"Der
Menschenkörper, diese lebendige Uhr vom besten Gang und
Schlag, liefe und schlüge vortrefflich, wenn nicht der
Menschentor Schmutz und Sand und anderen Unrat zwischen die
Räder werfen und so den geordneten Lauf stören, vielleicht
zerstören würde." (Sebastian Kneipp)
Am 4. Oktober 1852 bekam er als dritter Kaplan in Biberach den ersten seelsorglichen Auftrag. Als solcher betreute er vor allem die Wallfahrer und die Filialgemeinden Biberachs. Ein Ruf nach München zum Leiter und Erzieher eines Hauses für verwahrloste Jugendliche ließ Kneipp sein Interesse und Engagement für gefährdete Jungen und Mädchen entwickeln. Doch sein Bischof gab ihn nicht frei. Am
20. Januar 1853 wurde er Kaplan in Boos. Wegen Erkrankung des
Pfarrers trug er die ganze seelsorgliche Last und Verantwortung,
doppelt schwer, da gerade die Cholera am Orte wütete. Am
24. November 1854 Besondere
Sorge schenkte er der religiös unwissenden Jugend. Als
Versetzungsgerüchte umgingen, bat eine Jungendeputation
den Generalvikar, ihnen doch ihren Lehrer nicht zu nehmen. Die
Bitte wurde abschlägig beschieden. Kneipp wurde angewiesen,
schon am nächsten Tage ohne Abschiedspredigt Augsburg zu
Damit führte ihn die göttliche Vorsehung an den Ort seines eigentlichen seelsorglichen Wirkens und priesterlichen Lebens. 42 Jahre lang begleitete er als Beichtvater, geistlicher Berater, Konferenzredner die Schwestern auf ihrem Wege zu Gott. Alle Sonn- und Feiertage hielt er Vorträge und gab alljährliche Exerzitien, wie auch den Waisenkindern und Mädchen, die im Kloster erzogen wurden. Als
besonnener Priester wandte er sich gegen Übertriebenheit
und Schwärmerei, dafür propagierte er Mit
dem 2. Oktober 1859 erwuchs ihm im nahen Türkheim in der
von den Dominikanerinnen übernommenen Mädchenschule
ein neuer Wirkkreis. Zwei- bis dreimal in der Woche rollte sein
Bauernwagen dorthin, meist beladen mit Lebensmitteln und Dingen,
die das Mutterhaus besaß, aber die Tochtergründung
in Türkheim noch entbehrte. Unter Sebastian Kneipps Leitung
entfalteten sich Kloster- und Mädcheninstitut zu hoher
geistiger und religiöser Blüte. Pfarrkirche
und Klosterkirche wurden unter persönlichen Opfern weiter
restauriert und ein Kreuzweg neu angelegt. Der Pfarrgottesdienst
wurde möglichst feierlich und, wenn eben möglich,
von ihm selbst gehalten.
Er
beschloss, die gepriesene Heilkraft des Wassers an sich selbst
zu erproben. In Dillingen nahm er im November 1849 in der Donau
das erste kalte Vollbad. Es bekam ihm gut. Weitere Bäder
folgten. Das Blutspucken hörte auf und das Lungenleiden
schwand. Im Georgianum zu München begann er bei dunkler
Diese
glücklichen Fälle bestärkten sein Vertrauen in
die Heilkraft des Wassers. Im Anfang der Wörishofener
Ein
besonderes ärztliches Fachwissen und Können hat Kneipp
niemals für sich beansprucht. Er war Autodidakt. Als Tausende
nach Wörishofen kamen, nahm er, um sich vor Fehlurteilen
und nicht zuletzt vor Gesetzesparagraphen zu schützen,
Fachärzte hinzu. Schwere Fälle wurden dann zuerst
von einem Arzt begutachtet, leichtere wurden von ihm allein
behandelt. Bei schweren Fällen wies er klug und vorsichtig
auf den ernsten Zustand hin, nahm aber trotzdem nicht alle Hoffnung.
Vor allem suchte er die Eigenkräfte des Kranken zu wecken
und ihn mit Zuversicht auf die Kraft der menschlichen Natur,
der Kräuter und des Wassers zu erfüllen. Oft sah er
an einem einzigen Tage an die 300 Krankheitsfälle. In
der ersten Zeit behandelte er die Kranken selbst. Für weibliche
Patienten war seine Nichte Therese zuständig. Güsse
erteilte er mit der Gießkanne. Den Blitzguss behielt er
sich auch später noch selbst vor. Die
Honorarfrage spielte bei ihm keine Rolle. Er nahm nichts für
sich, nur für seine karitativen Zwecke, und Die wichtige Ergänzung seiner Sprechstunde waren die Vorträge, die er in den letzten Jahren täglich nachmittags, meist im Freien und vor vielen Hunderten von Kurgästen über die Wasserkur, gesunde Ernährung, natürliche Lebensweise und Kleidung, über die Kindererziehung u. a. Themen hielt. Für die Kurgäste war jeder Vortrag ein Erlebnis, für Kneipp eine Entspannung und Erholung. Pfarrer
Kneipp erforschte aber auch die Wirkung der Pflanzen und das
Zusammenspiel von Nahrung und Bewegung beim Menschen. Immer
mehr Menschen kommen nach Wörishofen. Die Zahl der Kurgäste
wächst ebenso schnell wie der Ruhm des Wohltäters.
Im April 1881 wird Sebastian Kneipp Pfarrer von Wörishofen.
Es beginnen hektische Jahre für ihn. 1892 entschließt
sich Kneipp auf großen Europareisen seine Wasserheilmethode
zu popularisieren. Sein Reisebegleiter ist der Pfarrer Alois
Stückle von Mindelau, den er durch seine Wasserbehandlung
von schwerem Lungenleiden heilte. Unterwegs geht es Kneipp zu
langsam. Sehenswürdigkeiten und Kunstschätze kümmern
ihn nicht. "Wo sind die Kranken?" ist stets seine
erste Frage. An die 30 große Reisen hat Kneipp gemacht, durch Deutschland, in die Schweiz, nach Österreich-Ungarn und Frankreich. Der Höhepunkt dieser Reisen war die Fahrt nach Rom und die Wasserbehandlung Leos XIII. Mit
großem Engagement wandte sich zuerst seinen Amtsbrüdern
zu. Sie hatten als Konfratres zu seinem ärztlichen Können
besonderes Vertrauen und kamen in immer größerer
Zahl. Die Dominikanerinnen nahmen die Kranken auf und pflegten,
so viel und so gut sie konnten, aber ihre Räumlichkeiten
waren beschränkt.
Als es im Rohbau fertig stand, wurde ihm die Erlaubnis für eine Lupusheilanstalt, an die er zunächst dachte, abgeschlagen, jedoch die Genehmigung für ein Krankenhaus erteilt. Für diesen Bau spendete Kneipp 112.032 Mark, den Rest von 75.413 Mark übernahmen die Mallersdorfer Schwestern; die 1897 noch einen Flügel hinzufügten. So hatten diese treuen Helferinnen Kneipps nun ein Wirkfeld, die Kranken eine Heilstätte und sein jahrelanger ärztlicher Helfer ein Haus, in dem er tätig sein konnte. Der erziehungsbedürftigen Jugend widmete Kneipp den Rest seines Vermögens. Die Dominikanerinnen unterhielten eine Haushaltungsschule. Viele Mädchen mussten leider abgewiesen werden. So wurde ein stattlicher Neubau errichtet und diesem noch die Elementarschule für die Wörishofener Mädchen angegliedert. Zu diesem Bau gab Kneipp die Summe von 60.000 Mark. Auch die Kleinsten von Wörishofen vergaß er nicht. Einige Tage vor seinem Tode übergab er den Franziskanerinnen im Kneippianum 5.000 Mark als Grundstock für eine Kinderbewahranstalt. Weitere Schenkungen und Stiftungen können hier nicht aufgeführt werden, es sind noch sehr viele. Als Kneipp sich am 17. Juni 1897 im Alter von 76 Jahren stirbt, besitzt er nichts mehr. Er hinterlässt eine einzigartige Naturheilmethode und wird durch seine Taten und Ideen zur Legende.
|
Stand: