel soll man dann zum Flug erheben, um dem Nächsten einen zweifachen Liebesdienst zu erweisen, indem man seine Seele erquickt durch das Wort Gottes und seinen Leib erhält durch irdische Hilfe. Diese Flügel verbinden sich sehr selten, weil nicht leicht jemand beide Forderungen zugleich erfüllen kann. Die Federn dieser Flügel sind die verschiedenen guten Werke, die erforderlich sind, um dem Nächsten mit Rat und Tat zu helfen. Mit zwei Flügeln endlich wird der Leib bedeckt, der der Verdienste bar ist. Dies geschieht dann ordnungsgemäß, wenn er, durch einen Sündenfall der Verdienste beraubt, durch reumütiges Bekenntnis wieder mit Unschuld umkleidet wird. Die Federn dieser Flügel sind vielerlei Gemütsbewegungen, die aus dem Abscheu vor der Sünde und aus dem Verlangen nach der Gerechtigkeit entstehen.

115. 
All das hat der hochselige Vater Franziskus aufs vollkommenste erfüllt. Er trug das Bild und die Gestalt eines Seraphs und verdiente durch seine Beharrlichkeit im Kreuze, zu der Stufe der erhabensten Geister sich emporzuschwingen. Immer nämlich hing er am Krenze, indem er an sich den Willen des Herrn erfüllen konnte. Zudem wissen die Brüder, die mit ihm verkehrten, wie er täglich, ja ständig die Rede von Jesus auf den Lippen hatte, wie süß und lieblich sein Zwiegespräch, wie gütig und liebevoll seine Unterredung mit ihm war. Aus der Fülle des Herzens redete sein Mund und die Quelle seiner erleuchteten Liebe, die sein ganzes Innere erfüllte, sprudelte über nach außen. Immer war er mit Jesus beschäftigt, Jesus trug er stets im Herzen, Jesus im Munde , Jesus in den Ohren, Jesus in den Augen, Jesus in den Händen, Jesus in seinen übrigen Gliedern.-Wie oft vergaß er, wenn er zu Tisch saß und "Jesus" hörte oder nannte oder nur dachte, die leibliche Speise und, wie man von einem Heiligen liest : "Er sah und sah doch nicht, er hörte und hörte doch nicht." Ja noch mehr! Oft, wenn er seines Weges ging und "Jesus" dachte oder sang, vergaß er seines Weges und forderte alle Elemente auf zum Lobe Jesu1. Und weil er in wunderbarer Liebe immer Christus Jesus, und zwar den Gekreuzigten in seinem Herzen trug und bewahrte, deshalb wurde er auch vor allen mit seinem Zeichen so herrlich gezeichnet. Ihn durfte er auch in der Verzückung schauen, in unsagbarer und unfaßbarer Herrlichkeit sitzend zur Rechten des Vaters, mit dem er als des Allerhöchsten gleichhöchster Sohn in der Einheit des Heiligen Geistes lebt und regiert, siegt und herrscht als ewig glorreicher Gott in alle Ewigkeit der Ewigkeiten. Amen.


Kapitel X
Die Klage der Frauen bei S. Damiano, 
und wie er mit Ruhm und Ehre bestattet wurde

116. 
Die Brüder und Söhne also, welche mit der großen Masse des Volkes, die aus den benachbarten Städten herbeigekommen war und sich freute, an einer so hohen Feier teilnehmen zu können, verbrachten die ganze Nacht, in der der heilige Vater verschieden war, im Lobe Gottes, so daß man wegen des frohen Jubels und der Helle der Lichter glauben konnte, die Engel hielten Wache. In der Morgenfrühe aber strömte die Volksmenge der Stadt Assisi mit dem gesamten Klerus herbei. Sie nahmen den heiligen Leichnam von dem Ort, wo er verschieden war, unter Hymnen und Lobgesang und trugen ihn unter dem Schall der Posau-nen ehrenvoll in die Stadt. Alle nahmen Zweige von Oliven und anderen Bäumen und begleiteten feierlich den ehrwürdigen Leichenzug. Der Lichter wurden immer mehr, mit lauter Stimme sang man Loblieder.- Die Söhne trugen den Vater, die Herde folgte dem Hirten, der zum Hirten aller eilte. Als man an den Ort kam, wo er die Gemeinschaft und den Orden der gottgeweihten Jungfrauen und der Armen Frauen zuerst gegründet hatte, stellte man den Leichnam in der Kirche S. Damiano nieder, wo seine ebengenannten Töchter, die er für den Herrn gewonnen, wohnten, und öffnete das kleine Fenster, durch das die Mägde Christi zur bestimmten Stunde den Leib des Herrn im Sakrament zu empfangen pflegten. Man öffnete auch den Schrein, in dem der Schatz himmlischer Tugenden geborgen lag und in dem von wenigen getragen wurde, der viele zu tragen gewohnt war. Und sieh, es erschien Herrin Klara, die wirklich eine Strahlende war durch ihre Helligkeit und ihre Verdienste, die erste Mutter der übrigen Jungfrauen; denn sie war die erste Pflanze dieses heiligen Ordens. Sie kam mit den übrigen Töchtern, um den Vater zu sehen, der nicht mehr zu ihnen sprach und nie mehr zu ihnen zurückkehren sollte, da er anderswohin eilte.

117. 
Sie seufzten und klagten in großem Herzeleid, schauten unter reichlichen Tränen ihn an und begannen mit halberstickter Stimme zu rufen: "Vater, Vater, was sollen wir anfangen? Warum verläßt du uns in unserer Trostlosigkeit? Warum hast du uns dorthin, wohin du gehst, nicht vorausgehen lassen, mit Freuden wären wir vorausgegangen; und jetzt lässest du uns hier in solcher Betrübnis zurück! Was trägst du uns auf, daß wir tun sollen, wir, die so eingeschlossen sind in diesem Kerker und die du fernerhin nie mehr besuchen wirst, wie du sonst immer tatest? Mit dir schwindet all unser Trost, und ein Ersatz bleibt uns nicht, die für die Welt begraben sind. Wer wird uns in unserer an Verdiensten und Besitz-tümern gleich großen Armut trösten? Du Vater der Armen164, Liebhaber der Armut! Wer wird uns zu Hilfe kommen in der Versuchung? Du hast unzählige Versuchungen bestanden und Versuchungen vorsichtig zu prüfen gewußt. Wer wird uns aufrichten in unserer Trübsal, du Helfer in den Nöten, die uns hart bedrängt haben? O des bitteren Scheidens, der verhaßten Trennung! Du so grausiger Tod, der Tausende von Söhnen und Töchtern eines solchen Vaters beraubt und sie dadurch zugrunde richtet; denn unwiderruflich entfernst du eilig den, durch den unser Eifer, wenn es überhaupt einer war, am meisten erblühte!" -Doch jungfräuliche Scheu gebot dem vielen Weinen Einhalt. Und es wäre auch unziemlich gewesen, über den untröstlich zu klagen, bei dessen Scheiden ein Heer von Engeln herbeieilte und die Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes sich freuten. So waren sie zwischen Trauer und Freude geteilt und küßten die hellstrahlenden Hände des Vaters, die mit kostbarsten Edelsteinen und strahlenden Perlen geschmückt waren. Dann trug man ihn fort, und es schloß sich ihnen die Pforte, die sich nie mehr für einen so großen Schmerz öffnen wird.-Wie groß war die allgemeine Trauer bei der rührenden und Mitleid heischenden Klage der Töchter! Wie groß war vor allem das Wehklagen der betrübten Söhne! Der Schmerz jedes einzelnen von ihnen war der gemeinsame Schmerz aller, so daß sich kaum jemand der Tränen enthalten konnte, als die Engel des Friedens bitterlich weinten .

118. 
Als endlich der ganze Zug bei der Stadt anlangte, bestattete man unter großer Freude und Jubel den heiligen Leichnam an geweihtem Ort , der in Zukunft noch geweihter werden sollte. Hier erleuchtet er die Welt zur Ehre des höchsten, allmächtigen Gottes durch ungezählte neue Wunder, wie er sie bis jetzt wunderbar erhellt hat durch die Lehre seiner heiligen Predigt. Gott sei Dank! Amen.
Sieh an, heiligster, gebenedeiter Vater, mit geziemendem und würdigem, wenn auch ungenügendem Lobpreis habe ich dich gerühmt und deine Taten, so gut ich vermochte, erzählt und beschrieben. Verleihe daher mir Armen, dir im gegenwärtigen Leben so zu folgen, daß ich gnädiglich verdiene, im künftigen zu deinem Gefolge zu gehören. Sei eingedenk, du gütiger Vater, deiner armen Söhne, denen nach dir, ihrem einzigen und alleinigen Trost, kaum ein anderer Trost bleibt. Denn wohl bist du, ihrer aller vornehmster und erster Anteil, den Chören der Engel zugesellt und am Thron der Herrlichkeit in die Reihe der Apostel gestellt; deine Söhne liegen indes noch in tiefem Schlamme , eingeschlossen in dunklem Kerker, und rufen unter Tränen zu dir: "Vater, zeige Jesus Christus, dem Sohne des allerhöchsten Vaters, seine heiligen Wundmale und laß sehen die Zeichen des Kreuzes an deiner Seite, an deinen Füßen und Händen, daß er in seiner Barmherzigkeit sich würdige, seine eigenen Wunden dem Vater zu zeigen, der uns Elenden dann sicherlich darob immer gnädig sein wird." Amen. Amen. Amen.

Ende des zweiten Buches


III. Buch

DIE HEILIGSPRECHUNG UNSERES SELIGEN 
VATERS FRANZISKUS UND SEINE WUNDER

Es beginnt das dritte Buch über die Heiligsprechung unseres seligen Vaters Franziskus 
und über seine Wunder

119. 
Der glorreiche Vater Franziskus, der sein glückliches Beginnen mit einem noch glücklicheren Ende krönte, empfahl im zwanzigsten Jahre seiner Bekehrung glückselig dem Himmel seinen Geist, wo er, mit Ruhm und Ehre gekrönt, seinen Platz gewann inmitten der feurigen Steine beim Throne der Gottheit, ein wirksamer Nothelfer derer, die er auf Erden zurückgelassen. In der Tat, was wird jenem versagt werden können, der durch die Einprägung der heiligen Wundmale die Gestalt dessen widerspiegelt, der, wesensgleich dem Vater, sitzet zur Rechten der Majestät in den Höhen, der, ein Abglanz der Herrlichkeit und das Abbild des göttlichen Wesens, Reinigung der Sünder wirkt? Sollte der nicht Erhörung finden, der dem Tode Jesu gleichförmig in der Teilnahme an seinem Leiden , die heiligen Wundmale der Hände, der Füße und der Seite trägt ? Ja wahrhaftig, schon erfüllt er die ganze Welt, die mit neuer Wonne beglückt ist, mit Freude und bietet allen das Glück wahren Heiles. Mit dem hellsten Lichte seiner Wunder bestrahlt er die Welt, und mit dem Glanze eines wahren Gestirns erleuchtet er den ganzen Erdkreis. Einst trauerte die Welt, da seine Gegenwart ihr entzogen worden, und sah sich bei seinem Scheiden gleichsam in einen finsteren Abgrund versenkt. Aber schon fühlt sie, gleichsam am Mittag, beim Aufgang eines neuen Lichtes von noch helleren Strahlen erleuchtet, daß alles Dunkel von ihr genommen ist . Gottlob, nunmehr hat all ihre Klage aufgehört, da sie jeden Tag allerorts mit neuem Jubelreich überhäuft wird durch die Verkündigung seiner heiligen Tugenden. Sie kommen von 0st undWest, von Süd und Nord, die seinen Schutz erfahren, und beweisen mit wahrhaftem Zeugnis, daß dieses sich so verhält. Darum nahm er auch als besonderer Liebhaber himmlischer Güter, solange er im Fleische lebte, auf der Welt nichts zu eigen, um einst das Gute in seiner ganzen Fülle vollkommener und freudiger zu besitzen. So wurde er denn über das Ganze gesetzt, da er über Halbes nicht Herr sein wollte, und hat die Ewigkeit für die Zeitlichkeit eingetauscht. Überall kommt er allen zu Hilfe, überall ist er allen nahe, und er, der die Einheit wahrhaft liebt, erfährt keine Minderung durch Mitteilung an andere.

120. 
Solange er noch unter uns Sündern lebte, durchzog er predigend den ganzen Erdkreis. Jetzt, da er bereits mit den Engeln in den Höhen herrscht, eilt er leichter als ein Gedanke im Fluge dahin, gleichsam als Bote des höchsten Königs, und gewährt allen Völkern herrliche Wohl-taten. Darob ehren und verehren, loben und verherrlichen ihn alle Völker insgesamt. Denn alle haben ja teil am gemeinsamen Glück. Wer könnte die Zahl, wer die Art der Wunder nennen, die der Herr überall durch ihn zu wirken sich würdigt? - Wie viele Wunder wirkte Franziskus allein in Frankreich, wo zum Kusse und zur Verehrung des Kopfkissens, das der heilige Franziskus in seiner Krankheit benützte, selbst der König und die Königin und alle Großen Frankreichs herbeigeeilt sind? Wo selbst die Weisen der Welt und die gelehrtesten Männer, von denen Paris von jeher die größte Anzahl auf der ganzen Erde hervorbringt , demütig und voll Hingabe Franziskus verehren, bewundern und hochschätzen, ihn, den ungebildeten Mann und den Freund wahrer Einfalt und höchster Lauterkeit.-Und mit Recht trägt er den Namen Franziskus, da er mehr als alle anderen ein edles, "frankes" Herz trug. Diejenigen, die seine Hochherzigkeit erfahren haben, wissen, wie freimütig und freigebig er in allem war, wie sicher und unerschrocken er bei allem auftrat, mit welcher Mannigfaltigkeit, mit welcher Glut des Geistes er alles Weltliche mit Füßen trat. -Was soll ich vollends von den anderen Teilen der Welt berichten? Dort weichen durch seine Kleidungsstücke die Krankheiten, es fliehen Kummer und Gram, und auf die bloße Anrufung seines Namens hin erlangen viele Leute beiderlei Geschlechts Befreiung von ihren Nöten.

121. 
Auch an seinem Grabe geschehen immerfort neue Wunder, und durch vermehrtes Bittgebet werden an diesem Ort herrliche Gnaden für Seele und Leib erlangt. Blinden wird das Augenlicht wiedergegeben, Tauben das Gehör, Lahmen das Gehvermögen. Stumme reden, Gichtbrüchige springen, Aussätzige werden rein, Wassersüchtige werden gesund, und Leute, die mit den verschiedensten Leiden und Gebrechen behaftet sind, erlangen die ersehnte Gesundheit wieder . So heilt der tote Leib lebendige Körper, gleichwie er zu Lebzeiten tote Seelen zum Leben erweckte. Diese Kunde hört und erfährt der Bischof von Rom, der höchste aller Bischöfe, der Führer der Christen, der Herr des Erdkreises, der Hirte der Kirche, der Gesalbte des Herrn, der Stellvertreter Christi . Er freut sich und jubelt, frohlockt und jauchzt, da er in seinen Tagen die Kirche Gottes durch neue Geheimnisse, doch durch die alten Wunder sich erneuern sieht. Und das an seinem Sohne, den er am Herzen getragen, auf dem Schoße gehegt, mit der Milch des Wortes genährt und mit der Speise des Heiles großgezogen. Dieses hören auch die übrigen Wächter der Kirche, die Hirten der Herde, die Verteidiger des Glaubens, die Freunde des Bräutigams , die ihm an die Seite gegeben sind, die Angeln der Welt, die ehrwürdigen Kardinäle. Sie beglückwünschen die Kirche, freuen sich mit dem Papste. Sie preisen den Erlöser, der in höchster, unaussprechlicher Weisheit, aus höchster, unbegreiflicher Gnade, aus höchster, unschätzbarer Güte das Törichte und Unscheinbare in der Welt auserwählt hat , um so das Starke an sich zu ziehen. Der ganze Erdkreis vernimmt es und stimmt frohlockend zu, und das gesamte dem katholischen Glauben ergebene Reich kann die Freude nicht fassen und strömt über von heiliger Tröstung.

122. 
Doch plötzlich tritt eine Wandlung der Dinge ein, und unterdessen taucht in der Welt eine neue Angelegenheit auf. Sogleich wird die Ruhe des Friedens gestört, des Neides Fackel flammt auf, die Kirche wird in häuslichem inneren Krieg zugrunde gerichtet. Die Römer, ein aufrührerisches und wildes Volk, wüten nach ihrer Gewohnheit wieder einmal gegen ihre Nachbarn und strecken frevlerisch verwegen ihre Hand nach dem Heiligtum aus . Der treffliche Papst Gregor bemüht sich, die entfesselte Bosheit zu zähmen, dem Wüten Einhalt zu tun, den Ansturm zu mäßigen, und schützt wie ein starkbefestigter Turm die Kirche Christi. Viele Gefahren brechen herein; das mannigfache Verderben wächst immer mehr an, und auch auf dem übrigen Erdkreis erhebt sich der Sünder Nacken wider Gott. Was tun? In Voraussicht der kommen-den Dinge und in Erwägung der gegenwärtigen Lage überläßt der Papst die Stadt den Aufrührern, um die Welt von Aufständen zu befreien und zu bewahren. So kommt er dann in die Stadt Rieti , wo er mit gebührenden Ehren aufgenommen wird. Von da zieht er weiter nach Spoleto , wo ihm allgemeine Hochachtung und Ehrerbietung zuteil wird. Dort verweilt er einige Tage und, über die Lage der Kirche im Bilde, sucht er, begleitet von den ehrwürdigen Kardinälen, in seiner Güte die Dienerinnen Christi auf , die für die Welt tot und begraben sind. Ihr heiliger Wandel, ihre allerhöchste Armut und ihre treffliche Lebensordnung rühren ihn und seine Begleitung zu Tränen, rufen auf zu Weltverachtung und entflammen zum jungfräulichen Leben. O Demut, du liebenswürdige Pflegerin aller Gnaden! Der Herr des Erdkreises, der Nachfolger des Apostelfürsten besucht die Armen Frauen, kommt zu den verachteten und demütigen Eingeschlossenen. Und obschon diese Demut nach wohlbegründeter Meinung geziemend war, so war sie doch durch das Beispiel ungewöhnlich, und man hätte sie in den verflossenen Jahrhunderten vergeblich gesucht.

123. 
Schon eilt er, ja er eilt Assisi zu , wo ein herrlicher Schatz für ihn aufbewahrt wird, der all das Leid und die hereinbrechende Bedrängnis bannen soll. Bei seinem Einzug jubelt die ganze Umgebung auf, die Stadt ist erfüllt mit Jauchzen, die Volksmenge feiert große Freudenfeste, und der helle Tag erstrahlt durch die neuen Lichter noch mehr. Alles zieht ihm zum Empfang entgegen, und feierliche Wache wird von allen gehalten. Es zieht ihm entgegen die fromme Gemeinschaft der armen Brüder, und ein jeder bringt dem Gesalbten des Herrn liebliche Lieder dar. Der Statthalter Christi begibt sich an Ort und Stelle und, wie er zum erstenmal zum Grab des heiligen Franziskus hinabsteigt, grüßt er es mit Ehrfurcht und Freude. Er seufzt tief auf, schlägt an seine Brust, vergießt Tränen, und in überquellender Andacht neigt er sein ehrwürdiges Haupt. Inzwischen findet eine feierliche Beratung über die Kanonisation des Heiligen statt, und in dieser Angelegenheit wird auch die erlauchte Versammlung der Kardinäle öfters zusammengerufen. Von allen Seiten eilen in Scharen herbei, die durch den Heiligen Gottes von ihren Übeln befreit worden sind, und allenthalben kommt eine sehr große Anzahl glänzender Wunder zum Vorschein: sie werden geprüft, beglaubigt, sie werden angehört und bestätigt.-Dringende Amtsgeschäfte, eine neue drohende Angelegenheit nötigen zwischenhinein den Seligen Vater, nach Perugia zu reisen . Doch infolge überreicher, einzigartiger Gnade kehrt er zur Ausführung der äußerst wichtigen Obliegenheit wieder nach Assisi zurück. In Perugia findet dann eine letzte Beratung statt, und in der Wohnung des Herrn Papstes wird in dieser Angelegenheit eine heilige Versammlung der ehrwürdigen Kardinäle gehalten. Es herrscht völlige Ubereinstimmung, und alle äußern sich in der gleichen Weise. Man liest die Wunder und zollt ihnen hohe Verehrung. Mit den höchsten Lob-sprüchen aber wird das Leben und der Wandel des seligen Vaters ausgezeichnet.

124. 
"Das überaus heiligmäßige Leben des ganz heiligen Mannes", so sagen sie, "bedarf nicht der Bestätigung durch Wunder, haben wir es ja mit unseren eigenen Augen gesehen, sozusagen mit unseren Händen gegriffen und im Lichte der Wahrheit geprüft." -Alles frohlockt, jubelt und vergießt Freudentränen, und in diesen Tränen liegt großer Segen. Und schon bestimmt man den gesegneten Tag, an dem die ganze Welt mit gnadenreicher Freude erfüllt werden soll. Auch dieser feierliche Tag kommt heran , denkwürdig für alle Zeiten. Nicht nur die Länder der Erde, sondern auch die himmlischen Wohnungen soll er mit noch höherem Jubel erfüllen. Die Bischöfe werden eingeladen, Äbte erscheinen, und aus den entferntesten Gegenden sind kirchliche Würdenträger da. Selbst ein König gibt die Ehre seiner Anwesenheit , eine edle Schar von Grafen und Vornehmen findet sich ein. Sie alle begleiten den Herrn der ganzen Erde und ziehen in prächtigem Zuge mit ihm in die StadtAssisi ein. Man gelangt zu dem Orte, der für einen so feierlichen Aufzug vorbereitet ist28, und um den Heiligen Vater sammelt sich die ganze erlauchte Schar der Kardinäle, Bischöfe und Äbte. Man sieht dort eine ausgezeichnete Versammlung von Priestern und Klerikern, weiter die glückliche und heilige Gemeinde der Ordensleute, bescheidene Jungfrauen mit dem heiligen Schleier, schließlich eine große Schar aus allen Völkern und eine nahezu unzählbare Menge beiderlei Geschlechtes. Von allen Seiten eilt man herbei, Leute jeden Alters verlangen stürmisch, sich einer so großartigen Versammlung beigesellen zu dürfen. Klein und groß sind dort, der Knecht und der freie Mann, den sein Herr freigelassen .

125. 
Aufrecht steht der Papst, der Bräutigam der Kirche Christi, umgeben von der bunten Pracht solcher Söhne. Auf seinem Haupte trägt erdie Krone der Herrlichkeit , gezeichnet mit dem Zeichen der Heiligkeit. Er steht da, geschmückt mit der päpstlichen Mitra, angetan mit den heiligen Gewändern, gefaßt in Gold und besetzt mit geschliffenen Edelsteinen. Er steht da, der Gesalbte des Herrn, im Goldglanz majestätischer Pracht, bedeckt mit glitzernden, figurenreichen Edelsteinen, die Blicke aller auf sich ziehend. Ihn umgeben die Kardinäle und Bischöfe, geschmückt mit schimmernden Ketten, angetan mit schneeweißen, leuchtenden Gewändern; ein Bild überhimmlischer Schönheit, spiegeln sie die Freude der Verklärten wider. Alles Volk erwartet Worte der Freude, Worte des Jubels, noch nie gehörte Worte, Worte voll von jeglicher Süßigkeit, Worte des Lobes und Worte ewiger Benedeiung. Zuerst hält Papst Gregor an das ganze Volk eine Predigt und verkündet mit Wärme und Innigkeit, mit klangvoller Stimme Gottes Lob und Preis. Auch den heiligen Vater Franziskus preist er in gar vortrefflicher Rede und wird bei Erwähnung der Reinheit seines Wandels bis zu Tränen gerührt. Seine Rede begann also: "Wie der Morgenstern inmitten von Gewölk und wie der Vollmond leuchtet zu seiner Zeit und wie die Sonne in ihrem Glanze, so leuchtete er im Tempel Gottes". Nachdem die wahrheitsgetreue und aller Annahme wurdige Rede zu Ende ist, liest einer von den Subdiakonen des Herrn Papstes, namens Oktavian , in Gegenwart aller mit weithinschallender Stimme die Wunder des Heiligen vor. Der Herr Kardinaldiakon Rainer , ein durch Scharfsinn, Frömmigkeit und sittenstrenges Leben ausgezeichneter Mann, erläutert, während ihm die Tranen in den Augen stehen, in erhabenen Worten die Wundertaten. Da frohlockt der Hirte der Kirche, tiefe Senfzer entringen sich seinem innersten Herzen, wiederholt schuchzt er tiefbegluckt auf, während überreiche Tränen seinen Augen entströmen. Auch die übrigen kirchlichen Würdentrager konnen sich der Tränen nicht erwehren, die so reichlich fließen, daß sogar die heiligen Gewänder davon betaut werden. Zuletzt weint das ganze Volk, das arg müde wird von sehnsuchtsvoll gespanntem Warten.

126. 
Darauf erhebt der heilige Vater seine Hände zum Himmel und ruft mit erhobener Stimme: ,,Zum Lob und Ruhme des allmachtigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, der glorreichen Jungfrau Maria, sowie der heiligen Apostel Petrus und Paulus und zur Ehre der ruhmvollen Römischen Kirche bestimmen wir, nach Anhören des Rates unserer Brüder und der anderen Würdentrager, daß der hochselige Vater Franziskus, den der Herr im Himmel verherrlicht hat und den wir auf Erden verehren, in das Verzeichnis der Heiligen einzuschreiben sei, und daß sein Fest am Tage seines Hinscheidens gefeiert werde". Und auf diese Worte hin begannen die ehrwürdigen Kardinäle sowie der Herr Papst mit lauter Stimme das Tedeum zu singen. Da erhebt sich der laute Beifall der zahlreichen Volksmenge, die Gott preist. Die Erde hallt wider von unfaßbarem Freudenschall, die Luft erfullt sich mit lauten Jubelrufen und der Boden wird befeuchtet von Tränen. Neue Gesänge erklingen , und in geistlichen Melodien jubilieren die Diener Gottes. Man hört da die lieblichen Klänge von Musikinstrumenten, und geistliche Lieder werden in harmonischen Weisen gesungen. Entzückender Duft steigt hier empor, und wohlklingender Gesang, der aller Herzen rührt, hallt hier wider. Ein strahlender Tag, der von noch glänzenden Strahlen verschönt wird. Hier grünende Olivenzweige und frisches Laub von anderen Bäumen, dort festliche Gewänder, die leuchten und schimmern und alle zieren! Segen und Friede erfreuen die Herzen der Versammelten. Da steigt endlich der glückselige Papst Gregor von seinem erhabenen Thron die Stufen hinab, tritt ein in das Heiligtum, um Gebete und Opfer darzubringen. Er küßt den Sarg, der den heiligen, gottgeweihten Leib bewahrt, mit seinen vor Glück bebenden Lippen. Stets neue Gebete bringt er dar. Dann feiert er die heiligen Mysterien. Er ist umringt vom Kreise der Brüder, die den allmächtigen Gott loben, anbeten und preisen, der Großes auf der ganzen Erde gewirkt. Und das ganze Volk stimmt ein in Gottes Lob und bringt zur Ehre der erhabenen Dreifaltigkeit dem heiligen Franziskus Geschenke heiligen Dankes dar. Amen.-So geschehen in der Stadt Assisi am 16. Juli, im zweiten Jahre des Ponifikates des Herrn Papstes Gregor IX .


Wunder des Heiligen Franziskus

Im Namen Christi beginnen die Wunder unseres heiligen Vaters Franziskus

127. 
In demütigem Flehen um die Gnade unseres Herrn Jesu Christi wollen wir, um bei den Gegenwärtigen liebende Andacht zu erwecken und bei den Zukünftigen den Glauben zu bestärken, die in Gegenwart des Herrn Papstes Gregor, wie gesagt , vorgelesenen und dem Volk verkündeten Wunder unter Christi Fuhrung in Kürze, aber wahrheitsgetreu beschreiben.


I. Heilung von Gelähmten

An dem Tage namlich, an dem der hochheilige Leib des hochseligen Vaters Franziskus beigesetzt wurde, wie ein gar kostbarer Schatz, einbalsamiert mehr mit himmlischem Wohlgeruch als mit irdischen Spezereien, brachte man ein Mädchen herbei. Dieses hatte bereits ein Jahr lang einen unförmig gekrümmten Hals und einen Kopf, der an der Schulter angewachsen war. Es konnte nur von der Seite her aufwärts blicken. Als es den Kopf einige Zeit unten an den Sarg, in dem der kostbare Leib des Heiligen beigesetzt lag, hingehalten hatte, richtete sich alsbald durch die Verdienste des heiligen Mannes der Hals auf, und der Kopf befand sich heil in der richtigen Lage, so daß das Mädchen, ganz verblüfft von der plötzlichen Änderung, weinend davonlief. Eine Vertiefung aber war noch zu sehen an der Schulter, wo der Kopf hineingebogen war, wegen der Lage, die das ganze Leiden verursacht hatte .

128. 
Im Gebiet von Narni war ein Knabe, dessen Schienbein so gelähmt und verbogen war, daß er nur auf zwei Krücken gehen konnte. Er mußte betteln gehen und war schon mehrere Jahre mit diesem schweren Leiden behaftet. Vater und Mutter kannte er nicht. Er wurde durch die Verdienste unseres hochseligen Vaters Franziskus von dem erwähnten Übel so vollständig befreit, daß er ohne die Stütze eines Stockes überall frei einhergehen konnte. Gott und seinen Heiligen lobte und pries er dafür .

129. 
Einem gewissen Nikolaus, Burger von Foligno, war das linke Bein gelahmt. Wegen seiner heftigen Schmerzen und, um die frnhere Gesundheit wieder zu erlangen, hatte er für den Arzt so viel ausgegeben, daß er wider Willen und über Vermögen sich in Schulden verstrickte. Endlich, als dessen Hilfeleistung zu gar keinem Erfolg geführt hatte und er von den Schmerzen gar heftig gequält wurde, so daß er durch sein Stöhnen und Schreien die Nachbarn des Nachts nicht schlafen ließ, gelobte er sich Gott und dem heiligen Franziskus und ließ sich zu seinem Grab hintragen. Als er die Nacht betend vor dem Grab des Heiligen verweilt hatte, dehnte sich sein Bein aus und hocherfreut kehrte er ohne Stock nach Hause zurück .

130. 
Wieder ein Knabe - er hatte ein derart gelähmtes Bein, daß das Knie an die Brust und die Ferse an das Gesäß durch Lähmung angezogen war - trat zum Grab des seligen Franziskus heran. Der Vater kasteite sich mit einem Zilizium, indes die Mutter sich seinetwegen abhärmte. Auch er wurde so vollständig und plötzlich geheilt, daß er gesund und fröhlich mit Dank gegen Gott und den heiligen Franziskus durch die Straßen laufen konnte .

131. 
In der Stadt Fano lebte ein Krüppel, dessen Beine voll von Geschwüren an das Gesäß angewachsen waren. Sie verbreiteten einen solchen Gestank, daß die Spitalvater ihn unter keinen Umständen ins Spital aufnehmen, noch behalten wollten. Auch dieser erfreute sich bald darauf durch die Verdienste des hochseligen Vaters Franziskus, dessen Barmherzigkeit er anrief, der Genesung .

132. 
Ein kleines Madchen aus Gubbio hatte lahme Hände und ein ganzes Jahr lang den Gebrauch sämtlicher Glieder gänzlich verloren. Um die Gnade der Heilung zu erlangen, brachte es die Mutter mit einem Wachsbild zum Grabe des hochseligen Vaters Franziskus hinunter. Als es dort acht Tage zubrachte, wurden alle seine Glieder einesTages wieder so gebrauchsfähig hergestellt, daß sie wie gewöhnlich zu ihren früheren Diensten tauglich waren .

133. 
Ein anderer Knabe aus Montenero lag einige Tage vor den Pforten der Kirche, wo der Leichnam des heiligen Franziskus ruht . Er konnte weder gehen noch sitzen, da er vom Gürtel abwärts aller Kräfte und des Gebrauches der Glieder beraubt war. Eines Tages jedoch wurde er in die Kirche getragen, berührte das Grab des hochseligen Vaters Franziskus und ging gesund und heil von dannen. Der Knabe selbst aber erzählte: Während er vor dem Grab des glorreichen Heiligen lag, sei ein junger Mann vor ihm über dem Grabe gestanden in der Tracht der Minderbrüder. Er habe Birnen in der Hand getragen, ihn gerufen und, wie er ihm ein Birne hinreichte, ihn ermutigt, aufzustehen. Er habe die Birne aus seiner Hand genommen und geantwortet: ,,Siehe, ich bin lahm und kann unmöglich aufstehen." Er habe nun die angebotene Birne gegessen und die Hand nach einer anderen Birne, die ihm von dem gleichen jungen Mann angeboten wurde, ausgestreckt. Als ihn dieser abermals ermunterte, sich zu erheben, sei er nicht aufgestanden, weil er merkte, daß die Krankheit ihn noch niederhalte. Doch während er die Hand nach der Birne ausstreckte, habe der junge Mann ihm die Birne gegeben, seine Hand ergriffen, ihn hinausgeführt und sei dann vor seinen Augen verschwunden. Als er sah, daß er heil und gesund sei, habe er begonnen, mit lauter Stimme zu rufen und zu verkünden, was an ihm geschehen .

134. 
Eine Frau aus dem Flecken Coccorano trug man auf einer Bahre zum Grab des glorreichen Vaters; denn kein Glied, ausgenommen allein die Zunge, konnte sie irgendwie gebrauchen. Als sie nun eine Weile vor dem Grabe des heiligen Mannes sich aufhielt, erhob sie sich gänzlich geheilt.-Ein anderer Bürger von Gubbio trug seinen lahmen Sohn in einem Korb zum Grabe des heiligen Vaters und bekam ihn gesund und heil zuruck. Er war nämlich so sehr verkrüppelt gewesen, daß seine Beine am Gesäß angewachsen und ganz abgemagert waren .

135. 
Bartholomäus aus der Stadt Narni, ein sehr armer und hilfloser Mann, schlief einmal im Schatten eines Nußbaumes. Als er aufwachte, fand er sich so gelähmt, daß er nirgends mehr hingehen konnte. Das Leiden wurde immer arger, Schienbein und Fuß magerten ab, wurden krumm und verdörrten. Hineinschneiden mit dem Messer fühlte er nicht, noch hatte er irgendwie Angst vor dem Brennen mit Feuer. Aber der wahre Liebhaber der Armen und Vater aller Dürftigen, der heilige Franziskus, offenbarte sich ihm eines Nachts in einem Traumgesicht. Er befahl ihm, in ein Bad zu gehen, wo er ihn, von Mitleid über solches Elend bewegt, von diesem Leiden befreien wolle. Er wachte auf und, unschlüssig, was er tun solle, erzählte er dem Bischof der Stadt den ganzen Hergang des Gesichtes. Der Bischof aber ermahnte ihn, das bezeichnete Bad eiligst aufzusuchen, bekreuzte und segnete ihn. Der Mann schleppte sich nun, auf einen Stock gestützt, so gut es ging, an den Ort. Wie er tiefbetrübt dahinhumpelte und erschöpft war von der allzu großen Anstrengung, da hörte er eine Stimme, die zu ihm sprach: ,,Geh mit dem Frieden des Herrn! Ich bin der, dem du dich angelobt hast." Als er sich darauf dem Bad näherte, irrte er, da es Nacht war, vom Weg ab und horte die Stimme abermals ihm zurufen, daß er nicht auf dem rechten Wege gehe. Sie zeigte ihm auch den rechten Weg zum Bad. Als er an dem Ort angelangt und in das Bad gestiegen war, fühlte er, wie eine Hand sich auf seinen Fuß legte und eine andere auf sein Schienbein und es sanft streckte. Sofort sprang er geheilt aus dem Bad heraus, lobte und pries die Allmacht des Schöpfers und den seligen Franziskus, seinen Knecht, der ihm solche Gnade und Kraft hatte zukommen lassen. Denn sechs Jahre lang war dieser Mann Krüppel und Bettler gewesen und dazu noch in vorgeschrittenem Alters.

II. Blinde erhalten das Augenlicht wieder

136. 
Eine Frau namens Sibilia, die seit mehreren Jahren an Blindheit der Augen litt, ließ sich traurig zum Grabe des Mannes Gottes fahren.Voll Freude und Jubel aber kehrte sie heim, nachdem sie ihr früheres Augenlicht wiedererlangt hatte.-Ein Blinder aus Spellos fand vor dem Grabe des heiligen Leichnams sein langst verlorenes Augenlicht wie-der .-Eine andere Frau aus Camerino konnte auf dem rechten Auge überhaupt nicht sehen. Die Eltern legten auf das erblindete Auge einen Flecken Tuch, den der selige Franziskus berührt hatte, und machten ein Gelübde. Da erlangte sie wieder das Licht der Augen und dankte Gott dem Herrn und dem heiligen Franziskus .-Ähnliches geschah einer Frau aus Gubbio. Sie machte ein Gelübde und konnte sich ihres einstigen Augenlichtes wieder freuen .-Ein Bürger von Assisi war funf Jahre lang blind. Da er zu Lebzeiten des seligen Franziskus ein vertrauter Freund von ihm gewesen war, erinnerte er den Seligen, sooft er betete, immer an die frühere Freundschaft. Als er sein Grab berührte, werd er geheilt - Ein gewisser Albertin von Narni hatte fast ein Jahr lang das Augenlicht gänzlich verloren, und seine Augenlider hingen bis zu den Wangen herunter. Er gelobte sich dem seligen Franziskus an, erhielt das Augenlicht wieder und machte sich sofort auf zur Wallfahrt an sein glor-reiches Grab .


III. Besessene

137. 
In der Stadt Foligno lebte ein Mann namens Petrus. Einst machte er eine Wallfahrt zum Heiligtum des heiligen Erzengels Michael , sei es als Gelübde oder als Buße, die ihm für seine Sünden auferlegt war.Unterwegs rastete er an einer Quelle. Da er vom Marsch ermüdet war, dürstete ihn, und so kostete er von dem Wasser jener Quelle; da schien es ihm, als habe er Dämonen hineingetrunken. Tatsachlich war er drei Jahre hindurch von ihnen besessen und vollbrachte Dinge, scheußlich anzusehen und schrecklich zu erzählen. Als er auch zum Grabe des heiligen Vaters kam, wüteten die Dämonen und zerrten ihn aufs grausamste hin und her. Durch ein klares und offenbares Wunder aber wurde er bei der Berührung seines Grabes auf erstaunliche Weise befreit .

138. 
Eine Frau in der Stadt Narni wurde von einer furchtbaren Wut befallen und, da sie den Verstand verloren hatte, tat sie Schauderhaftes und redete ungereimtes Zeug. Da erschien ihr endlich der selige Franziskus in einem Gesicht und sprach: ,,Mach das Krenzzeichen!" Jene antwortete: ,,Ich kann nicht!" Da drückte ihr der Heilige selbst das Kreuzzeichen auf und verscheuchte von ihr jegliches Leiden des Wahnsinns und alle teuflische Vorspiegelung .-Noch viele Männer und Frauen, die von verschiedenen teuflischen Peinen gequält und von Blendwerk getauscht waren, wurden ob der herrlichen Verdienste des heiligen und glorreichen Vaters deren Gewalt entrissen.-Weil aber diese Art von Menschen sich oft täuschen läßt, so wollen wir uns bei diesen Dingen kurz fassen und zu den größeren Wundern ubergehen.


IV. Todkranke erlangen Genesung; Heilung von Wassersuchtigen,
Gichtkranken, Gichtleidenden und anderen mit 
verschiedenen Krankheiten Behafteten

139. 
Ein kleiner Knabe namens Matthäus aus der Stadt Todi lag acht Tage lang wie tot in seinem Bett. Sein Mund war krampfhaft geschlossen und das Augenlicht war erloschen. Die Haut seines Gesichtes, seiner Hände und Füße war ganz schwarz geworden wie ein Topf. Alle verzweifelten an seinem Wiederaufkommen; doch auf das Gelübde seiner Mutter hin genas er mit wunderbarer Schnelligkeit. Er brach nämlich aus dem Munde geronnenes Blut, so daß man meinte, er erbreche seine Eingeweide. Sofort aber, als seine Mutter den Namen des heiligen Franziskus auf den Knien flehentlich angerufen hatte, begann das Kind, während sie vom Gebete aufstand, die Augen zu öffnen, wieder zu sehen und an der Brust der Mutter zu saugen. Bald danach fiel auch die schwarze Haut ab, das frühere Fleisch wuchs wieder nach, das Kind erstarkte und kam wieder zu Kräften. Als der Knabe sich auf dem Wege der Besserung befand, fragte ihn die Mutter: ,,Wer hat dich gesund gemacht, mein Kind?", und jenes antwortete stammelnd: ,,Ciccu, Ciccu" ! Und abermals fragte man ihn: ,,Wessen Diener bist du?" Und wiederum antwortete er: "Ciccu, Ciccu!" Er konnte namlich noch nicht recht reden, da er noch zu klein war. Deshalb stammelte er nur die Hälfte des Namens des seligen Franziskus .

140. 
Ein junger Mann stürzte aus großer Höhe ab, verlor die Sprache und konnte kein Glied mehr rühren. Drei Tage lang aß er nichts, trank nichts, gab auch sonst kein Lebenszeichen; man hielt ihn für tot. Seine Mutter aber suchte keine ärztliche Hilfe, sondern erflehte vom seligen Franziskus seine Gesundheit. Und so erhielt sie ihn auf ein Gelubde hin wieder lebend und gesund zurück, wofür sie die Allmacht des Heilandes pries .-Ein anderer, Mancinus mit Namen, war zu Tode erkrankt. An seiner Genesung verzweifelten alle ganz und gar. Er rief, so gut er konnte, den Namen des seligen Franziskus an und erlangte plötzlich die Gesundheit wieder.-Ein Knabe aus Arezzo mit Namen Walter litt an beständigem Fieber und an zwei Geschwüren. Alle Ärzte gaben die Hoffnung auf. Als die Eltern zum seligen Franziskus ein Gelübde machten, erlangte er die ersehnte Gesundheit wieder .-Von einem anderen, der schon dem Tode nahe war, verfertigte man ein Wachsbild. Bevor es noch fertig war, wurde er plötzlich von allen Leiden befreit.

141. 
Eine Frau, die mehrere Jahre hindurch an das Krankenbett gefesselt, nicht imstande war, sich auf irgendeine Weise zu rühren oder zu bewegen, gelobte sich Gott und dem seligen Franziskus, und von jeglicher Krankheit befreit, konnte sie wieder ihren Haushalt besorgen .- In der Stadt Narni lebte eine Frau, die acht Jahre lang eine verdörrte Hand hatte, so daß sie mit ihr nichts arbeiten konnte. Endlich erschien ihr der hochselige Vater Franziskus in einem Gesicht, streckte ihre Hand aus und machte sie arbeitsfähig wie die andere .-Ein junger Mann aus derselben Stadt lag zehn Jahre lang an einer sehr schweren Krankheit danieder. Sein ganzer Körper war angeschwollen, so daß keine Medizin etwas half. Dieser erhielt durch die Verdienste des seligen Franziskus auf ein Gelübde seiner Mutter hin sofort das Glück der Gesundheit wieder .- In der Stadt Fano war jemand an Wassersucht krank. Seine Glieder waren schrecklich angeschwollen. Er verdiente, durch den seligen Franziskus von dieser Krankheit gänzlich befreit zu werden .-Ein Bürger aus Todi litt so sehr an Gelenkrheumatismus, daß er weder sitzen noch irgendwie ruhen konnte. Das heftige Leiden verursachte ihm solch andauerndes Frieren, daß es schien, als müsse er ganz in Nichts zerfallen. Er rief Ärzte, vermehrte die Bäder, nahm viele Arzneien ein, doch keines von diesen Heilmitteln konnte ihm Linderung verschaffen. Eines Tages aber machte er in Gegenwart eines Priesters ein Gelübde, auf daß der heilige Franziskus ihm die frühere Gesundheit wiedergebe. Als er seine Gebete zu dem Heiligen verrichtet hatte, gewahrte er bald, daß die frühere Gesundheit wiederkehrte .

142. 
Eine Frau, die in der Stadt Gubbio gichtkrank daniederlag, wurde nach dreimaliger Anrufung des Namens des seligen Franziskus befreit und war geheilt . -Ein Mann namens Bontadosus hatte an Handen und Füßen ein so schweres Leiden, daß er sich weder bewegen noch auf die Seite legen konnte. Er hatte bereits allen Appetit und Schlaf verloren. Eines Tages kam zu ihm eine Frau, die ihn mahnte und ihm zuredete, er solle sich demütigst dem seligen Franziskus geloben, wenn er von dieser Krankheit möglichst schnell befreit werden wolle. Der Mann aber antwortete im Übermaß der Schmerzen: ,,Ich kann nicht glauben, daß er ein Heiliger ist!" Als das Weib ihm noch eindringlicher zuredete, ein Gelübde zu machen, gelobte jener Mann sich endlich auf folgende Weise: ,,Ich gelobe mich", sprach er, ,,dem heiligen Franziskus und glaube, daß er ein Heiliger ist, wenn er mich innerhalb von drei Tagen von dieser Krankheit befreit." Bald ward er geheilt durch die Verdienste des Heiligen Gottes. Er konnte wieder gehen, essen und schlafen und gab dem allmächtigen Gott die Ehre .

143. 
Ein Mann war von einem eisernen Pfeil am Kopf schwer verwundet worden. Da der Pfeil durch die Augenhöhle eingedrungen und im Kopf steckengeblieben war, konnte ihm kein Arzt helfen. Da gelobte er sich in demütigem Flehen dem Heiligen Gottes Franziskus und hoffte, er könne auf seine Fürbitte hin Befreiung erlangen. Als er ein wenig ausruhte und schlief, wurde ihm vom heiligen Franziskus im Traume offenbart, daß er den Pfeil durch den hinteren Teil des Kopfes herausziehen lassen solle. Und so, wie er's im Traum gesehen, ließ er es am folgenden Tage machen; ohne große Schwierigkeiten wurde er davon befreit.

144. 
Ein Mann aus dem Städtchen Spello namens Imperator hatte zwei Jahre lang ein so schweres Bruchleiden, daß alle Eingeweide durch den Unterleib nach außen traten. Er konnte sie nämlich nicht für eine längere Zeit ins Innere zurückbringen, noch innen behalten, so daß er ein Bruchband tragen mußte, daß die Eingeweide nach innen zurückhielt. Er nahm seine Zuflucht zu Ärzten, um bei ihnen Linderung zu finden. Diese aber verlangten von ihm einen unerschwinglichen Preis, und als er eines Tages kein Geld und keinen Lebensunterhalt mehr hatte, verzweifelte er ganz und gar an ihrer Hilfe. Endlich wandte er sich an die göttliche Hilfe und begann, demutig die Verdienste des seligen Franziskus anzurufen auf der Straße, im Hause und wo immer er war. So geschah es, daß er innerhalb kurzer Zeit durch die Gnade Gottes und die Verdienste des seligen Franziskus wieder ganz gesund wurde .

145. 
Ein Bruder in der Mark Ancona, der unter dem Gehorsam unseres Ordens diente, hatte in der Lenden- und Rippengegend eine so schlimme Fistel, daß er die Möglichkeit einer Heilung seitens der Ärzte gänzlich aufgab, da die Krankheit schon weit um sich gegriffen hatte. Er bat nun seinen Minister, unter dessen Gehorsam er stand, um Erlaubnis, den Ort, wo der Leib des hochseligen Vaters ruhte, aufsuchen zu durfen. Er hatte nämlich das Vertrauen, durch die Verdienste des Heiligen selbst die Gnade der Genesung zu erlangen. Sein Minister indes verwehrte es ihm, weil er in Sorge war wegen des Schnee- und Regenwetters, das zu dieser Jahreszeit herrschte, er mochte ob der Anstrengung der Reise nur noch größeren Schaden nehmen. Da jener Bruder ein wenig in Unruhe geriet, weil er die Erlaubnis nicht erhalten hatte, stand eines Nachts der heilige Vater Franziskus an seiner Seite und sprach: ,,Mein Sohn, angstige dich in Zukunft nicht mehr deswegen, sondern zieh deinen Pelz aus, mit dem du bekleidet bist, wirf das Pflaster weg samt der darübergelegten Binde, halte deine Regel, und du wirst gesund werden!" Wie er des Morgens aufstand, tat er alles nach Geheiß, war sofort befreit und dankte Gott dafür .


V. Heilung von Aussätzigen

146. 
Zu S. Severino in der Mark Ancona war ein junger Mann namens Acto, der am ganzen KÖrper mit dem Aussatz behaftet war. Nach ärztlichem Urteil galt er bei allen als Aussätziger. Seine Glieder waren nämlich alle angeschwollen und dick, seine Adern erweitert und gebläht, und so sah er alles mit einem unwirklichen Blick. Der Arme konnte nicht gehen, sondern mußte dauernd das Krankenbett hüten. So bereitete er seinen Eltern Schmerz und Trauer. Der Vater aber wußte, täglich von Gram und Schmerz durchwühlt, nicht mehr, was er mit ihm anfangen solle. Endlich kam es ihm in den Sinn, ihn dem seligen Franziskus in aller Form zu weihen, und er sprach zu seinem Sohne: ,,Mein Kind, willst du dich nicht dem heiligen Franziskus weihen, der überall durch viele Wunder glänzt, damit es ihm gefallen möge, dich von dieser Krankheit zu befreien?" Dieser antwortete: ,,Ja, Vater, ich will's." Sofort ließ der Vater einen Papierstreifen bringen und die Gestalt des Sohnes nach Größe und Umfang abmessen; dann sprach er: ,,Richte dich auf, mein Sohn, und weihe dich dem seligen Franziskus; wenn er dir die Heilung gewährt, sollst du ihm, solange du lebst, jedes Jahr eine Kerze bringen, die so lang ist wie du." Auf Geheiß des Vaters richtete sich dieser auf, so gut er konnte, und mit gefalteten Händen begann er demütig den seligen Franziskus um Erbarmen anzuflehen. Nachdem mit dem Papierstreifen das Maß abgenommen und das Gebet beendigt war, wurde er auf der Stelle vom Aussatz geheilt. Er stand auf, gab Gott und dem seligen Franziskus die Ehre und begann fröhlich umherzugehen . -In der Stadt Fano lebte ein junger Mann namens Bonushomo. Alle Ärzte erklärten ihn für gelähmt und aussätzig. Als ihn seine Eltern dem seligen Franziskus fromm weihten, wurde er vom Aussatz gereinigt, die Lähmung wich, und er erlangte die volle Gesundheit wieder


VI. Stumme reden, Taube hören

147. 
In Citta della Pieve war ein armer Betteljunge, der von Geburt an vollstandig taubstumm war. Er hatte eine Zunge, so kurz und verstum-melt, dal3 sie vielfach den Leuten, die sie untersuchten, ganz abgeschnitten vorkam. Eines Abends kam er spät zum Haus eines Mannes aus demselben Ort, namens Markus, und bat ihn, wie Stumme zu tun pflegen, mit Zeichen um gastliche Aufnahme. Er neigte nämlich seinen Kopf nach der Seite und legte eine Hand unter die Wange, um dadurch zu verstehen zu geben, daß er die Nacht bei ihm zuzubringen wünsche. Der Mann nahm ihn mit Freuden auf und behielt ihn gerne bei sich in seinem Hause; denn jener Knabe konnte treffliche Dienste tun. Er war gut veranlagt; denn obgleich er von derWiege an taubstumm war, so verstand er trotzdem durch Zeichen jeden Befehl. Als jener Mann eines Abends mit seiner Frau zu Tisch saß und der Knabe vor ihnen dastand, sprach er zu seinem Weibe: ,,Fur ein großes Wunder hielt ich es, wenn der selige Franziskus diesem Knaben Gehör und Sprache schenken würde."

148. 
Und er fügte bei: ,,Ich gelobe dem Herrgott: wenn der selige Franziskus sich herabläßt, das Wunder zu wirken, soll mir der Knabe um seiner Liebe willen lieb und teuer sein, und ich will für ihn sorgen die ganze Zeit seines Lebens." Und, o Wunder! Kaum war das Gelöbnis ausgesprochen, da sagte der Knabe sogleich: ,,Es lebt der heilige Franziskus!" Und gleich darauf schaute er auf und sagte weiter: ,,Ich sehe den heiligen Franziskus hier oben stehen. Er kommt, um mir die Sprache zu geben." Und der Knabe fügte hinzu: ,,Was soll ich nun aber zu den Leuten sagen?" Jener Mann entgegnete: ,,Du sollst Gott loben, und du wirst vielen Menschen zum Heile sein!" Schließlich sprang er auf mit lautem Jubel und Frohlocken und verkündete allen, was geschehen war. Alle liefen zusammen, die ihn früher stumm gesehen hatten, und, von Bewunderung und Staunen erfüllt, lobten sie auf den Knien Gott und den seligen Franziskus. Des Knaben Zunge wuchs und wurde zum Sprechen tauglich. Und von nun an sprach er wohlgeformte Worte, als ob er immer richtig geredet hatte .

149. 
Ein anderer Knabe, mit Namen Villa, konnte weder reden noch gehen. Für ihn verfertigte seine Mutter, einem gläubigen Gelöbnis zufolge, ein Wachsbild und trug es mit großer Ehrfurcht an den Ort, wo der selige Vater Franziskus ruht. Als sie nach Hause kam, fand sie ihren Sohn, wie er gehen und reden konnte .-Ein Mann aus der Diözese Perugia hatte die Sprache vollständig verloren; stets hielt er den Mund offen, "ahnte und gebärdete sich entsetzlich, weil seine Kehle ganz geschwollen und aufgebläht war. Als dieser Mann an den Ort kam, wo der heilige Leib ruht, und schon auf den Stufen zu seinem Grabe hinabsteigen wollte, erbrach er viel Blut. Darauf war er vollständig geheilt. Er konnte wieder reden und seinen Mund schließen und öffnen, wie er wollte .

150. 
Eine Frau litt solch heftige Schmerzen in ihrer Kehle, daß ihre Zunge infolge des heftigen Brennens ganz ausgetrocknet am Gaumen klebte. Sie konnte weder reden noch essen noch trinken. Man hatte Pflaster aufgelegt und Arzneien angewandt, doch bei all dem spürte sie keinerlei Erleichterung in ihrem Leiden. Schließlich machte sie dem heiligen Franziskus in ihrem Herzen - reden konnte sie ja nicht - ein Gelübde. Und sogleich löste sich das Fleisch, und aus ihrer Kehle kam ein rundes Steinchen, das sie in die Hand nahm und allen zeigte; und alsbald war sie vom Übel befreit .-In dem Orte Greccio war ein junger Mann, der Gehör, Gedächnis und Sprache verloren hatte. Auch mangelte ihm der Verstand und jedes Gefühl. Seine Eltern, die großes Vertrauen zum heiligen Franziskus hatten, weihten ihm in demütiger Ergebenheit den genannten jungen Mann. Als das Gelöbnis erfüllt war, erhielt er durch das Wohlwollen des heiligen und glorreichen Vaters Franziskus alle Sinne, die ihm gefehlt hatten, in reichem Maße wieder zurück.

Lob, Ruhm und Ehre sei Jesus Christus, unserem Herrn, dessen Reich und Herrschaft fest und ohne Wanken dauert durch alle Ewigkeit. Amen.

151. 
Wir haben einige wenige von den Wundern unseres hochseligen Vaters Franziskus angeführt, noch mehr jedoch übergangen , um denen, die seinen Spuren folgen wollen, den Eifer zu hinterlassen, die Gnade neuen Segens zu erflehen, auf daß der, welcher durch Wort und Beispiel, Leben und Lehre die ganze Welt aufs herrlichste erneuert hat, sich herablasse, die den Namen des Herrn liebenden Seelen stets mit neuem himmlischen Gnadenregen zu betauen. - Um der Liebe des armen Gekreuzigten willen und durch seine heiligen Wundmale, die der selige Vater Franziskus an seinem Leibe getragen hat, beschwöre ich alle, die dieses lesen, sehen und hören, vor Gott mich armen Sünder nicht zu vergessen. Amen.

Preis, Ehre und jegliches Lob sei dem allein weisen Gott, der zu seinem Ruhme alles in allem immerdar mit hochster Weisheit wirkt.

Amen. Amen. Amen.

 

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Sein Leben Der Dreige-
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