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Impuls von : Las Vegas und Hierapolis
Las Vegas und Hierapolis
Im Johannesevangelium, Kapitel 1 wird beschrieben, wie Jesus Philippus zum Jünger beruft (Joh 1,43 ff). Philippus lebte in
einer kleinen Stadt in Galiläa. Es ist im Grunde nur ein Fischerdorf. „Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa gehen und
findet Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach! Philippus aber war aus Betsaida, der Stadt des Andreas und Petrus.“
Betsaida war zur Zeit Jesu ein Fischerdorf mit ungefähr 600 Einwohnern. Dieser Philippus war ein junger Bursche zwischen
15 und 17 Jahren aus einem kleinen, abgelegenen Nest in der Provinz. Die Lebenserwartung in jener Zeit in Nazareth und
den anderen Dörfern in Galiläa lag bei dreißig bis vierzig Jahren. Mit zwanzig bis fünfundzwanzig hatte man keine Zähne
mehr, weil die Ernährung so schlecht war. Wir sprechen hier von Bauern, die wahrscheinlich rund achtzig Prozent Steuern
an Herodes Antipas und an die Römer zahlen mussten. Die Menschen lebten notgedrungen von der Hand in den Mund.
Jesus beruft diesen Philippus, wahrscheinlich ein Teenager mit ungefähr 15 Jahren, aus diesem kleinen unbedeutenden
Dorf, in dem vor allem Fischer und Bauern lebten. Philippus will noch jemand anderen dabei haben und holt Nathanael
dazu.
Wir verlassen jetzt kurz die Bibel und schlagen die Kirchengeschichte auf. Es handelt sich hierbei um Überlieferungen, nicht
um die Bibel, aber ich möchte schildern, was die Kirchengeschichte über Philippus‘ weiteres Leben vermutet: Man vermutet,
dass Philippus später in seinem Leben in einer griechischen Stadt namens Hierapolis landete. Hierapolis lag in Kleinasien,
der heutigen Türkei. Hierapolis war im ersten Jahrhundert eine Garnisonsstadt der römischen Armee. Tausende von
Soldaten waren in Hierapolis stationiert. Es gab viel Marmor und eine erstaunliche Architektur; Hierapolis war ein Zentrum
für Glücksspiele. In Hierapolis gab es alles, was das Soldatenherz begehrte. Hunderttausende von Menschen lebten in
diesem Las Vegas in Kleinasien, in dieser griechisch-römischen Stadt. Ich habe diese Gegend vor ein paar Wochen besucht
und ging durch die Ruinen und über die polierten Steine auf den Straßen. Es gab dort offensichtlich Bordelle und
Spielhallen. Hierapolis war riesig groß und lag in einer wunderschönen Gegend in einem schönen Tal mit Hängen auf
beiden Seiten und schneebedeckten Bergen. In der Zeit, in der Philippus dorthin kam, regierte Kaiser Domitian. Laut
kirchengeschichtlicher Überlieferung war das zwischen 25 und 35 n. Chr.. Wenn man annimmt, dass Philippus nicht viel
älter als 15 war, als er Jesu Jünger wurde, und wenn man die Jahre nimmt, in denen er der Überlieferung zufolge nach
Hierapolis kam, regierte also Kaiser Domitian. Domitian hielt sich für Gott. Die Götter anzubeten bedeutete also, Domitian
anzubeten. Wenn man in einer großen römischen Stadt lebte, musste man anerkennen, dass Domitian Gott sei. Das
Domitian-Tor von Hierapolis steht noch heute. Wenn man nach Hierapolis hineinkommen wollte, musste man durch dieses
Tor gehen. Wenn man durch dieses Tor ging, sagte man damit: „Ich erkenne an, dass Domitian Gott ist.“ Die
kirchengeschichtliche Überlieferung berichtet, dass Philippus seine Familie mit in diese Stadt nahm, um dort die gute
Nachricht von Jesus zu verkünden. Dieser Junge aus Betsaida schritt auf dieses Domitian-Tor zu und ging dann außen um
das Tor herum. Er weigerte sich, unter diesem Tor durchzugehen. Seine Familie erschrak, da sie wussten, was mit ihnen
passieren würde. In einem Zitat heißt es: „Philippus versicherte seiner Familie: Macht euch keine Sorgen. Ich habe gesehen,
wie mein Rabbi 5000 Menschen satt machte. Uns wird nichts passieren.“ Philippus wurde direkt vor dem Domitian-Tor
gekreuzigt. Zur Abschreckung für alle, die dem Kaiser die göttliche Ehre verweigerten. Es wird allgemein angenommen,
dass vorher seine ganze Familie vor seinen Augen gekreuzigt wurde. Als Letzten kreuzigten sie ihn. Sie begruben Philippus
oben auf dem Märtyrerhügel. Sein Grabmal kann man heute noch besichtigen.
Hierapolis wurde ein blühendes Zentrum des christlichen Glaubens. Dieser junge Bursche marschierte in das Las Vegas
seiner Zeit, und Las Vegas kam zu Jesus. Warum? Weil Philippus glaubte, dass er tatsächlich wie sein Rabbi sein konnte.
Anders lässt sich die Kühnheit nicht erklären, die diese Jünger an den Tag legten. Jesus sagte am Ende des
Johannesevangeliums, als er sie auf seinen Tod vorbereitet: „Ihr habt mich nicht erwählt, ich habe euch erwählt.“ Jesus sagt
an dieser Stelle nicht: „Ich bin ein Calvinist und will jetzt über Prädestination reden.“ Jesus war ein jüdischer Rabbi, der mit
seinen Schülern sprach. „Ich werde sterben. Ich werde gekreuzigt werden. Ich werde in den Himmel auffahren. Ich lasse
euch zurück, damit ihr mein Joch weitertragt. Und wenn du in Hierapolis landest – wenn du dein Hierapolis findest –, dann
vergiss nicht: Nicht du hast mich erwählt, sondern ich habe dich erwählt. Denn ich glaube, dass du so sein kannst wie ich.“
Wir wissen nur von zwei Rabbinern in der ganzen jüdischen Geschichte, die losgingen und Jünger beriefen. Ein Rabbi
namens Hillel, der ungefähr 50 Jahre vor Jesus lebte und sagte: „Gott kann aus jedem einen Jünger machen.“ Und dann
Jesus. Alle anderen Rabbiner warteten darauf, dass die Schüler zu ihnen kamen.
Mein Rabbi geht hinaus und sucht die Gebrochenen, die Misshandelten, die Leidenden, die Menschen, die vom religiösen
Establishment abgelehnt wurden, Menschen, die öfter verheiratet waren, als sie zählen können, Menschen, die
Suchtprobleme haben, Menschen, die schwere Essstörungen haben. Mein Rabbi geht los und sucht Menschen, die wegen
Betrugs vor Gericht stehen, er sucht Menschen, die von ihren Klassenkameraden verspottet werden, er sucht Menschen,
die versagt haben, und er sagt: „Komm und folge mir nach.“ Oft warten wir mit Ausreden auf, warum wir nicht so sein
können wir Jesus. Vielleicht erkennen Sie heute, dass das einfach eine Lüge ist. Die Verlierer, die Versager, die zweite
Mannschaft, die Menschen, die nicht gut genug sind, sind offensichtlich genau die Menschen, die Jesus gebrauchen will, um
die Welt zu verändern. Vielleicht folgten diese Jünger, Petrus, Jakobus, Johannes und die anderen, Jesus deshalb mit einer
so großen Leidenschaft nach, weil sie von anderen abgelehnt worden waren. Vielleicht bedeutete es deshalb für sie so viel,
dass Jesus sie annahm. Ich weiß nicht, was Ihr Hierapolis ist, aber ich weiß, wenn Sie ein Jünger Jesu sind, dann glaubt
Jesus offensichtlich, dass Sie tatsächlich so sein können wie er. Offensichtlich glaubt er, dass Ihre Gemeinde tatsächlich die
Gemeinde sein kann, in der er gegenwärtig ist. Vielleicht sind Sie nicht in einer christlichen Gemeinde aufgewachsen und
haben keine Ahnung, wovon ich heute geredet habe, und Sie haben das Gefühl, Sie wären nicht gut genug. Vielleicht sagt
Gott heute Abend einfach zu Ihnen: „Ich habe dich berufen. Du kannst das schaffen. Vertraue mir.“
Vater im Himmel, wir bitten dich um diese Kühnheit. Weil du an uns glaubst, wollen wir auch an uns glauben. Wir vertrauen
darauf, dass du, als du uns deinen Geist versprachst und die Vollmacht, Größeres zu tun, als du getan hast, das wirklich so
gemeint hast. Wir wollen Talmidin werden, die die Welt verändern. Wir wollen deine Wahrheit weitersagen und die
Menschen so lieben, wie du sie liebst. Wir danken dir für die Schrift, für die Worte, die so süß sind wie Honig. Aber ich bete
auch für die Menschen, für die die Schrift nicht das Angenehmste und Köstlichste ist, was es gibt. Wecke in uns den
Wunsch, ganz und gar mit deinen Worten erfüllt zu werden, bis wir sie nicht mehr für uns behalten können. Danke, dass du
so gut zu uns bist. Danke, dass du am Kreuz den Tod besiegt hast. Danke, dass dein Reich ewig dauern wird. Danke, dass
wir für immer mit dir als unserem Erlöser, unserem Lehrer, unserem Rabbi leben können. Amen. Vor dem Verlassen der
Synagoge sprach der Rabbi oder der Priester aus dem Geschlecht der Leviten den aaronitischen Segen aus 4. Mose 6.
Wenn er diesen Segen sprach, legte er buchstäblich die Worte Gottes auf sie. Man war überzeugt, dass die Worte Gottes
über jedem Einzelnen schwebten, wenn er aus der Synagoge ging, und ihn beschützten und ihn führten. Der Herr segne
dich und behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr erhebe sein Angesicht auf
dich und gebe dir Frieden. Und mögest du bedeckt sein mit dem Staub deines Rabbi.
Evangelium heute
Mögest du immer einen Freund an deiner Seite haben, der dir Vertrauen gibt, wenn es dir an Licht und Kraft gebricht. |
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